Begleitservice
Wir müssen reden! #46
Unser Kolumnist Karl Katz im intimen Gespräch über die Highlights und Abgründe der schönsten Nebensache der Welt – abseits der Missionarsstellung. – Alexa lernte ich vor mittlerweile knapp zehn Jahren in einer ziemlich schicken Innenstadtbar kennen. Ich hatte mich dort mit ein paar Kommilitonen getroffen und war sofort von ihrer unglaublichen Ausstrahlung und Schönheit fasziniert.
Auffallend war außerdem ihr Begleiter: Der Herr war geschätzte zweihundert Jahre alt und hatte ununterbrochen mindestens eine seiner zittrigen Hände irgendwo an ihrem Körper, meistens auf dem Oberschenkel. Bald verließ das seltsame Pärchen das Lokal und ich ärgerte mich über die verpasste Chance, die schöne Unbekannte anzusprechen. Zu gern hätte ich sie kennengelernt und mehr über ihren eigenartigen Männergeschmack herausgefunden… Zu meiner freudigen Überraschung stand sie eine Stunde später schon wieder an der Bar. Diesmal alleine: meine Chance!
Heute, Jahre später, treffen wir uns immer noch alle paar Monate ganz klassisch auf Kaffee und Kuchen. Alexa ist inzwischen Geschäftsführerin einer bekannten Agentur für Hostessen und Begleitservice.
Erinnerst du dich an den Abend, an dem ich dich in der Bar angesprochen habe?
Oh, ja! Das war sehr lustig, du hast dich über meine Begleitung aufgeregt, weil du gedacht hast, wir wären ein Paar.
Haha, ja! Du warst so richtig glamourös, wie ein Filmstar. Und dann dieser alte, schleimige Grabscher neben dir. Er hat mich richtig irritiert. Da wusste ich aber noch nicht, was du eigentlich machst…
Ich war ja Begleitdame. Oder nennen wir es von mir aus auch Callgirl. Ist im Grunde alles das Gleiche. Jetzt mache ich das nicht mehr aktiv, habe nun meine eigene Agentur und meine eigenen Mädchen.
Und wie hat das angefangen bei dir?
Meine Mutter, die leider letztes Jahr gestorben ist, kam aus St. Petersburg nach Wien, als sie mit mir schwanger war. Sie wollte mir hier ein besseres Leben bieten. Natürlich hat sie keinen Job gefunden und dann kurz nach meiner Geburt damit angefangen, in einem verhältnismäßig gehobenen Bordell anzuschaffen. Damit hat sie uns beide wirklich sehr sehr gut über die Runden gebracht. Und ja… Irgendwann war ich alt genug und was soll ich sagen? Der Apfel fällt wohl nicht weit vom Stamm! (lacht) Trotzdem wollte ich nie eine normale Nutte sein, so hat das dann mit dem Begleitservice begonnen.
Für die Laien unter uns: Was ist denn der Unterschied zwischen Begleitservice und „herkömmlicher“ Prostitution?
Naja, ich würde sagen, in erster Linie vor allem die Arbeitsbedingungen. In einem Puff werden dir oft die Freier zugeteilt und du hast kaum Möglichkeiten, jemanden abzulehnen. Außerdem geht es da mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit wirklich einfach nur um Sex. Von der Straße will ich gar nicht erst anfangen… Zum Glück hatte ich damit aber nie etwas zu tun. Eine Begleitagentur kannst du dir ein bisschen wie eine Model- oder Talentagentur vorstellen. Die Kunden schicken Anfragen, dass sie an dem und dem Datum für diese und diese Dienstleistungen Mädchen suchen würden. Das ist in den meisten Fällen auch nicht Sex – zumindest in meiner Firma. Da geht es tatsächlich oft einfach nur um hübsche Begleitung zu Geschäftsessen, um die wichtigsten Partner zu beeindrucken. Oder auch einfach nur darum, mal einen Abend aus dem Alltag fliehen zu können, sich gut zu unterhalten, intelligente Gespräche zu führen und natürlich auch etwas fürs Auge zu haben.
Und wenn jemand ficken will?
Sex als Dienstleistung an sich vermitteln wir gar nicht. Falls eines unserer Mädchen aber für sich persönlich entscheidet, dass es den jeweiligen Herren – seltener auch die Dame – attraktiv findet und das Interesse auf beiden Seiten besteht, dann verbieten wir da natürlich nichts. Nur Bargeld darf nicht angenommen werden. Die finanzielle Abwicklung läuft alleine über die Agentur.
Also gibt es tatsächlich Typen, die einfach nur dafür bezahlen, ein paar Stunden lang eine hübsche Frau an ihrer Seite sitzen zu haben? Was sind das für Leute?
Du, die meisten sind sehr erfolgreiche und oft auch finanziell sehr abgesicherte Männer, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Oft fehlt es einfach an der Zeit für „herkömmliches“ Dating und trotzdem wünscht man sich doch ab und zu auch schöne Gespräche und ein bisschen soziale Nähe, die im Geschäftsleben vielleicht manchmal auf der Strecke bleibt. Fast jedes unserer Mädchen finanziert sich das Studium durch diesen Job. Wir achten bei der Auswahl und Aufnahme in unsere Kartei sehr stark darauf, dass sich die Girls gut artikulieren können, ein Mindestmaß an Allgemeinbildung mitbringen und sich auch bei höheren sozialen Anlässen gut bewegen können. Oft geht es auch in die Oper, zu Bällen und Empfängen oder exklusiven Privatpartys mit sehr wichtigen und prominenten Gästen aus Politik, Kultur und Kunst. Da sollte man nicht zu sehr aus dem Rahmen fallen, darauf legen unsere Kunden auch wert.
Kannst du ein paar Namen nennen?
(lacht) Oh Gott, nein! Wir sind da sehr diskret. Aber eine lustige Story gibt es: Ein Kunde hat sich mal als Promizahnarzt ausgegeben und hat mit der langen Liste seiner Patienten geprahlt. Armin Assinger, André Heller, Jazz Gitti und so weiter. Wir machen aber – zur Absicherung der Girls – natürlich auch bei all unseren Kunden einen Backgroundcheck. Da hat sich herausgestellt, dass dieser Typ als Schalterbeamter bei der Post arbeitet und das alles erfunden hat. Als wir ihn dann abgelehnt haben, ist er total ausgerastet und hat mich am Telefon mit Mord und Totschlag bedroht und geschworen, all seinen „VIP-Freunden“ von uns abzuraten. Tja. Solche Leute gibt es eben auch…
Eine letzte Frage stell ich dir noch, dann sind wir hier fertig für heute: Gäbe es eine berufliche Alternative für dich? Könntest du dir vorstellen, etwas anderes zu machen?
Als Kind wollte ich immer Bäckerin werden!