Sleeping IN MY CAR
Mein Sternzeichen? Ich bin Krebs. Eigenschaften, die dem gemeinen Krebs abgesehen von ergebener Treue und Hingabe sowie großer Sensibilität gerne zugesprochen werden, sind Häuslichkeit und Harmoniesucht. Letzteres mag unter Umständen zutreffen, aber die angeblich gottgegebene Nestbauveranlagung muss ich vehement abstreiten.
So ein Leben muss man mögen, ich habe viele Freunde, die nie auf die Idee kommen würden ihre vertraute Umgebung zu verlassen, für die es einer Strafe gleich käme, Altes hinter sich zu lassen um Neues zu entdecken. Ich habe Veränderungen immer gut wegstecken können, schon als Kind war ich flexibel. “Mei, du konntest dich immer beschäftigen, hat man dir einen Löffel gegeben, konntest du 2 Stunden damit spielen” sagt die Mama noch heute. Doch dies soll jetzt kein Aufsatz darüber werden, wer Veränderung braucht und wer nicht, wann du vom Weiterziehen profitieren kannst und wann nicht, vielmehr geht es darum was passiert wenn man noch einen Schritt weiter geht. Noch viel mehr hinter sich lässt als die letzten Male und einfach für ein Jahr ans andere Ende der Welt geht.
IT`S THE END OF THE WORLD, AS I KNOW IT
Australien, weiter weg kann ich von Berlin aus kaum fahren bzw. fliegen. Dazu lasse ich diesmal nicht nur eine alte Wohnung hinter mir, nein, ich habe beschlossen einfach mal ein Jahr in einem Auto zu wohnen. Erst nach ein paar Nächten in jenem wird einem bewusst von welchen Annehmlichkeiten man sich sonst noch so verabschiedet hat. Keine Badewanne (wenn man GLUECK hat vielleicht alle paar Tage eine KALTE Dusche), keine Waschmaschine, kein Computer, keine Freunde mit denen ich mal so eben auf ein Bier gehen kann, keine Privatsphäre. Auf der anderen Seite: Freiheit, Freiheit, Freiheit.
Gearbeitet wird nur falls das Geld knapp wird, gegessen nur wenn der Hunger nagt. Geschlafen da, wo ich parke wenn ich zu müde bin, es dunkel wird oder die Aussicht optimal erscheint. Meine Frühstücksplätze heißen Bondi Beach, Byron Bay, Surfers Paradise. Ich fange an, diese Karre sauber zu halten wie ich es in einer Wohnung nie machen würde. Alles ist so dicht gedrängt, sobald etwas rumliegt – Schmutzwäsche, Essensreste oder der eigene Partner – ist für einen selbst kaum mehr Platz und Ungeziefer wird angelockt. Ordnung – eine Notwendigkeit also.
Anfangs habe ich extrem unruhig geschlafen, immer wieder habe ich Schauergeschichten von anderen Backpackern gehört, die davon handeln wie böse Ranger einem enorm überzogene Strafen für illegales Campen aufbrummen, jede Nacht warte ich somit nur darauf, dass wer an die Scheibe klopft und ich fies mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet bekomme. Vor circa vier Tagen bzw. Nächten war es dann endlich soweit: Die freundlichsten Polizisten, mit denen ich je zu tun hatte, erklärten uns verschlafenen Wollknäueln, dass die Gegend gefährlich sei, da sich hier homosexuelle Männer zu intimen Kontakten träfen (hohoho…) und wo wir denn herkämen, was wir hier vorhätten und dass wir das nächste Mal doch besser auf einen Campingplatz fahren sollten. Sie würden noch die anderen Streifen informieren, dass sie uns verwarnt hätten, damit wir nicht nochmal in unserem Schönheitsschlaf unterbrochen werden und gute Nacht auch! Thank you, you’re welcome, halbsowild.
Interessanter Aspekt des Car-People-Daseins ist auch, dass ich mich ganz stark an den natürlichen Tag-Nacht-Rhytmus anpasse, vor allem in der Natur oder einer Kleinstadt, wo die Gehsteige um 17.30 Uhr hochgeklappt werden. Während des australischen Herbstes/Winters wird es unfassbar früh dunkel, so gegen fünf und lass noch einen kleinen Regenschauer dazukommen, was bleibt einem bald anderes übrig als zeitig schlafen zu gehen? Schließlich kann ich auch nicht stundenlang lesen auf Kosten der Autobatterie und wenn es kein Surrounding gibt, das Unterhaltung bietet, mache ich mich lang. So sind wir einmal nur knapp einem Herzinfarkt entgangen, weil um 19.30 Uhr jemand von der Verwandtschaft auf die Idee kam durchzurufen, wir waren schon in der ersten Tiefschlafphase! Dafür hab ich natürlich mehr vom Tag, wenn ich nach 9 Stunden (ungestört) um 6 Uhr ausgeschlafen von irrsten Vogelgeräuschen aufgeweckt werde. Papageien, Kakadus, Riesenfledermäuse und Känguruhs können wir rund um unser mobiles Zuhause beobachten. In Neukölln werd ich höchstens mal von einer Schlägerei vor der Eckkneipe wach, kein Vergleich also.
ALLES GAR NICHT SO EINFACH
Intimität im Auto ist auch ein heikles Thema, niemand hat mir davor gesagt, dass so ein Geländewagen absurd zu wackeln anfängt, wenn man sich nur mal den Mückenstich am Knie aufkratzen will. Also muss man entweder extrem statisch vor- oder abgelegen jeglicher Zivilisation seinen tierischen Trieben nachgehen. ALLES GAR NICHT SO EINFACH…
Campieren wir einige Tage an der gleichen Stelle und verlassen diese schließlich, so habe ich immer noch dieses Phantomgefühl irgendetwas ebendort vergessen zu haben, ein Bett oder irgendwelche Klamotten auf dem Gehsteig. Aber natürlich ist alles im Wagen. Ich bin zuversichtlich, dass all diese “Randerscheinungen” nachlassen werden und ich irgendwann eins werde mit dem goldenen Holden Jackeroo (australische Prestigemarke übrigens, Jackeroo heißt soviel wie Naturbursch). Allerdings muss ich zum Schluss noch hinzufügen, dass wir vorgestern hier in Brisbane die freundliche Einladung bekommen haben ein paar Tage bei einem entzückenden Musiker und Tattoo Artist zu nächtigen und was soll ich sagen? Ich hab mich gefreut wie ein kleines Baby, eine heiße Dusche genommen und bin erstmal zum Aldi (= Hofer) gefahren, den gibts nämlich hier auch. Was ich gekauft habe? German Schwarzbrot und Cnabanossi. Muss wohl der letzte Rest meiner sternzeichenbedingten Häuslichkeit sein. Australien ist ein tolles Land!
The night is so pretty and so young
The night is so pretty and so young
So very young…
Sleeping in my car – I will undress you
Sleeping in my car – I will caress you
Staying in the back seat of my car making love to you.
Quitsch – Krach – Tsching – Bumm