Finger im Arsch
Hitchhiker's Guide To Europe #78
Es ging alles recht flott. Ein junger Arzt, er war riesig, blaue Augen, blonder Kurzhaarschnitt, fragte mich nach meinen Beschwerden. Im Hintergrund schwirrten, ebenfalls in weiße Kittel gekleidet, drei Krankenschwestern umher. Ich wollte ihm gerade erklären, dass ich mich zurzeit mehr als Verdauungstrakt denn als Mensch fühlte, als ich mich unterbrach und auf ein WC-Schild zeigte …
In diesem Untersuchungsraum gab es neben Medizinschränken, einem Rollstuhl, den ganzen medizinischen Apparaten und Geräten (denen ich noch nie getraut hatte), einem Liegebett und Desinfektionssprays auch tatsächlich eine Tür zu einem Klo. Ich wusste nicht genau warum, aber ich wunderte mich darüber. Als ich nach etwa zehn Minuten erneut verschwitzt neben dem Arzt Platz nahm, ahnte er wohl schon, wo mein Problem lag. Nach meinen Ausführungen fragte er mich, was ich denn gegessen und getrunken hätte, kurz bevor die Scheiße losging. Ich wollte die zwei Tage vor der ersten Katastrophe penibel sezieren und begann mit meinem Frühstück unter der Autobahnbrücke nahe Celje.
Ich erinnerte mich an den großen Durst, den ich hatte, die leere Wasserflasche und wie ich diese in einem kleinen Fluss auffüllte. „You drank water out of a little river between farmland near Celje?“, fragte er mich verwundert. „Jap.“ Und schon hatten wir die Ursache meines Problems gefunden. Der Hüne erzählte mir, dass die kleinen Flüsse rund um Celje und der gleichnamige Fluss selbst nicht gerade die saubersten sind und ich mir eine ordentliche Vergiftung ertrunken hatte. Die Gemüsebauern schütteten dort gern ihre diversen Gifte rein.
Was war ich nur für ein Idiot?! Na klar, was denn sonst! Das erklärte auch die wunderlichen Blicke der Feldarbeiter an jenem Morgen. Der Arzt war noch sehr jung, nur ein bisschen älter als ich. Und doch war sein Blick einer, den Erwachsene patscherten Jugendlichen etwas vorwurfsvoll zuwerfen, wenn die gerade „learning by doing“ betreiben.
„Als dann!“, hätte man seine nächsten Worte frei übersetzen können. Er schien sehr motiviert, lächelte freundlich (ich dachte mir schon länger, er müsse heute einen ganz besonders guten Tag haben) und meinte zu mir, ich solle meine Hosen runterlassen, damit er mir – wortwörtlich – den Finger in den Arsch stecken kann. „… finger up your arse“, vernahm ich leicht ungläubig. Ich verzog mein Gesicht, er erklärte mir warum. Ich tat, wie mir geheißen. Es schmerzte. Er schien sehr zufrieden. Ich warf ihm einen etwas vorwurfsvollen Blick zu, er wurde plötzlich etwas unsicher und suchte mit seinen Augen den Boden. Dann verschrieb er mir noch Tabletten, die ich im Krankenhaus bekam und ich war auf meinem Weg. Einmal draußen, überwog die Freude, dass alles so reibungslos abgelaufen war und ich – trotz allem – einen sehr guten Eindruck von der slowenischen Medizinversorgung hatte. Kaum Wartezeit, schnell und unkompliziertes Handeln.
RETO ALLEMANN WAR AUF DER REISE SEINES LEBENS. WIE EINE FLASCHENPOST LIESS ER SICH ALS ANHALTER VOM ZENTRUM EUROPAS AN DESSEN RÄNDER UND ZURÜCKTREIBEN, LERNTE ZWISCHEN STONEHENGE UND HAGIA SOPHIA SICH SELBST UND ANDERE KENNEN UND VERÖFFENTLICHT JETZT IM VOLUME SEIN REISETAGEBUCH.