How C.O.M.E.?
Kommen Sie, wann Sie wollen!
Wie viele Frauen haben einen vaginalen Orgasmus? Regelmäßig, einfach so von selbst. Einen Orgasmus, so wie es in der erotischen Weltliteratur geschrieben steht und in Pornos dargestellt wird. Nicht klitoral, unter Zuhilfenahme von Fingern, Zungen oder delfinförmigen, stufenlos regelbaren Powervibratoren. Ich würde sagen, nicht so viele. Zumindest von denen, die ich gefragt habe. Ich noch nie. Scheiße. Das nervt mich, weil es da etwas gibt, von dem man weiß, dass es das gibt, aber es selbst noch nie erlebt hat.
Ein Gesangsverein, in dem man nicht mitsingen kann, sozusagen. Man macht es sich also selber oder kriegt es gemacht. Das ist schon sehr schön, aber man möchte sich doch auch mal einfach nur hinlegen und einfach während des Aktes abgehen wie Nachbars Lumpi. Ich habe von diesem Mythos gehört. Noch dazu glaube ich selbstverständlich,dass der vaginale Orgasmus sich tausendmal besser und intensiver anfühlt als der, den man kennt. Darum geht es ja eigentlich, ich betrachte es als persönliche Beleidigung der Natur an mich, dass ich diese Seitevon Sex einfach nicht kenne. Eine bodenlose Ungerechtigkeit!
Und dann kommt da der Herr Dr. Stifter aus Wien anspaziert und entwickelt injahrelanger Forschungsarbeit aufopferungsvoll den C. O. M. E. (Clinical Orgasm Muscle Exerciser), nur um uns orgasmisch unterentwickelte Frauen glücklich zu machen; wie ehrenhaft, und sich vielleicht dabei auch ein kleines bisschen was dazuzuverdienen, für die aufwendige Erfindung eines Gummistöpsels. Dieser trainiert gezielt die Beckenbodenmuskulatur, die dafür sorgt, dass sichdie Scheide beim Pempern manschettenartig um den Schwanz mantelt, anstatt nurschluffig herumzufaulenzen. Ja, so ist das. Lange Rede, kurzer Sinn: ich starte den Selbstversuch. Mein persönlicher Begatter ist für eine Woche verreist, optimal, um mit dem Training zu beginnen. Am Anfang empfiehlt der Doktor dreißig Übungseinheiten am Tag, nach einer Woche soll man das Ganze zweimal am Tag machen.
Ich befreie den C. O. M. E. aus seiner hygienischen, luftdichten Verpackung. Er erinnert an einen sehr kleinen Schneemann oder einen Eis lutscher. Sehr klein, mein Trainingsgerät, aber schließlich gehts hier nicht um Spaß, sondern um den harten Weg zu neuen Wonnen. Ich fange alsoan, zu trainieren. Nach meinen dreißig Einheiten häng ich gleich noch ne zweite Runde dran (Streber!). Nebenher läuft der ‚Weltspiegel‘. Mit sexueller Stimulation hat das Ganze weniger zu tun, eher als hätte man vor ein Tamponweitschießen zu veranstalten. Aber man kann gemütlich währenddessen fernsehen, telefonieren oder sich die Nägel lackieren. Nach drei Tagen habe ich langsam das Gefühl, ich hätte schon schwer geschuftet, was vor allem damit zusammenhängt, dass ich einen Muskelkater habe.
Ich kenne ja diesenherkömmlichen Sexmuskelkater, wenn einem etwa die Schenkelinnenseiten wehtun, aber dieser hier ist mir neu. Interessantes Gefühl.So geht es dahin und dann kommt mein Freund aus dem Urlaub zurück.Erwartungsvoll werfe ich mich ihm entgegen, frage ihn im entsprechenden Moment ‚Fühlt es sich irgendwie anders an für dich?‘, denke: ‚Fühlt es sich irgendwie anders an für ‚mich‘?‘.
Ich glaube schon ‚irgendentwas‘ Neues und Interessantes gespürt zu haben, aber der Urknall, die Wucht der Erkenntnis erfasst mich enttäuschenderweise rein gar nicht. Unverzagt trainiere ich weiter, meist beim gemeinsamen Fernsehen, anfangs diskret unter der Decke, irgendwann gelangweilt ohne Decke. Mein Freund belächelt mich und meinen Vaginalpoppel, hält das ganze für Humbug. Der ist nur neidisch auf meine künftigen Stunden und Nächte langen multiplenOrgasmen. Irgendwann, nach einigen Wochen, werde ich nachlässig, trainiere nicht mehr täglich und schon gar nicht mehrmals.
Mein Verhältnisgegenüber dem C. O. M. E. erinnert mich immer mehr an jenesgegenüber meiner ersten losen Zahnspange, die ich mit elf Jahren bekam. Am Anfang toll und aufregend, dann vergisst man sie immer öfter in der Dose.Ich trainiere nur noch sporadisch, wenn ich bekifft bin. Unverändert bleibt alles beim Alten im Orgasmusland der Sophia H. Vielleicht muss es auch Dinge geben, von denen man nur träumt. Vielleicht passiert es irgendwann von selbst, einfach so. Vielleicht auch nicht. Vielleicht reicht es auch, sich mit einer Art von Orgasmus zufriedenzugeben, so wie viele Männer.
So wie es aussieht,werde ich das Ding einfach bis zur nächsten Vorweihnachtszeitaufbewahren, eine Marzipankarotte dran kleben, mit Edding Augen draufmalen und es in die Mitte des Adventskranzes platzieren. Wenn meine Oma zu Besuch kommt, wird sie denken, es sei ein Schneemann.