Drogenbeichte
Eine Beichte ist laut Definition das Eingeständnis einer schuldhaften Verfehlung. So weit würden wir jetzt nicht unbedingt gehen, denn die Erfahrungen, die wir gemacht haben, möchten wir nicht missen. Allerdings möchten wir sie auch nicht unbedingt nochmal machen.
Aus dem Nähkästchen zweier Partytiger…
Sophia:
Drogen und vor allem sogenannte Party-Drogen spielen in den Kreisen, in denen ich mich bewegt habe und bewege eine nicht unwesentliche Rolle. Sie haben auch einen großen Einfluss auf die Musik und auf die ganze Ästhetik der Hipster-Kultur im Allgemeinen. Drogen sind „in“.
Ich war immer der Auffassung, man sollte nichts verteufeln, jeder solle für sich selbst entscheiden, was und in welchem Maß er es konsumieren will.
Hauptproblem ist nur, dass sehr viele Menschen kein Maß haben, egal ob es sich um Extasy, Kokain, Alkohol oder Haschisch handelt. Und selbst wenn du glaubst, du hast alles im Griff, kannst du dich täuschen. Das ist das Problem. Der Weg von der Party zum Karlsplatz ist kürzer, als man denkt.
Ich habe in meiner Teenager-Zeit „nur“ unheimlich viel gekifft, gesoffen bis an den Rand der Alkoholvergiftung, Verletzungen, zerschlagene Fensterscheiben und ähnliches inklusive. Ab und zu Schwammerl gefressen…
Alles andere war mir suspekt, ich hatte zu viel Respekt vor „härteren“ Drogen. Mit Anfang 20 nahm ich dann doch das erste Mal Extasy. Ich war auf einem Placebo-Konzert und durch einen Bekannten landete ich danach im Backstagebereich, just in dem Moment, als der Scheiß anfing zu wirken.
Die Band kiffte nur gemütlich vor sich hin und ich war total außer mir, laberte Brian Molko voll, dass ich gerade das erste Mal in meinem Leben und so weiter… blablabla.
Am nächsten Tag waren die Innenseiten meiner Backen komplett aufgekaut, aber ich war immer noch begeistert von dem Gefühl unbändiger Euphorie und Liebe, gepaart mit grenzenloser Gamsigkeit und dem Hang zum hemmungslosen Hedonismus.
Noch immer schwor ich mir nichts zu konsumieren, was durch die Nase aufgenommen wird.
Doch ich änderte meine Meinung innerhalb von Wochen. Mit einem guten Freund war ich in Regensburg. Auf der veranzten Toilette einer widerlichen Großraumdisko zog ich meine erste Line Koks. Und weil man sehr schnell nach mehr giert, wenn man einmal begonnen hat, zog ich nach einer Stunde meine erste Line Speed. Ich tanzte stundenlang durch zu richtig hartem Techno und verstand zum ersten Mal den Zusammenhang zwischen dieser Musik und Drogen. Der nächste Morgen allerdings war die Hölle, wir machten durch, fuhren total verschickt mit dem Zug zurück nach München, und ich bekam einen krass depressiven Absturz. Am späten Nachmittag musste ich ARBEITEN, ein mieser Catering-Job, aber ich hatte nicht geschlafen, 4 Stunden geweint und fühlte mich wie Durchfall.
Der Weg von der Party zum Karlsplatz ist kürzer, als man denkt
Vielleicht hätte ich an diesem Punkt schon mal registrieren können, dass Drogen meiner Psyche nicht so wirklich wohl tun.
In den folgenden Jahren kam es zu sporadischen Exzessen, aber dann so richtig, einmal mit totalem Black Out.
Auf einer großen, schicken Party beschloss ich, die Nahrungsaufnahme zu verweigern, dafür 3 Flaschen Champagner zu trinken und anschließend den mit Spucke befeuchteten Finger in ein Tütchen mit reinem MDMA zu stecken, einmal zu oft vielleicht.
Mitten in einer Unterhaltung verdrehte ich die Augen ins Weiße und wurde bewusstlos.
Euphorie und Liebe, grenzenlose Gamsigkeit und Hang zu hemmungslosen Hedonismus
Man rief einen Krankenwagen und versuchte mich so unauffällig wie möglich nach draußen zu schaffen, denn es war auch Presse anwesend. Zusammen mit den Sanitätern war sofort eine Polizeistreife zur Stelle.
Ein Freund von mir wimmelte die Beamten ab: „Die hat nur a bisl zuviel gsoffn…!“
Ich wurde wieder wach als die Schiebetür zuknallte und ich im gnadenlosen Neonlicht auf einer Bahre lag. Die Sanitäter fragten mich, was ich konsumiert hätte, und nachdem ich anfänglich nicht damit rausrücken wollte, merkte ich schnell, dass das in dieser Situation nicht angebracht war. Nach einer halben Stunde war ich stabilisiert und wurde in ein Taxi gesetzt. Meine Party war zu Ende.
Danach wurde ich etwas vorsichtiger, doch für mich war diese Nacht weniger schlimm gewesen als für meine Freunde. Ich konnte mich ja an nichts erinnern…
Bald darauf fing ich an, selbst Parties zu veranstalten und das Drogen nehmen bekam nochmal einen anderen „Grund“. Wenn man um 20 Uhr in einen Club geht, anfängt Deko zu machen und dann dort bis 7 Uhr früh organisiert, auflegt, auftritt, abrechnet etc. muss man einfach ziemlich gut funktionieren, natürlich geht das mit ein bisschen Koks besser. So ging das – bis ein 17-jähriges Mädchen backstage zusammenklappte, weil sie zu viel Heroin geschnupft hatte, da war bei mir das Fass voll. Speedballs als Party-Droge, das ist nicht erst seit dem Tod von River Phoenix eine ganz schlechte Idee. Heroin und Speed gemischt um gleichzeitig „Up“ und „Down“ zu sein… So ein Käse!
Ich trug das arme Ding nach Hause, ließ sie auf meinem Sofa schlafen, mehrmals in meinen Putzeimer kotzen und am nächsten Tag stand sie um 12 Uhr auf, um zur Matura-Vorbereitung zu gehen! Je jünger man ist, desto unverwundbarer fühlt man sich…
Ich merkte, wie ich schon so ein bisschen den Bezug dazu verlor, was man seinem Körper so alles zumutet. Wenn es keine Drogen waren, dann der Alkohol und wenn man krank war, freute man sich über die verschriebenen Codein-Hustentropfen und kippte sie in ein Wodka-Red Bull. Gesundheit!
Berlin, Sommer 2008. 3 Tage wach. Volles Programm. Bar 25. Speed. Ich fiel rückwärts in ein Feuerloch, zum Glück war das Feuer schon aus. Schürfwunden. Berghain. Extasy in den Mund gesteckt bekommen. Armdrücken gespielt. Verletzt. Arm „ausgerissen“. Zigarettenbrandlöcher in den Beinen. Depression.
Fazit: körperlich ein Total-Schaden, seelisch ein Krater. Darüber nachgedacht, warum ich meinem armen Körper das antun muss.
Keine plausible Antwort gefunden.
Am 7.11.2008 habe ich das letzte Mal Drogen genommen, das war der Tag meiner Abschiedsparty in Wien, um meinen Umzug nach Berlin zu feiern.
Niemand hat mir damals geglaubt, dass ich mit diesem Städtewechsel ruhiger werden würde, das Gegenteil wurde vermutet. Mittlerweile rühre ich nicht mal mehr Joints an, Alkohol trink ich einmal die Woche und mein Zigaretten-Konsum liegt bei einer Schachtel – pro Woche.
Ich bleibe oft mal Samstag Abend zu Hause, wache Sonntag um 9 Uhr auf, weil ich ausgeschlafen bin und genieße es keinen Kater zu haben.
Dann kauf ich mir am Hackeschen Markt einen frisch gepressten Orangensaft und beobachte die verstrahlten Party-Touristen, die durch Mitte geistern, Untote mit Ray-Ban-Sonnenbrillen und freu mich über die Aktivität der Gehirnzellen, die überlebt haben.
Irgendwie hat jemand einen Schalter umgelegt und das ist gut so.
Egal ob das nun für immer so bleibt oder nicht, es ist gut auf seinen Körper zu hören und wenn er „Stop!“ schreit nicht einfach weiterzumachen!
Alex:
Drogen, legale wie illegale, Antidepressiva, Extasy, Alkohol oder LSD, sind fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Auch wenn selten offen darüber gesprochen wird.
Egal ob Musiker/innen, Schauspieler/innen oder Paris Hilton, nie wird man jemals von Jemandem zu hören bekommen: „Oh ja, ich rauch ganz gerne mal einen Joint vor dem Einschlafen!“ oder „eine Line Koks vor dem Auftritt bringt mich in Stimmung!“. Im Gegenteil. Da wird beschwichtigt: „Ich habe nicht inhaliert!“ (B. Clinton), dementiert: „Nein, Anna Nicole Smith war nicht abhängig!“ ( H. Stern) und gelogen „Ich bin nicht süchtig!“ (W. Houston). Die Wahrheit sieht freilich ganz anders aus.
Den ganzen Tag bekifft herumzuhängen war Ausdruck einer Depression
Mit Sexgeständnissen hab ich echt kein Problem. Aber ich ziere mich ein bisschen, von meinen persönlichen Drogen-Erfahrungen zu berichten. Natürlich will man nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten und in eine schmuddelige Karlsplatz-Schublade gesteckt werden.
Ich kiff ganz gern. Ab und zu. Am Abend nach getaner Arbeit und mit Freunden beim DVDs schauen.
Ich trinke wenig Alkohol, wenn, dann beim Ausgehen, auch mal Wodka. Ich rauche. Mit einem Päckchen komm ich 2 Tage aus. Das war´s eigentlich. Nicht so aufregend und für manchen Leser sicher ein wenig enttäuschend. Doch ich habe eine Vergangenheit..
Es gab Zeiten, in denen ich mir schon in der Früh nach dem Aufstehen den ersten Joint gebaut habe. In denen ich auf Extasy und/oder Speed nächtelang getanzt habe oder auf LSD im I-Max-Kino gesessen bin. Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, dass ich zum Glück immer grossen Respekt vor Drogen und deren Wirkung hatte und nie übertrieben habe. Ich habe sie ausprobiert, es aber auch wieder sein lassen. Wohl auch deshalb, weil ich in den bunten 90er Jahren viele Ausgeh-Bekanntschaften abstürzen gesehen habe.
Ich erinnere mich zum Beispiel noch, als ich vor einem Jahr über die Maria-Hilfer-Strasse spazierte, bemerkte ich diesen Freak. Er war damit beschäftigt, Zigarettenstummel zu sortieren, fremde Menschen zu beschimpfen und sah dreckig und verwahrlost aus. Bei genauerem Hinsehen fiel mir auf, dass er etwa in meinem Alter war und… er kam mir bekannt vor. Es fuhr mir ein, dass ich mit diesem Typen mal in der Arena gefeiert hatte. Damals vor mehr als zehn Jahren. Er sah immer sehr gut aus, ein bisschen wie Fabrizio Moretti, also absolut mein Typ. Das Problem mit ihm war, dass er immer auf Trip war. Er nahm LSD wie andere Leute Tic-Tacs. Das war mir damals schon nicht geheuer. Ihn dann als verrückten Penner auf der Maria-Hilfer-Strasse zu wissen hat mich erschüttert.
Eine andere „Bekannte“ traf ich einmal Jahre später vollkommen verwirrt auf einer Party, offensichtlich um einiges gealtert und abgefuckter, ansonsten wohl noch genau auf den selben Drogen wie damals.
Auf einer der ersten Parties im Gasometer wurde ich genau in dem Moment, als das E zu fahren begann, Zeuge, wie ein junges Mädchen vor mir zuckend zusammenbrach – und starb – wie ich dann später erfuhr. Sie war auf dem gleichen Extasy, das ich eingeworfen hatte.
Passt auf euch und euer Gehirn auf!
Die Frage ist, ab wann Drogen zu einem Problem werden?
Eine Droge wird dann zum Problem, wenn es ohne nicht mehr geht. Wenn man nervös wird, weil kein Gras mehr zu Hause ist. Wenn der Schluck Wein immer öfter zu einer Flasche wird. Wenn die wirklich „guten Parties“ immer häufiger werden.
Wenn Drogen nicht mehr glücklich machen, sondern nur noch belasten. Besonders mit Marihuana hatte ich in dieser Beziehung ein grosses Problem. Es war immer da, und da es ja in der Natur wächst, hab ich es für mich auch immer als harmlos abgetan. Doch irgendwann ging es einfach nicht mehr.
Den ganzen Tag bekifft herumzuhängen, war Ausdruck einer Depression, wie ich dann irgendwann herausgefunden hatte. Nicht nur das. Der Teufelskreis bestand darin, dass das Gras mich natürlich noch melancholischer machte. Wegzudämmern war angenehmer als die Realität. So einfach war das. Sicherlich auch mit einer grossen Portion kindlicher Sturheit und einem grossen Ego gemischt, wollte ich mir einfach nicht eingestehen, dass täglich Kiffen ein Problem für mich geworden war. Erst als sich gute Freunde wegen meiner Faulheit und Unzuverlässigkeit abwendeten (und bis heute nicht wieder gekommen sind) und ich beruflich nicht mehr zurecht kam, läuteten bei mir die Alarmglocken. Ich muss sagen, dass ich froh bin, an so einen Punkt gekommen zu sein, denn jetzt geht es mir gut.
Ich verteufele Niemanden, der Drogen nimmt. Ich denke, ab einem gewissen Alter muss man selbst wissen, was man tut. Und mit Eigenverantwortung kommt auch Selbstrespekt. Ich finde es viel geiler, einen Waschbrettbauch zu haben, weil ich die Energie habe, jeden Tag Sport zu machen, als einen Waschbeckenbauch, weil ich nur bekifft rumliege und Schokolade esse. So einfach ist das zum Glück mittlerweile für mich. Ich habe eine Familie, auf die ich zählen kann und kein Problem damit, mir Hilfe zu holen, wenn ich sie brauche. Allerdings war es ein langer Weg, aber ich möchte auch nicht den Zeigefinger erheben und eine Anti-Drogen-Kampagne lostreten. Ich sage nur: Passt auf euch und euer Gehirn auf. Nehmt euch und euren Körper ernst und hört auf ihn. Und nur wer von nichts abhängig ist, kann wirklich frei sein!