Irrtümlich verliebt
Innenleben #43
„Wusstest du eigentlich, dass hier ein echter Pferdekopf verwendet wurde?“ Der Pate hab ich schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Jack Woltz brüllt sich die Seele aus dem Leib, als er den abgetrennten Pferdekopf in seinem Bett neben sich findet und ich versinke in Träumereien über eine mögliche Zukunft mit Lukas. Romantik deluxe!
Lukas und ich kennen uns bald vier Jahre und eigentlich war noch nie irgendwas zwischen uns. Bis jetzt. Er ist heute zum “Kochen“ vorbeigekommen. Wir haben beide gerade eine Trennung hinter uns, warum also nicht den Abend miteinander verbringen? Denn das größte Manko, das ein frisch-gebackenes Single-Dasein mit sich bringt, ist dieses unendliche Bedürfnis nach Nähe. Und so liege ich hier in den Armen von Lukas und frage mich, woher nur dieses warme Gefühl kommt. „Den Pferdekopf haben sie vom Schlachthof geholt. Und angeblich beruht die Geschichte auf einer wahren Begebenheit. Hat sogar irgendwas mit Sinatra zu tun.“ – Echt? – Manchmal reduziert sich mein Wortschatz auf ein Minimum, wenn ich in Gedanken schwelge. „Schön genug für Lukas O.“, jubiliert mein angeschlagenes Ego und suhlt sich im Balsam des Umschwärmtwerdens.
Eine Beziehung kann mit einem 120-Minuten-Spielfilm verglichen werden. Sollte der vermeintliche Hauptdarsteller das Set zu Früh verlassen haben, muss der Schluss eben ohne ihn abgedreht werden. Ich bin in dieser ersten Zeit nach einer Trennung am ehesten der IchKaufMirEineSchaufelUndGrabMirEinLoch-Typ. Vom Baumarkt heimwärts schreib ich dann schnell eine – mit ein bis zwei Tippfehlern (um den emotionalen Ernst der Lage zu unterstreichen) bestückte – Message an meine Freundinnen, dass ich die nächsten Tage nicht erreichbar sein werde.
Wär doch langweilig, sich Tage über Tage in der Wohnung zu verkriechen, ohne dass es jemand bemerkt. Auf Anrufe wird dann nicht mehr reagiert. In meinem Drehbuch steht: Blickt melancholisch aufs Handy und wartet, bis es aufhört zu klingeln. Und der innere Regisseur ruft: „Super, haben wir im Kasten.“ Klar mache ich mir irgendwie Hoffnungen mit Lukas, ist meine Art. Aber ich hab keine Lust, mich von einer Beziehung in die nächste zu stürzen. Ich will nicht, dass der Grundstein dafür eine nostalgische Empfindung ist, die noch dem Verflossenen gilt. Denn es geht nicht darum, ob ich glaube schon wieder bereit für ein neues Sequel zu sein.
Nein. Die Frage lautet: Ist das Prequel wirklich schon abgedreht. Bin ich dazu bereit, dass mir mein Herz wieder gebrochen wird. Rein theoretisch, meine ich. Denn in Wahrheit blutet mein Herz noch genauso frisch wie dieser angeblich echte Pferdekopf … es trieft noch so was von aus allen Enden. Wann weiß also die geneigte Hauptdarstellerin herself ob sie über den Ex hinweg ist? „Wenn es nicht mehr wehtut.“ hat ein kluger Freund einmal gesagt. Lukas ist in dieser Geschichte also ein Teil des Schlussaktes. Und wer will sich schon in jemanden verlieben, der scheinbar nur ein Nebendarsteller ist?