Wieviel Tourismus verträgt unsere Erde?
Vor uns die Sintflut #76
Tausende Touristen schieben sich bei brütender Hitze im Gänsemarsch durch europäische Städte wie Venedig, Dubrovnik, Florenz oder Barcelona. Während einige Bürgermeister schuldenbedingt noch mehr Reisende in die Stadt holen wollen, wettern Bürgerinitiativen mit Parolen wie „Tourists go home!“ gegen die Menschenmassen. Da drängt sich die Frage auf: Ist das alles noch gesund?
Der Sommer ist da! Und mit ihm die Reisezeit, die viele von uns an wunderschöne Strände und in malerische Städtchen lockt. So schön das klingt, so hässlich ist die bittere Wahrheit: Unsere Welt leidet am „Overtourism“. In vielen Ländern müssen beliebte Attraktionen zum Schutz von Natur und Tieren für Touristen gesperrt werden. Indonesien hat heuer seine Dracheninsel Komodo für die Sicherheit seiner gleichnamigen Warane abgeriegelt. Die aus „The Beach“ berühmte Maya Bay in Thailand ist bereits seit letztem Jahr nicht mehr zugänglich, damit sich die Vegetation vom Massentourismus erholen kann. Und das hat sich gelohnt: Im Dezember 2018 sind Schwarzspitzen-Riffhaie in die Bucht zurückgekehrt und tausende von Korallen haben sich wieder angesiedelt.
In europäischen Städten leiden auch die Bewohner am Tourismus. Hotspots wie Venedig oder Dubrovnik wirken mittlerweile mehr wie ein Museum als ein Wohnort, nachdem viele der einstigen Einwohner vor Lärm, Müll und steigenden Mieten (dank Airbnb stehen viele Wohnungen Einheimischen nicht mehr zur Verfügung, was die übrigen teilweise unbezahlbar macht) geflüchtet sind. Aber auch in Österreich haben wir mittlerweile mit dem „Overtourism“ zu kämpfen. Zum Beispiel im einst verträumten Hallstatt im Salzkammergut: Hier wurde der Alltag der rund 770 Einwohner auf den Kopf gestellt, weil an starken Tagen bis zu 10.000 Menschen aus aller Welt durch die Gassen der kleinen Stadt strömen. Drohnen kreisen über den Köpfen und die Herden trampeln in den Gärten rum, weil sie glauben, der Ort sei ein Freiluftmuseum.
Während die Einheimischen flüchten, verlieren diese Städte immer mehr ihre kulturelle Identität. Verkauft wird Ramsch made in China und in den Restaurants mit Pizza, Burger und Schnitzel das, was die große Masse auf der ganzen Welt isst. Wenn überhaupt Geld ausgegeben wird … Tagestouristen, die in Küstenstädten wie Venedig oder Cinque Terre mit dem Kreuzfahrtschiff anreisen, lassen meistens nur wenig Geld in der Region. Dafür viel Müll: In der Lagunenstadt verursacht der Tourismus 53.000 Tonnen Mist im Jahr. Dieser muss mit Booten wieder aufs Festland gebracht werden. Und als wäre das alles nicht schon genug, beschädigen Kreuzfahrtschiffe durch das verdrängte Wasser das Fundament der Stadt und ihre extreme Feinstaubbelastung bedroht die Gesundheit der Einwohner. Aber schön langsam findet ein Umdenken statt ..
Maßnahmen gegen Overtourism:
- Venedig: Ab 2020 bezahlen Tagestouristen zwischen 3 und 10 Euro Eintritt.
- Hallstatt: Reisebusveranstalter müssen für ihre Reisegruppe Zugangstickets kaufen, die auf zweieinhalb Stunden beschränkt sind.
- Dubrovnik: Statt zehn dürfen nurmehr zwei Kreuzfahrtschiffe pro Tag anlegen.
- The Wave (Arizona): Der Zugang für dieses Naturwunder ist auf maximal 20 Touristen pro Tag beschränkt. Die Permits werden verlost.
- Machu Picchu: Peru testet derzeit einen streng regulierten Zugang zur Inka-Stadt.
Natürlich hat Tourismus auch gute Seiten für Stadt und Bewohner – und keiner sollte auf Reisen und seine schönen Erlebnisse verzichten. Vielleicht helfen dir folgende Denkansätze aber, deinen Urlaub nachhaltiger zu gestalten:
- Auch im Urlaub regional einkaufen. Statt in China massenproduzierten Ramsch lieber von einheimischen Produzenten oder Künstlern kaufen.
- Anreise überdenken: Grün reisen und dementsprechend statt mit dem Flugzeug lieber mit dem Zug oder Fernbus anreisen.
- Neue Reiseziele: Suche dir Städte und Natur fernab vom Massentourismus. Du wirst auch abseits der aus Instagram bekannten Fotomotive Spannendes und sogar Schöneres entdecken! Und Einheimische, die froh sind, dass du da bist, anstatt mit Schildern gegen deine Anwesenheit zu protestieren.
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