Kurt Palm im Interview
VOLUME Interview: Kurt Palm
Mit dem Kultautor (“Bad Fucking”) und Regisseur (“Nette Leit Show”) Kurt Palm sprach Volume anlässlich seines Neuen Films “Kafka, Kiffer und Chaoten”, der ab 9. Mai in den Kinos läuft.
Volume: Kurt, warum soll man sich diesen Film anschauen?
Kurt: Im Leben ist es ja so, dass man, je mehr man sieht, je mehr man in verschiedene Länder reist, umso schöner ist es eigentlich. Die Vielfalt macht es aus. Ich bin ein Anhänger der Vielfalt. Und ich mags überhaupt nicht, wenn alles einfältig und immer das Selbe ist.
Nietzsche spricht in “Also sprach Zarathustra” von der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Und das ist, womit wir heutzutage in allen Bereichen zu kämpfen haben. Egal, ob du jetzt hernimmst die Mode, das Fernsehen, die Literatur, das Kino. Ich versuche immer Dinge zu machen, die da bisschen herausfallen.
Dieser Film ist ein Angebot, sich abseits des Mainstreams mit einer Strömung, mit einem Film, mit einer Thematik auseinanderzusetzen, die es in dieser Form eben eigentlich kaum gibt. Es ist ein Nischenfilm, das ist klar, den werden keine 100.000 Leute sehen. Aber die, die sich für bissi abgefahrene Geschichten interessieren, die mit einer Parodie aufs Filmemachen was anfangen können, die umgehen können mit Satire auf Literaturwissenschaft und auf den Universitätsbetrieb, die werden sich gut unterhalten.
Volume: Für alle, die den Film noch nicht gesehen haben: In dem Film geht es darum, dass eine Gruppe Studierenden als Abschlussarbeit ihres “Kafkaismus-Studiums” einen Film über Franz Kafka und seine Erzählung “Ein Landarzt” drehen wollen, bei dem es dann drunter und drüber geht. Besonders lustig ist eine Szene, in der die Filmemacher in Spe ins Ministerium pilgern, um Geld für die Dreharbeiten zu lukrieren. Ist das in Wirklichkeit auch so arg?
Kurt: Ja! Das ist sehr realistisch. Wir haben sechs Jahre gebraucht, um den Film fertigzustellen. Es war ein Spießrutenlauf, muss ich sagen. Aus finanziellen Gründen. Wir wollten ursprünglich 1,2 Millionen, was für einen Spielfilm ja nicht die Welt ist, hatten keine Chance, weil die Förderer sehr skeptisch waren, was meine Person anlangt und auch das Projekt. Natürlich, es ist ein Risikoprojekt, das kann man schon sagen, und sowas wird nicht ausreichend gefördert.
Volume: Wie lang kann es in Zeiten von Neoliberalismus solche Filme noch geben?
Kurt: Nicht mehr lange. Unter Garantie. Ich glaube, dass, nicht nur im Filmbereich – ich schreib ja auch Bücher – der Neoliberalismus Einzug hält. Egal wo, Theater, Film, Literatur, es wird berechnet, es geht um Zahlen, und die Möglichkeit zu experimentieren, Dinge auszuprobieren, die gibts de facto kaum mehr.
Volume: Klingt wie das “Ende der Geschichte” von Francis Fukuyama.
Kurt: Na, ich hoffe nicht! Ich hoffe, dass es irgendwie einen dialektischen Umschlag gibt, wo die Leute sagen: es reicht! Ich rede jetzt nicht vom “Wutbürger”, das interessiert mich nicht. Sondern, dass man sagt: wir müssen umdenken. Weil sonst kommen wir am Schluss dorthin, dass alles uniformiert ist und dass nur produziert wird, wo man weiß, das bringt am meisten Geld. Mit unserem Film kann man aber kein Geld verdienen, weder ich, noch die Produzenten oder die Schauspieler. Und die Aufgabe der Kulturförderung ist es, eben solche Dinge zu unterstützen. Und das ist nicht mehr gegeben.
Volume: War das mal anders?
Kurt: Es war zumindest leichter. Ich bin kein Verklärer der Vergangenheit, dass ich sage: früher war alles besser, das ist ja Quatsch. Aber ich kann mich erinnern, ich hab vor 25 Jahren eine eigene Theatergruppe gehabt, den “Sparverein Die Unz-Ertrennlichen”, mit Fritz Ostermeyer, Max Goldt und Tex Rubinowitz, eine wilde Truppe, und wir haben gespielt an exotischen Orten, zum Beispiel in der alten Sargfabrik, die gibts heut nicht mehr, da steht jetzt ein Wohnhaus. Oder in der Remise oder was weiß ich wo überall. Sowas ist heute rein technisch unmöglich, weil du mit den Auflagen nicht klarkommen wirst, außerdem musst alle Leut anmelden. Bürokratie pur. Die Herrschenden wissen schon, was sie tun müssen, um das alles unter Kontrolle zu haben. Diese Entwicklung ist eine eminent politische, ein Klassenkampf von Oben, sozusagen. Und die alternative Szene hat sich über Jahrzehnte – muss man sagen – leider einlullen lassen und irgendwie zu wenig dagegen gekämpft.
Volume: Und damit einher geht ja auch diese Aufforderung an die Menschen, sich immer und überall möglichst gut zu verkaufen.
Kurt: Na klar. Das wird aber in meinem Film schon auch unterlaufen. Da gehts um Leute, die sich wenig scheissen, wie man auf deutsch sagt, die halt etwas machen, was ich sehr unterstütze: sie scheitern auf sehr charmante Art und Weise. Sie scheitern ja.
Und das ist auch etwas, was heute ja total verpönt ist. Und es gab aber Zeiten in der Literatur, in der Kunst, wo das Experiment gefördert wurde, wo man wirklich gearbeitet hat in diesem Bereich, wo das Risiko zu scheitern relativ hoch war. Das gibts heute nicht mehr, es traut sich keiner mehr. Es haben alle Angst, dass sie gehaut werden, dass sie kein Geld mehr kriegen. Samuel Beckett hat gesagt, dass es darum geht, es immer wieder zu probieren, und jedesmal besser zu scheitern.
Ich fände es sehr bedauerlich, nur noch auf Nummer sicher zu gehen.
Volume: Wie stehen andere Filmemacher und Regisseure zu Deinen Aussagen?
Kurt: Ich glaube, die finden das furchtbar, was ich mach. Ich weiß es aber nicht. Das ist nur meine Vermutung. Ich bin da bisschen Draußen, es war immer meine Angst, da in so einer Gruppe oder Seilschaft zu enden. Ich wollte immer meinen eigenen Weg gehen. Und mach das auch seit vielen Jahren.
Volume: Wobei Max Goldt oder Tex Rubinowitz ja auch keine Unbekannten sind.
Kurt: Nein, nein, nein, ich hab ja auch mit sehr vielen bekannten Leuten zusammengearbeitet, Bad Fucking ist verfilmt worden mit sehr bekannten Leuten. Das gleichnamige Taschenbuch ist 70.000 Mal verkauft worden. Ich bin jetzt keiner, der froh ist, wenn er keinen erfolg hat, so ist das nicht. Ich experimentier nur gerne. Bad Fucking war für mich auch ein Experiment. Wie es dann rezipiert wird von den Menschen, das kann man eh nicht steuern. Und das ist gut so.