Ikonen

Ikone, Idol, Vorbild, Star, Rolemodel – Wieso kannst du nicht so sein wie sie sind? Was machen wir mit den ganzen Prominenten, die uns täglich neu vorgesetzt werden? Bringt es uns überhaupt etwas, sie anzuhimmeln oder uns gar ihnen anzupassen? Simple Antwort: Die brauchen uns doch mehr als wir sie.

Sophia
„Was wäre ich ohne meine schwulen Jungs?“ Genauso wie Madonna, Kylie oder Lady Gaga habe auch ich das schon oft gedacht. Natürlich geht es bei mir nicht um Millionen  Tonträger und ausverkaufte Welttourneen, aber wenn man als Musikerin – Slash – Selbstdarstellerin auch nur in irgendeiner Form auf der Bühne steht, wäre man ohne die Sympathie der Gay Community verratzt.
Männer, die Wert auf dein Äußeres legen, bemerken wenn du beim Friseur warst und denen weder positive (funky Nagellack, perfekter Lidstrich) noch negative ( Speckröllchen, schlecht epilierte Beine) Details verborgen bleiben. Die dir sagen, dass sie dich scharf finden ohne dass sie dich flachlegen wollen. Bedingungslose Verehrer ohne sexuelle Motivation. Ein Traum!
Warum ist das so? Warum stehen Schwule auf starke Frauen mit offensiver Sexualität und crazy Outfits? Dies zu beantworten überlasse ich meinem Lieblings-Haarflüsterer Alex.
Lieber befasse ich mich mit den weiblichen Idolen und Vorbildern von uns Mädels. Wer war meine erste Heldin? Regina Regenbogen? She-Ra? Ich kann mich nicht entsinnen. Mit dem Aufflammen der Pubertät und nach ersten Kontakten mit Populärmusik, ging ich allerdings weiter in die Vergangenheit als man es von einem Kind der Achtziger vermuten könnte. Marilyn Monroe mit ihrer unverschämt naiv-drallen Weiblichkeit war meine Heldin. Ich erzählte jedem, der es hören oder nicht hören wollte, ich wäre in einem früheren Leben sie gewesen und glaubte selber fest daran. Dann kam eine kurze Frank-n-Furter-Phase, gleichzeitig war ich unheimlich scharf auf diese bi-sexuelle Rocky-Horror-Transe , identifizierte mich aber auch stark mit der Figur und wollte genauso unverschämt und versaut sein. Abgelöst wurde er von Eartha Kitt, über die Orson Welles einmal gesagt hatte, sie sei die aufregendste Frau der Welt. Das Katzenhafte, Verruchte aber auch Damenhafte beeindruckte mich schwer.
Bis heute steht sie auf meiner Vorbilder-Liste neben klassischen Rock-Ikonen wie Debbie Harry, Joan Jett oder Siouxsie Sioux. Diese Damen,um nur einige zu nennen, haben mich inspiriert, geprägt und zu dem gemacht, was ich heute bin: eine sexual-liberale,lebenslustige Rampensau, die sich gerne die Zeit damit vertreibt ihre 72 Kleider nach Farbgruppen zu ordnen, über 20 Paar künstliche Wimpern ihr eigen nennt und das Wort „Pop“ in Pink in der Nähe ihres Herzens tätowiert hat. „ I wanna be evil, little evil me – just as mean and evil as I can be..“(Eartha Kitt)

Alex
“47 Madonna-Videos in einer Dvd-Edition. Alle digital überarbeitet. Ab Oktober im Handel. “
Musik in meinen Ohren.  Ich bin ein grosser Madonna-Fan. Noch so ein Schwulen-Klischee. Während ältere Semester sich eher zur Cher-Religion bekennen oder Barbra anbeten, bin ich mit Madonna aufgewachsen. Ich erinnere mich noch gut daran wie ich als kleiner Knirps durchs Zimmer hüpfte, den Glitzer-Schal meiner Mutter um die Hüften gebunden und aus dem Kassetten-Recorder tönte “Material Girl”. Kein Wunder, dass sie bei meinem Coming-Out nur gesagt hat :‘ Ja, das hab ich mir eh schon gedacht, kein Problem!‘
Madonna war einfach immer da. Genauso wie meine Homosexualität. Schon früh habe ich bemerkt, dass da eventuell was anders ist bei mir, z.B. in der Zeit als die Körperhaare zu wachsen begannen und ich meine Augen nicht mehr abwenden konnte von den behaarten Beinen meiner Mitschüler.  Irgendwann bemerkten die das natürlich auch und ich war früh als Schwuchtel zum Einzelgänger verdammt, zumindest von den Jungs. Wie soll man auch als heranwachsender Hetero damit umgehen, dass man für einen Anderen zum Sexobjekt wird, wenn man selbst noch gar nicht sexuell gefestigt ist? Mein Interesse für Fußball und Krieg-Spielen war auch eher gering, also bin ich in die Welt der Mädchen abgetaucht. Dort war ich integriert in einer Clique und bin alibihalber alle zwei Wochen mit einer Anderen „gegangen“. Man führte Gespräche über Mode, las „Bravo-Girl“(in dem jede Woche ein nackter junger Mann zu bewundern war) und hörte eben Madonna.
Schon immer liebte ich es, dass sie sich immer wieder neu erfindet und all das auslebte, was ich damals nicht konnte. Ich musste doch unauffällig bleiben, damit ich keins auf die Nase bekam und niemand bemerkte, dass bei mir etwas „nicht stimmte“. I was the only Gay in the Village! So fühlte ich mich zumindest..
Dann war da diese starke Frau, die sich in Unterwäsche von Jean-Paul Gaultier auf die Bühne stellte und mir sagte ‚Express yourself, don’t depress yourself!‘
Die sich an Männer ranmachte und der es ganz egal war, was die Anderen denken.
Die predigte ‚Don’t go for second best!‘ und ‚You deserve the best in life.‘
Die in ihren Videos nackte Traummänner hatte, welche ölverschmiert und nass in einer Stahlfabrik ihre Muckis zeigten.
Damit hat sie Massstäbe gesetzt und sich schon als blondierte Marilyn in Hotelgängen geräkelt, als Christina und Britney noch im Mickey-Mouse-Club abhingen. Sie war es auch, die sagte :‘ I’m not sorry, it’s human nature.‘ Mein Glauben wurde gestärkt, dass es da noch eine andere Welt gibt, ausserhalb meines Heimatdorfes. Dass es okay ist, schwul zu sein.
Die letzten zwei Alben meiner Heldin waren nicht mehr ganz so toll. Aber es ist gut die Dvd-Box zu Hause zu haben, wenn es mir mal nicht gut geht. All die Videos aus meiner Kindheit und Jugend. Die Stylings, die den jeweiligen Zeitgeist wieder spiegeln. Mich an alles erinnert, was ich schon geschafft habe. Egal was Madonna in Zukunft macht, wir Homos werden ihr für immer dankbar sein. Dafür das sie uns gesagt hat :’Till I learned to love myself, I never loved somebody else‘ und ‚Why should he be treated differently? Should’nt matter who you choose to love.‘
Genau. Danke, Madonna!