Stimmen aus der Branche – Promotion & Musikmanagement #2
Wie geht's der heimischen Kulturszene?
Seit 10. März befindet sich die heimische Kultur- und Veranstaltungsbranche im Ausnahmezustand. Konzerte, Vorstellungen, Partys und Ähnliches dürfen bis auf Weiteres nicht mehr stattfinden. Zunächst ging es nur um Veranstaltungen über 100 Menschen, doch seit Montag, dem 16. März 2020, bleiben alle Venues und Clubs ausnahmslos geschlossen. Dass diese wichtige Sicherheitsmaßnahme tief greifende Auswirkungen auf die gesamte Branche hat und im schlimmsten Fall existenzbedrohend werden könnte, sei hier nur der Form halber noch einmal erwähnt. Doch wie geht es den Kulturschaffenden Österreichs seit dem Cultural Shutdown?
Wir haben bei Konzert- und Party-VeranstalterInnen, PromotorInnen, LabelbetreiberInnen, Venue- und ClubbetreiberInnen, ManagerInnen und KünstlerInnen nachgefragt und bereits einige Antworten bekommen, die dem Ernst der Lage mit Realismus, Hoffnung, Durchhaltevermögen und Optimismus begegnen. Weitere Updates und Stellungnahmen folgen.
Jonathan Gabler – GAB Music Factory, Kleio Records, Panta R&E
Label & Management
(c) Julian Haas
Wie geht’s euch?
Den Umständen entsprechend gut und zum Glück gesund!
Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf euren beruflichen Alltag aus?
Bei uns befinden sich alle in Kurzarbeit und/oder im Homeoffice und wir verlassen unsere Wohnungen so gut wie nicht mehr. Aber das geht wohl vielen so. Die Kommunikation mit unseren Artists war bei uns schon immer stark auf Handy und Online ausgerichtet, da wir auch viele Artists aus den Bundesländern betreuen. Insofern hat sich da zumindest nicht allzu viel geändert, wobei alle technischen Hilfsmittel natürlich ein Face-To-Face-Meeting nicht ersetzen können. Ein großer Brocken sind natürlich die abgesagten Veranstaltungen. Das betrifft sowohl unsere eigenen, als auch die von anderen KünstlerInnen und VeranstalterInnen. Mir persönlich als leidenschaftlicher Konzertgeher geht das natürlich schon ab, nicht nur finanziell. Es ist aber auch schön, zu sehen, dass bei den Medien und Förderstellen ein aufmerksames Problembewusstsein vorhanden ist und mittlerweile viele neue Wege für KünstlerInnen in der Krise geöffnet werden. Insofern ist das natürlich auch eine Chance, auch wenn einige dieser Maßnahmen in meinen Augen auch schon längst überfällig sind. Allgemein bleibt aber doch die Sorge, dass bei anhaltenden Beschränkungen und sich leerenden Fördertöpfen ein nachhaltiger Schaden in der gesamten Branche zu spüren sein wird. Die Stimmung ist jedenfalls auch unter meinen KollegInnen und KooperationspartnerInnen äußerst angespannt!
Welche Maßnahmen musstet ihr bereits ergreifen?
Das offensichtlichste sind natürlich die abgesagten bzw. verschobenen Shows, aber natürlich auch die Umstellung auf Kurzarbeit und das Homeoffice.
Welche eurer KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?
aNNika trifft es derzeit am härtesten. Sie musste ihre Album-Release-Tour – ihr zweites Album „LUV“ ist am 13. März erschienen – komplett verschieben und auch die Ersatztermine sind mittlerweile schon am Wackeln. Ultima Radio mussten ganze 12 Konzerte absagen. Das sind wirklich bittere Zahlen für eine Newcomer-Band.
Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntet ihr das finanziell durchhalten?
Das ist in der Tat schwer abzuschätzen. Wir sind zum Glück relativ breit aufgestellt, da wir neben dem Label auch noch ein Tonstudio und Proberäume betreiben. Die sind aber natürlich momentan auch weitgehend gesperrt. Viel länger als bis über den Sommer jedenfalls nicht. Das hängt natürlich auch schwer von den weiteren Entwicklungen ab.
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Wie gesagt, sehe ich das Ganze auch als Chance – nicht unbedingt für unsere Branche, sondern für die Gesellschaft. Das Teleworking erspart viele Wege und damit CO², die Wertschätzung (im Gegensatz zu deren Gehältern) für Personal in Pflegeberufen und im Lebensmittelhandel steigt und man lernt wieder ein bisschen auf Schwächere und nicht nur auf sich zu schauen. Andererseits leiden natürlich viele aus der Kreativwirtschaft unter den Maßnahmen und das ist wirklich besorgniserregend. Für unsere KünstlerInnen und Labels (Panta R&E und Kleio Records) wird Covid-19 mit Sicherheit ebenfalls eine wirtschaftliche Zäsur darstellen – ich hoffe, es kommt zu keinen nachhaltigen Schäden. Wenn die Absagen bis Jahresende anhalten werden, wird es aber leider richtig schlimm für Artists, Clubs, Veranstaltungsagenturen und auch für die Independent-Labels, weil ein großer Teil der Tonträger bei den Konzerten verkauft wird. Ich bin aber vorsichtig optimistisch, dass im Herbst wieder so etwas wie Normalität in die Branche Einzug halten wird.
Hannes Tschürtz – Ink Music
Management, Label, Booking & Promotion
Wie geht’s euch derzeit?
Wir sind alle gesund und das ist das Wichtigste.
Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf euren beruflichen Alltag aus?
Die Arbeit besteht ausschließlich akuter Krisenbewältigung: Das ganze Team kämpft leidenschaftlich darum, dass uns dieser Virus nicht kleinkriegt. Wir sind bemüht, alle Tourneen und Konzerte nach Möglichkeit zu verschieben. Dennoch trifft uns die ganze Sache brutal hart. Wir haben jetzt sehr lange mit hohem finanziellen und personellen Aufwand auf März und April 2020 hingearbeitet. Die Releases und Tourneen von Oehl, My Ugly Clementine und Lou Asril sind für uns die wichtigsten Projekte der letzten und nächsten 12 Monate. Bei allen haben wir sehr viel reingesteckt und stehen jetzt mit vollen Regalen und leeren Händen da, obwohl bis zuletzt bei diesen Projekten alles wie am Schnürchen gelaufen ist. Für traurig sein ist aber gerade keine Zeit. Wir versuchen, alles zu retten, was zu retten ist – und müssen schauen, wie weit wir mit dieser freigesetzten Energie jetzt kommen.
Welche Maßnahmen musstet ihr bereits ergreifen?
Wir haben bereits direkt nach Bekanntwerden der Maßnahmen für Veranstalter (am 10. März) in den Krisenmodus geschalten und sind seither fast noch mehr als vorher im Einsatz. Wir haben unmittelbar bevorstehende Konzerte und Tourneen, so gut es irgendwie geht, zu verschieben versucht. Dazu haben wir in der Kommunikation zu den beiden ganz aktuellen Releases (Lou Asril und My Ugly Clementine) und insgesamt im Aufstellen von Hilfeleistungen für unsere KünstlerInnen enorm viel zu tun. Seit Freitag (13. März) tun wir das komplett im Homeoffice. Im Büro gibt es nur den Notbetrieb für den Versand und Empfang aktueller Post. Wie es weiter geht, hängt ganz stark davon ab, wie sich die Maßnahmen entwickeln und wie lange wir uns diesen Modus ohne Umsätze leisten werden können.
Welche eurer KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?
Fast ausnahmslos alle. Im Besonderen natürlich jene genannten drei, die justament jetzt ihre Hochphase hätten haben sollen: My Ugly Clementine (Release am 20. März), Lou Asril (Release am 13. März) und Oehl (zweite Tour-Hälfte komplett betroffen).
Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntet ihr das finanziell durchhalten?
Das hängt von der Improvisationsgabe und der Geduld der Banken ab.
Wie blickst du in die Zukunft?
Die Ironie ist, dass wir uns mit der fernen Zukunft gerade gar nicht zu beschäftigen brauchen, weil wir mit aller Kraft versuchen, das Hier und Jetzt zu bewältigen. Die Tage vergehen extrem schnell, das Energielevel ist enorm. Was ich aber von Virologen und Forschern höre, stimmt mich sehr nachdenklich. Wenn dieser Zustand sehr lange hält, mache ich mir ganz andere Sorgen als welche um mich oder meinen Betrieb. Niemand weiß, wie lange das dauern wird und was es auf lange Sicht mit den Menschen macht. Wir können nur mit positiver Energie dagegenhalten und versuchen, kreativ zu sein, zusammenzuhalten, uns mit Musik zu trösten und hoffen, dass wir irgendwann wieder gemeinsam auf Konzerten stehen dürfen. Diese Perspektive ernährt mich ein Stück weit.
Daniel Oberbauer – Label 4
Management, Label & Club-Manager (Inc.)
Wie geht’s euch derzeit?
Man muss ehrlich sagen: gut, weil meine Familie gesund ist – das sollte in diesen Zeiten das Wichtigste sein. Wirtschaftlich betrachtet stehen wir als KMU gemeinsam mit der gesamten (nicht nur, aber vor allem) Musikbranche vor einigen Herausforderungen.
Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf euren beruflichen Alltag aus?
Meine Tätigkeit als Manager und Label-Inhaber ist normalerweise mit einigen Reisen und Meetings verbunden, die jetzt allesamt gecancelt oder zumindest ins virtuelle auf Video-Calls verlagert worden sind. Ich kann aber ohne Weiteres gut von zu Hause aus arbeiten, da ich in diesem Job nicht zwingend ortsgebunden bin.
Welche Maßnahmen musstet ihr bereits ergreifen?
Das ist der härteste Brocken aktuell. Aus Manager- und Label-Sicht: Alle Konzerte, Live-Shows usw. sind abgesagt oder soweit es geht vorerst mal verschoben. Das hat aber – neben dem Verlust der Gagen, von denen wiederum unsere (Band-)Musiker, TontechnikerInnen, usw. leben – weitreichende Folgen: Jedes Konzert kurbelt wieder die Reichweite, Streams, Downloads und zum Teil auch noch Verkäufe (CDs, Vinyl oder Merch) eines Künstlers/einer Künstlerin an. Hier gehen unzählige Tantiemen und Lizenzen verloren. Aber auch die Promotion, die um jedes Konzert herum passiert, bricht weg und somit fallen zum Teil auch Algorithmen wie auf Instagram oder Google (bzw. YouTube). Aus Club-Sicht: Abgesehen davon betreuen wir einen Club in Wien, der natürlich jetzt geschlossen ist und damit sind auch alle MitarbeiterInnen und Freelancer, die nur für den Club tätig sind (Barpersonal, FotografInnen, DJs, GrafikerInnen, usw.), de facto „arbeitslos“. Einen wöchentliche „Clubbetrieb“ kannst du nicht verschieben, du kannst einen Samstag nicht „nachholen“ oder verschieben. Wir stehen hier vor der Herausforderung, dass wir aktuell Kosten wie z.B. Löhne (inkl. Lohnnebenkosten), die sich aus den Einnahmen einer bestimmten Tätigkeit wie eben dem Clubbetrieb oder dem Live-Geschäft ergeben, nicht finanziert oder refundiert bekommen.
Welche eurer KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?
Das kann man so nicht sagen, da jeder auf seine Art betroffen ist. Bei manchen KünstlerInnen mussten wir die komplette Release-Planung und Strategie ändern, da die an gewisse Live-Ankündigungen gekoppelt waren. Andere mussten eben viele Shows absagen und wiederum andere, können nicht wie geplant den Zeitplan für das ganze Jahr einhalten, da sich die Prioritäten und Aufmerksamkeit der Menschheit verschoben haben.
Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntet ihr das finanziell durchhalten?
Wenn man hart arbeitet und jahrelang gut wirtschaftet, kann man sicher eine Zeit lang auf „Minimalbetrieb“ umschalten und versuchen, so diese Periode durchzustehen. Aber früher oder später muss man einfach – wie jeder andere auch – seine Rechnungen bezahlen, die Familie ernähren, usw. Und das befürchte ich, werden einige in dieser Branche nicht durchhalten können. Wir sind immer auf der Suche nach Alternativen, um unsere KünstlerInnen zu vermarkten, da muss man eben jetzt in Zeiten wie diesen noch kreativer werden und neue Wege finden!
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Gemischt. Auf der einen Seite positiv, weil man sieht, wie vorbildhaft die Regierung in dem Fall reagiert hat und wie sehr die Menschheit hier zusammenhält. Das stimmt mich zuversichtlich. Auf der anderen Seite bin ich natürlich selbst etwas betrübt, da man vor allem KMU und EPU lange noch die Nachwirkungen dieser Phase spüren wird und wenn sich dann alle mehr oder weniger davon erholt haben, werden wir immer noch weitaus größere Probleme haben, die niemals diese Beachtung geschenkt bekommen.
Stefan „Apple“ Kudlicki
Management (Dame, Kreiml & Samurai)
Wie geht’s dir?
Mittlerweile wieder etwas gefasster. Die letzten zwei Wochen waren doch etwas turbulent.
Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf deinen beruflichen Alltag aus?
Also für mich grundsätzlich nicht großartig, nachdem ich sonst auch immer die meiste Zeit von Zuhause arbeite. Man merkt aber definitiv eine Entschleunigung der Branche. Neben massenweise Auto-Replies muss man sich halt auf längere Wartezeiten oder teilweise gar keine Antworten einstellen. Ansonsten bemerke ich, dass mehr telefoniert wird und generell die Kommunikation persönlicher ist. Man fragt nach dem Wohlbefinden des anderen und tauscht sich in Sachen Steuern oder finanzieller Unterstützung aus. Ansonsten darf man sich, glaube ich, nicht verrückt machen (lassen). Dank der Digitalisierung kann vertriebsseitig zumindest teils weitergearbeitet werden und was alles andere betrifft, versuche ich meine Planung nach hinten zu verlagern und mich so gut es geht auf alle möglichen Szenarien einzustellen.
Welche Maßnahmen musstest du bereits ergreifen?
Bei Kreiml & Samurai habe ich zwar schon mehr oder weniger mit der Verschiebung der Wien-Show im Gasometer gerechnet, aber bin bis zum Zeitpunkt der Regierungsmaßnahmen davon ausgegangen, dass wir den Rest der Tour fertig spielen können, nachdem man in anderen Ländern bis dato nur Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern untersagt hatte. Umso dankbarer bin ich unseren örtlichen Partnern für die schnelle Reaktion und Bereitstellung von Ersatzterminen. Mit Dame waren wir sogar noch bis 13. März auf Nightliner-Tour durch Deutschland, bevor wir abgebrochen haben. In Bielefeld war bereits die gesamte Produktion aufgebaut und der Soundcheck erledigt, bevor uns das Ordnungsamt eine halbe Stunde vor Einlass die Absage der Show mitgeteilt hat. An diesem Punkt haben wir uns mit dem gesamten Team zusammengesetzt und gemeinsam die Entscheidung getroffen, die restlichen acht Shows zu verschieben und nach Hause zu fahren. Es wäre eine Sache gewesen, sich von Show zu Show durch die restliche Tour zu zittern. Viel größer ist aber die moralische Frage gewesen. Wir haben zwar von Anfang an bewusst auf wenig Kontakt mit anderen Menschen geachtet und auch sämtliche Autogramm- und Foto-Aktionen ausgelassen, aber wie viele andere auch haben wir das Corona-Virus anfangs nicht so ernst genommen, wie man hätte sollen, was sich aber von Tag zu Tag immer mehr geändert hat. So waren wir uns alle einig, dass wir nichts riskieren und unseren Beitrag zur Eindämmung leisten sollten.
Welche deiner KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?
Über die Finanzen anderer Menschen spreche ich prinzipiell nicht. Sehr bitter ist es natürlich, wenn man zusammen mit Kreiml & Samurai fast über ein Jahr lang gemeinsam an einem Strang zieht, die Aufmerksamkeit und Relevanz am Peak hält und dann zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Albums und einem Top-5-Chart-Einstieg die Tour noch vor dem langersehnten Heimspiel abbrechen bzw. verschieben muss. Ich bin sehr stolz auf die Jungs, dass sie nicht die Nerven geschmissen, sondern die Fassung behalten haben und als, meines Wissens nach, erster heimischer Act mit der Idee angekommen sind, ein Konzert live zu streamen. Auch wenn es ungewohnt war, fand ich die Aktion großartig umgesetzt.
Wie blickst du in die Zukunft?
Abwarten und z‘haus bleiben …