Schöne Schuhe! Ficken?
Ausgangssituation für die nun folgenden Beobachtungen und Erfahrungsberichte sei folgende: Wir gehen hier von schlichtem Aufreißen aus, das nicht davon motiviert ist, zu einer Beziehung zu führen oder die große Liebe zu finden. Es geht um wilden, anonymen und unverbindlichen Sex.
„Naja, spätestens wenn eine Frau fünfmal mit dem gleichen Typen vögelt, verliebt sie sich in ihn“, murmelt da ein alter Freund in seinen Chauvi-Bart. Da muss ich ihm jetzt doch vehement widersprechen: das trifft lange nicht auf alle Frauen zu. Auf mich nicht, und mit weiteren Gegenbeispielen bin ich befreundet.
Ich möchte hier nicht leugnen, dass sich bei mir nicht auch schon Liebesbeziehungen aus One-Night-Stands entwickelt hätten, aber mir ist es durchaus in manchen Phasen meines Lebens einfach nur ein Bedürfnis, mit jemandem unverbindlich Spaß zu haben. Ich hab’ da wirklich einen emotionalen Umschaltknopf.
Reine One-Night-Stands kann ich an wenigen Fingern abzählen, ich bin schon eher der Typ für More-Nights-Stands, gepflegte Affären. Was manchmal gar nicht so einfach ist. Immer wieder habe ich es erlebt, dass Männer mit dieser Situation bzw. diesem Angebot nicht klarkommen. Da möchte man meinen, sie freuen sich, weil sie einen nicht erst ins Kino oder zum Essen ausführen müssen, doch so einfach ist es offenbar nicht. Viele glauben einfach nicht, dass auch Frauen manchmal nur das Eine wollen.
„Naja, spätestens wenn eine Frau fünfmal mit dem gleichen Typen vögelt, verliebt sie sich in ihn.‘
Warum? Schüchtert sie das ein, ist es der nicht befriedigte Jagdtrieb, wenn sie selbst zum Freiwild werden, ich weiß es nicht. Erst letzte Woche habe ich einen von diesen Exemplaren kennen gelernt, wir hatten es äußerst nett, sprachen davon, uns dringend wiedersehen zu müssen, ich machte irgendwann zwischendrin eine unromantische Randanmerkung im Sinne von: „Also an allem, was in Richtung Beziehung geht, bin ich momentan gar nicht interessiert.“, und schwupps, nie wieder was gehört von dem Guten. Was ist da los? Sex macht doch viel mehr Spaß und wird doch auch viel besser, wenn man ein paarmal und so… da muss man doch nicht gleich heiraten.
Doch nun zum Aufreißen selber. Natürlich bevorzuge ich als Hetero-Frau die klassischen Orte, Clubs, Parties, Discos, Bars. Ich betrete den Raum und fange an zu scannen, meist finde ich etwa 1-3 potentielle Kandidaten. Am besten ist es natürlich, wenn ich dann versuche, subtil ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, so dass einer von ihnen von selbst herkommt und denkt, er hätte den ersten Schritt gemacht, dabei ist er ohne sein Wissen in meinem Spinnennetz kleben geblieben.
Mit erhöhtem Alkoholpegel ist es mir durchaus auch möglich, selbst den ersten Schritt zu tun und mit locker-flockigen Sprüchen wie: „Na, was stehst du denn da so alleine herum?“ das Eis zu brechen. Wir sind uns doch wohl einig einig, wenn man jemanden gut findet, ist es scheißegal, ob der erste Wortwechsel oder die „Anmache“ Wortmüll oder Hochphilosophisches ist.
So geht’s dahin und wie gesagt, wenn man Glück hat, kann aus einem solchen Kennenlernen auch eine nette Zeit ohne Herzschmerz werden. Du kannst dir auch praktische Affären suchen, die ganz in der Nähe eines Clubs wohnen oder ein Auto haben oder zu viel Geld, das sie gerne in guten Restaurants oder für Konzerttickets ausgeben. Das ist natürlich noch besser (aber nicht zwingend notwendig). Wichtig ist, dass du die Affären nicht zu lange am Leben erhältst, sondern den richtigen Punkt findest, um damit aufzuhören, sonst verwechselt einer der Beteiligten das Ganze noch mit einer Beziehung, und es wird mühsam. Dafür gibt es natürlich keinen Richtwert, zwischen 2 Wochen und 4 Monaten ist alles drin. Angenehm sind auch mehrere Affären parallel, damit es nicht langweilig wird. Aber das ist nur was für Menschen, die nicht so leicht den Überblick verlieren und intime Details durcheinander werfen, sonst wird’s peinlich.
Manchmal hat man aber auch einfach keine Lust oder keine Zeit aus dem Haus zu gehen, und da ich ein neugieriger Mensch bin, dachte ich mir, was die schwulen Jungs können, kann ich auch und habe mir ein Profil bei einem einschlägigen Internetforum für heterosexuelle Erwachsene eingerichtet. Sexpartner-Homeservice, die Idee klingt schon verlockend.
Schon nach 10 Minuten kamen erste freizügige Angebote, obwohl noch nicht mal ein Foto online war. Wie ich schon befürchtet hatte, war aber absolut nichts und niemand dabei, der meinen Anforderungen genügt hätte, weder optisch noch intellektuell. Da hab’ ich dann doch einen zu hohen Anspruch, offensichtlich. Da gibt es die netten Rammler, die danach auch kuscheln wollen und ihre stundenlange Ausdauer sowie hervorragenden oralen Fähigkeiten anpreisen. Was ich schon immer sehr bedenklich finde, wenn Männer so enorm selbstüberzeugt sind von ihren Skills, es einer Frau zu besorgen, denn das artet dann manchmal schon in Leistungsdruck aus („Warum kommst du denn nicht endlich, verdammt, ich mach es dir doch so gut??!!“).
„Angenehm sind auch mehrere Affären parallel, damit es nicht langweilig wird.‘
Dann gibt es die übermotivierten Sportstudenten-Kotzbrocken („Ich habe einen sehr athletischen Körper, Frauen die nicht genauso athletisch sind wie ich, sollen das Maul halten, 60 kg bei 1,65 m sind nicht schlank…Außerdem will ich, dass eine Frau alles mitmacht und hau’ ihr gern auf den Arsch beim Sex“). Finden die wen? Ich bezweifle es.
Dann noch die sich und ihre körperliche Attraktivität massiv überschätzenden alten Knacker, die glauben, sich alles leisten zu können.
Bis hier und nicht weiter, nach drei Tagen habe ich das Profil erleichtert und angeekelt wieder gelöscht. Wieso gibt es so was nicht für gut aussehende, junge Menschen mit gutem Musikgeschmack? Oder heißt das dann MySpace bzw. Facebook?
Meiner Erfahrung nach spielen doch einige Aspekte mehr eine Rolle, damit ich mich mit jemandem sexuell wohl fühlen kann, deshalb wären Einrichtungen ähnlich der Saunas oder der schwulen „Fick-Hüttn“ nur eine Lösung, wenn sie das dementsprechende Publikum anziehen würden. Nichtsdestotrotz halte ich weiterhin am Modell der entspannten Affäre fest, was ja im Grunde nichts anderes als der „Fuck-Buddy“ ist, und wenn ihr Männer zu feige seid, dann könnt ihr mir sowieso gestohlen bleiben!
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‚Ich wäre so gerne schwul. Ihr Jungs könnt immer, wenn ihr wollt, Sex haben und müsst nicht vorher ins Kino oder essen gehen.‘ Das ist ein Satz, den ich oft zu hören bekomme. Letztens erst von einem heterosexuellen Freund, der gerade frisch von der Freundin getrennt in eine leichte Pseudo-Depression verfallen war. Ich frage mich dann immer, woher diese Annahme kommt. Hat er vielleicht ‚Queer as folk‘ im TV geschaut? Oder geht er einfach von schwuler-sexueller-Freizügigkeit aus, weil er auf dem Weg nach Hause immer an dieser einschlägigen Sport-Sauna vorbei muss? Oder macht er mich gerade an?
Ich gebe zu, den letzten Gedanken würde ich am allerliebsten weiterverfolgen. Aber da muss ich als schwuler Mann aufpassen. Meistens ist genau der Typ auf der Party, den ich am geilsten finde, hetero.
Ich erinnere mich noch mit Scham an das H-BLOXX Konzert irgendwann in den 90ern in Wiesen. Ich hab’ all meinen Mut zusammen genommen, bin zu diesem süßen Typen gegangen und hab’ ihn mit einem subtilen aber unmissverständlichen Zwinkern gefragt, ob er mit mir ein Bier trinken wolle. Und dabei mag ich Bier nicht einmal. Auf jeden Fall hat er mir daraufhin nett aber bestimmt klar gemacht, dass er zwar gern mit mir ein Bier trinke, allerdings mit seiner Freundin hier sei. Die übrigens gleich wieder vom Klo zurück komme. Peinlich. Dabei war ich so sicher. Aber wenigstens war er noch nett.
„Man geht nicht in solche Lokale, um Bier zu trinken.‘
Ich denke, das ist mit einer der Gründe, weshalb wir Jungs gern unter uns sind, wenn wir aufreißen. Es erspart Peinlichkeiten. Frauen dürfen in die schwulen ‚Fick-Hüttn‘ wie wir sie liebevoll nennen, sowieso nicht rein. Und jeder Mann der eintritt. ist Frischfleisch. Es gibt diese Etablissements in den verschiedensten Ausführungen. Da ist meistens die klassische Klingel am Eingang und als erstes eine Bar. Der Eintritt ist fast immer frei, allerdings wird man dazu angehalten, ein Getränk zu konsumieren oder gleich wieder zu gehen. Es ist dunkel, und im Hintergrund läuft billig-produzierter Prater-Techno. Der Beat soll wohl anregen. Je nach Wochentag befindet sich ein anderes Publikum in diesen Lokalitäten. Der Regenbogen hat viele Facetten. Eines ist aber immer gleich: man wird sofort abgecheckt. Im hinteren Bereich gibt es verschiedene Kabinen, welche mit Tür, welche ohne. Meistens hängt irgendwo eine so genannte Sling, was nichts anderes ist als eine Liebes-Schaukel aus Leder, von der Decke. Es riecht nach Poppers und Schweiß. Männer lungern an der Wand und mustern einen, wenn man vorbeigeht. Manche haben die Hand im Schritt und betatschen sich gegenseitig. Die Stimmung ist aufgeladen. Je nachdem, wie man selber drauf ist, wird man entweder zu einem ‚Lunger-Opfer‘ und versumpert in einer Ecke, angesoffen und ungefickt, weil man zu wählerisch ist, oder man sieht, was man will und geht offensiv vor. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass ein Blick genügt und man gemeinsam in eine Kabine verschwinden kann. Anonymer Sex. Man geht nicht in solche Lokale, um ein Bier zu trinken. Es ist von vornherein klar, dass es darum geht, Befriedigung zu erlangen. Und man sollte ‚tough‘ genug sein, um dieses Spiel zu spielen. Ein emotionaler Umschaltknopf ist von Vorteil. Gefühle haben draußen zu bleiben.
Eine andere Alternative sind Sauna-Clubs. Meistens etwas weitläufiger und mit verschiedenen Dampfbädern, Sauna-Räumen, Sportstudios und auch Kabinen ausgestattet. Jedoch leider meistens auch ziemlich geschmacklos eingerichtet. Das Spiel bleibt das gleiche. Der Vorteil ist, dass jeder nur mit einem weißen Handtuch um die Hüften bekleidet ist. Man sieht also gleich, was man kriegt. Wenn nix dabei ist, was interessant erscheint, kann man immer noch saunieren oder trainieren.
Wem das alles zu dreckig und offensiv ist, der kann natürlich immer noch den mehr oder weniger anonymen Weg gehen: Internet. Fluch und Segen. Gay-Romeo, gaydar und wie sie alle heißen, bieten ungeahnte Möglichkeiten. Auf einen Klick rund um die Welt. Eine Riesenauswahl an Männern, die alle etwas anderes suchen. Meistens geht es natürlich nur um das Eine. Gleich am Status kann man erkennen, was das Gegenüber sich erhofft: Date. Chat. Sex. Oder nix.
Viele würden gern, aber trauen sich nicht. Manche fragen gleich ‚Hast du Lust zu ficken?‘, andere wollen nur übers Wetter reden. Ein paar Romantische hoffen auf die Große Liebe. Viele haben Fotos, auf denen sie toll aussehen, die allerdings der Realität nicht gerecht werden. Manchmal gibt es böse Überraschungen, manchmal stößt man auf Gold. Vom Topmodel aus Paris bis zum Weinbauer aus dem Burgenland war bei mir schon alles dabei. Nach einem Chat hat man herausgefunden, ob man das gleiche sucht und trifft sich, oder eben nicht. Entweder gleich zum Sex-Date oder, eher seltener, nur zum Kaffee. Resumé: sehr viel Triebhaftigkeit, wenig Gefühl. Ausnahmen bestätigen die Regel.
„Der Fuck-Budda – Ich rufe ihn an, wenn ich mich nach körperlicher Zuwendung sehne.‘
Dann gibt es da noch den ‚Fuck-Buddy‘. Jemanden, den man meistens über einen der oben beschriebenen Wege kennengelernt hat. Der Sex mit ihm ist dreckig und genial, man ist auf einer Wellenlänge, aber ansonsten hat man nicht viel gemeinsam. Man ruft ihn an, wenn man sich nach körperlicher Zuwendung sehnt. Er kommt, erfüllt Fantasien und geht wieder. Kein Aufreiß-Stress, keine emotionale Verpflichtung. Alles unverbindlich. Und doch bleibt man ihm treu und kommt nach jeder zerflossenen Beziehung zu ihm zurück.
Es kommt immer darauf an, was man braucht. Meistens sucht man doch nur – seien wir ehrlich – Selbstbestätigung. Allerdings sollte man nicht zu lange im Wunderland bleiben. Manch einer hat nicht mehr zurückgefunden…
Als Mann einen anderen Mann aufreißen. Fazit: In meiner ’schwulen Welt‘ ein Glücksspiel, weil man nie weiß, was man kriegt. In der Öffentlichkeit ein Wagnis, weil man nie weiß, ob überhaupt was geht und was die Konsequenzen sind, wenn nicht. Ja, ich gebe zu, wenn wir schwulen Jungs Sex haben wollen, dann geht das auch meistens. Ich könnte eine Doktorarbeit über die vielen Möglichkeiten schreiben. Man stellt es sich als Hetero nur emotional einfacher und befriedigender vor, als es ist. Sex ja, Gefühl nein ist nicht immer erfüllend. Und es wirft unweigerlich die Frage auf: geht es uns beim Aufreißen nur um Sex? Warum bevorzugen wir so oft Anonymität anstelle von Intimität? Kann es vieleicht sein, dass es in meiner Welt viel schwerer ist, mit meinem ‚Aufriss‘ ins Kino oder was essen zu gehen als zu ficken?