Brauner Filmriss
VOLUME Kinokritik: Waldheims Walzer
Der Bundespräsidentschaftswahlkampf von 1986 steht im Mittelpunkt dieser nicht nur zeitgeschichtlich relevanten Doku. Das Jahr, das alles veränderte, begann damit, dass der ehemalige UNO Generalsekretär Kurt Waldheim als Bundespräsidentschaftskandidat der ÖVP vorgeschlagen wurde.
Mitten in den Wahlkampf platzte dann ein Artikel des Magazins Profil, in dem Waldheim mit NS-Organisationen in Verbindung gebracht wurde. Waldheim selbst hatte seine gesamte Karriere in der deutschen Wehrmacht als Pflichterfüllung bezeichnet und in seiner offiziellen Biografie frisiert. Angeblich hatte er nach 1941 nur noch Jus in Wien studiert. Verletzungsbedingt. Seine weiteren Tätigkeiten in der Wehrmacht, die er bis Kriegsende ausübte, verschwanden in seiner offiziellen Biografie. Auch litt er an extremer Vergesslichkeit, was seine Beteiligung und / oder sein Wissen über Massenhinrichtungen, Deportationen und andere Gräueltaten betraf.
In Österreich begann daraufhin eine Protestbewegung gegen Waldheims Kandidatur, die die österreichische „Volksseele“ zum Kochen brachte und zur Kenntlichkeit entstellte. Die klassisch antisemitischen Verhaltens- und Argumentationsmuster, die im gemeinen Volk, aber auch bis hinauf in die ÖVP-Spitze, zum Ausdruck kamen, demaskierten die österreichische Nachkriegslüge vom „Ersten Opfer“ Nazideutschlands. Bekanntermaßen wurde Waldheim trotz oder gerade wegen seiner nicht aufgearbeiteten Vergangenheit zum Bundespräsidenten gewählt. Ruth Beckermanns Dokumentarfilm ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis Österreichs – wie es war und auch ist.
Regie: Ruth Beckermann
Kinostart: 05.10.2018
Bewertung: 4/5