Stimmen aus der Branche – KonzertveranstalterInnen & VenuebetreiberInnen #2
Wie geht's der heimischen Kulturszene?
Seit 10. März befindet sich die heimische Kultur- und Veranstaltungsbranche im Ausnahmezustand. Konzerte, Vorstellungen, Partys und Ähnliches dürfen bis auf Weiteres nicht mehr stattfinden. Zunächst ging es nur um Veranstaltungen über 100 Menschen, doch seit Montag, dem 16. März 2020, bleiben alle Venues und Clubs ausnahmslos geschlossen. Dass diese wichtige Sicherheitsmaßnahme tief greifende Auswirkungen auf die gesamte Branche hat und im schlimmsten Fall existenzbedrohend werden könnte, sei hier nur der Form halber noch einmal erwähnt. Doch wie geht es den Kulturschaffenden Österreichs seit dem Cultural Shutdown?
Wir haben bei Konzert- und Party-VeranstalterInnen, PromotorInnen, LabelbetreiberInnen, Venue- und ClubbetreiberInnen, ManagerInnen und KünstlerInnen nachgefragt und bereits einige Antworten bekommen, die dem Ernst der Lage mit Realismus, Hoffnung, Durchhaltevermögen und Optimismus begegnen. Weitere Updates und Stellungnahmen folgen.
Dietmar Tschmelak – Radio Soundportal & PPC
17.01.2020 Anti-Flag, PPC
(c) Nikolai Hasenhütl
Wie geht’s euch?
Persönlich geht‘s soweit allen gut. Man macht sich halt allerlei Gedanken, verfolgt das Geschehen und ist quasi 24 Stunden online. Ein kleines „Erdbeben“ hatten wir in der Steiermark ja auch noch, ein längerer Stromausfall wäre jetzt zusätzlich eher etwas unpraktisch.
Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf euren beruflichen Alltag aus?
Massiv und dennoch unterschiedlich. Radio Soundportal sendet natürlich täglich sein 24-Stunden-Programm, informiert weiterhin kompetent und unterhält die Hörerschaft in der ganzen Steiermark – im Office und der Senderedaktion zwar extrem reduziert und mit allen Vorsichtsmaßnahmen, aber mit guter Musik, Infos und voller Kraft unserer großartigen MitarbeiterInnen! Der gesamte Veranstaltungsbetrieb mit „Soundportal in Concert“ und den Clubs im PPC liegt dagegen natürlich vorerst komplett brach. Speziell für Venues, wie dem PPC, natürlich der absolute Supergau und schon eine massive Herausforderung. Aber wir werden das alle gemeinsam hinkriegen.
Was für Maßnahmen musstet ihr bereits ergreifen?
Ja, all das übliche – das ganze Programm. Wir müssen natürlich alle Shows verschieben – am besten so weit weg wie nur möglich in den Herbst, manche gleich ins nächste Jahr. Ein paar wenige März-Shows mussten leider gleich komplett abgesagt werden. Die Arbeit läuft hier größtenteils via Homeoffice. In unseren Unternehmungen sind ja vergleichsweise viele MitarbeiterInnen beschäftigt, darum wird jetzt auch Kurzarbeit ein Thema sein. Alles sehr fordernd.
Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntet ihr das finanziell durchhalten?
Wir sind gut aufgestellt und haben in den letzten Jahren auf allen Ebenen immer gut performed. Aber das wirtschaftliche Leben ist sensibel und eine kompletter Shutdown im Veranstaltungsbetrieb ist eine noch nie da gewesene Situation. Ohne Einnahmen schafft das dauerhaft sowieso niemand im Live- Betrieb. Es geht jetzt in erster Linie um eine Klarheit, wann es in welcher Form „live“ wieder weitergehen kann und dann natürlich um die Frage, wie da rückwirkend der ganzen Branche von staatlicher Seite geholfen wird. Da wird‘s wohl noch viele Fragen geben.
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Radio Soundportal wird das alles gut meistern. Wir sind das jüngste Radio in der Steiermark und top aufgestellt. In der Live- und Event-Branche versuche ich, das Ganze realistisch zu sehen. Wenn es wirklich allerspätestens nach dem Sommer in den Clubs wieder „normal“ weitergehen kann, dann wird das alles extrem schmerzen, aber mit großen Anstrengungen und Hilfen machbar sein. Sollte es einen diesbezüglich weit längeren Shutdown (wovon jetzt wirklich niemand ausgeht) geben, dann wird es grundsätzliche und weitreichende Lösungen brauchen. Das würde die jahrzehntelang aufgebauten Strukturen im gesamten Live-Betrieb auf allen kleinteiligen Ebenen komplett zerstören. Hinzukommt das noch nicht ganz absehbare Publikumsverhalten. Das Leben AC (after corona) wird wohl nicht mehr exakt dasselbe sein und natürlich auch die Musikbranche in vielen Bereichen radikal verändern. Wir stecken da grad wohl mitten in einem gesellschaftlichen Experiment mit etwas ungeklärtem Ausgang.
Wolfgang Descho & Wolf Arrer – Rockhouse Salzburg
Wie geht’s euch?
Uns geht es den Umständen entsprechend und wir haben auf Homeoffice umgestellt. Viele Shows konnten verschoben werden, einige mussten komplett abgesagt werden. Wir arbeiten weiterhin daran! Die Workshops der Rockhouse Academy im März und April werden nach Möglichkeit in den Herbst verschoben.
Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf euren beruflichen Alltag aus?
Die MitarbeiterInnen sind im Homeoffice oder gegebenenfalls Urlaub und Zeitausgleich. Wir arbeiten eng mit dem Dachverband Salzburger Kulturstätten zusammen, um Hilfen für EPU und freie ProduktionsmitarbeiterInnen zu bekommen, da diese am schlechtesten dastehen.
Was für Maßnahmen musstet ihr bereits ergreifen?
Wir arbeiten Volldampf hinter den Kulissen, um, sobald es erlaubt und sinnvoll ist, gleich wieder zu starten.
Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntet ihr das finanziell durchhalten?
Ein besonderes Problem besteht auch für die Rockhouse Bar, die es, wie alle Gastronomiebetriebe, derzeit sehr schwer hat. Die Betroffenheit für KünstlerInnen ist angesichts der Bedeutung von Gagen für Live-Auftritte und Einnahmen durch Merchverkäufen für das Einkommen von MusikerInnen eine allgemeine. Das Ausmaß dieser Betroffenheit steigt aber sicher nach dem Maßstab „je mehr Indie, je weniger Industrie“. Im Prinzip also ein Muster, das sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zeigt.
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Wir blicken zwar sehr sorgenvoll in die Zukunft, aber glauben ganz fest, dass es wieder eine musikalische Zukunft bei uns geben wird! Wann immer es sein wird. Wir planen jetzt mal mit dem kommenden Herbst und sind aber auch bereit, wenn früher wieder schrittweise Normalisierung einkehren sollte. Das Rockhouse arbeitet täglich an einem zukünftigen, intensiven, vielfältigen Konzertangebot – so wie es unser Job ist. So wie unser Publikum und unsere MusikerInnen das von uns gewohnt sind und selbstverständlich auch weiterhin erwarten.
Nik Paumgarten – Tontechniker & Hinterhof Records (Tonstudio, Label)
Wie geht’s dir?
Es ist gerade sehr hart für uns alle. Jetzt ist mal eine Auszeit, es ist sehr schwer bis unmöglich Arbeit zu finden. Da muss man durchatmen und sich überlegen, wie es weitergehen kann.
Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf deinen beruflichen Alltag aus?
Ich arbeite als Live-Tontechniker, führe ein Tonstudio und Label. Die Krise hat einen massiven Einfluss auf meine Jobs. Es wurde eigentlich so gut wie alles abgesagt. Derzeit arbeite ich von Zuhause und plane wie ich in den nächsten Wochen und Monaten weiter machen kann.
Welche Maßnahmen musstest du bereits ergreifen?
Bis zum 13. April sind alle Shows abgesagt. Ich gehe aber davon aus, dass der Veranstaltungstop noch länger andauern wird. Ich bekomme Tag für Tag neue Absagen. Ich bin mit vielen Live-Technikern in Kontakt, die es jetzt gerade sehr hart trifft! Bis zum Sommer wird wohl das meiste abgesagt werden. Es gibt einige Förderungen für unsere Branche. Da bin ich gerade dabei, in Erfahrung zu bringen, welche greifen und was die Stellen von mir brauchen. Aus derzeitiger Sicht wird es wohl die WKO und der Bund sein, an die man sich wenden wird.
Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntest du das finanziell durchhalten?
Das ist sehr schwer zu sagen. Als Live-Tontechniker kann man derzeit natürlich gar nicht mehr arbeiten. Recordings im Tonstudio wurden natürlich auch schon abgesagt. Ich kann weiterhin Mixing und Mastering betreiben, aber nachdem die Musiker jetzt auch extreme Einbußen haben, wirkt sich das auch sehr stark bei den Tonstudios aus. Auch als Label können wir weiterarbeiten und Releases vorbereiten. Ohne Touring ist aber auch das natürlich etwas eingeschränkt.
Wie blickst du in die Zukunft?
Ich versuche, positiv zu bleiben. Wir sitzen alle im selben Boot. Ich hoffe sehr, dass wir ab Mai wieder halbwegs in den normalen Alltag zurückkehren können, ansonsten sehe ich für die Musikbranche extreme Verluste. Vor allem der Festival-Sommer ist für uns alle extrem wichtig!