Supernackt #29
moralisch Supernackt #29
Während wir uns den weitgereisten Hummer scheibchenweise in die luxuriös versteckte Traumfigur pressen und den Nachwuchs beim Polo spielen observieren, zwängen sich Gedanken zu diesen edlen Tieren auf, denen schon die Mongolen, hoch zu Ross, ihren Siegeszug verdankt haben. Edle Tiere, edles Fleisch. Mahlzeit!
Früher war Fleisch noch ein Statussymbol, nicht jeder konnte sich ein feines Schnitzi ins Gesicht stellen. Wir konnten aber diese armen verhungerten Augen nicht mehr länger ertragen, die – knapp außerhalb der Radien unserer Selbstschussanlagen – auf unsere Fleischabfälle gewartet haben. Daher mussten wir im Rahmen der jährlichen Bilderbergkonferenz unsere Weltherrschaftsagenda dahingehend ändern, dass wir auch der mittellosen Mittel- bis Unterschicht eine ausgewogene Ernährung ermöglichen können: Fleisch für die Armen! Zumindest im Westen.
Dafür haben wir die komplette globale Lebensmittelwirtschaft umgekrempelt. Wir holzen ganze Landstriche in Russland, Südamerika, Afrika und Südostasien ab, damit genug Viecherl für alle zum Fressen da sind. Wir züchten allerlei Fische in Antibiotikakloaken, damit auch der kleine Mann sein Sushi beziehungsweise Pangasius Filet bekommt. Wir schleifen Garnelen durch die halbe Welt, damit sie kostengünstig bei den Kleinbörserl-Gourmets landen.
Werden wir dafür gefeiert? Natürlich nicht. Neid und Undankbarkeit sind ein anhänglicher Hund. Es ist wie bei der Kindererziehung: Egal wie man es macht, macht man es falsch. Jetzt sind wir wieder die Bösen. Massentierhaltung, so schlimm, so abartig, so unmenschlich. Die ganze Lebensmittelindustrie ist krank und pervers. Buhuuu, buhuuu. Aber alle wollen das billige Filetsteak dick am Teller liegen haben. Blutig.
Während wir schon lange unsere Ernährung zurückschrauben und uns in Luxuslokalen nur mehr Miniportionen gönnen, die eher in den Zähnen stecken bleiben als im Magen, schraubt ihr euch die billigen Meeresfrüchte per Fließband in den Wanzt und wundert euch. Sushi -50%. Im Winter, in Österreich. Kann nur gut sein. Wenn wir Fleisch essen, dann muss es qualitativ hochwertig sein, wir schauen auf Herkunft und Rasse: Wagyū-Rind oder Blauflossenthunfisch, wer es genau wissen will. Außerdem treiben wir wöchentlich unsere Lakaien über diverse Bauernmärkte, um die biologische und lokale Landwirtschaft zu fördern. Und was macht ihr? Schnäppchenpreise vergleichen und schimpfen, dass alles globalisierte Drecksgülle ist, aber Hauptsache Fleisch in den Backen.
Wenn wir euch dann in einem Anfall selbstloser Menschenliebe hochwertiges Fleisch von freundlichen Pferden in euren Brei mixen, dann wird gleich die Skandalkeule geschwungen. Als hättet ihr nicht größere Probleme. In Zukunft werden wir die guten Tiere wieder nur zum Polo spielen verwenden. Und ihr solltet mal schauen, was sonst so in eurem Essen drinnen ist, weil Pferdefleisch ist das geringste Problem. Soviel sei verraten. Doch so lange ihr eure Ernährung nicht überdenkt, wird sich das nicht ändern. Nehmt euch ein Beispiel an uns. Mahlzeit!