Es war einmal HipHop 2 - Die Bronx vs. Robert Moses

Durch Kool DJ Herc wurde die Bronx also zum Geburtsort der HipHop-Kultur. Um es genau zu nehmen, war es die West Bronx und nicht – wie meist behauptet wird – die South Bronx.

Obwohl New York City mittlerweile die 1520 Sedgwick Avenue i

n der West Bronx als offizielle Geburtsstätte anerkannt hat, gilt die South Bronx allgemein immer noch als Ursprung. Und zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Denn derjenige, der die vier Elemente ‚Rap‘, ‚DJing‘, ‚Breakdance‘ und ‚Graffiti‘ unter diesem Begriff vereinte, stammte aus der South Bronx – Afrika Bambaataa. Zugleich war sie Schauplatz vieler wichtiger Ereignisse, sowie der legendären Blockpartys der Anfangsjahre.

Zur Zeit der Entstehung der HipHop-Bewegung war die Bronx ein sozialer Brennpunkt und das gefährlichste Viertel der Stadt. Vor allem die South Bronx bestach durch große Armut, Jugendarbeitslosigkeit und allgemeine

Perspektivenlosigkeit – obwohl es für das Viertel in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts so gut ausgesehen hatte. In diesen erfuhr das Gebiet einen großen ökonomischen Aufschwung und in den 40er Jahren dominierten jüdische, deutsche und italienische Familien aus dem Mittelstand. Alles deutete auf eine vielversprechende Zukunft hin. Doch dies sollte sich ab 1948 schlagartig ändern und ins Gegenteil umkehren. Den Anstoß dafür gab der wichtigste Stadtplaner des modernen New Yorks, Robert Moses.

Robert Moses ließ als Erster in der amerikanischen Geschichte einen Highway quer durch bereits dicht besiedeltes Stadtgebiet bauen – den

Crossbronx Express Highway. Wie der Name schon sagt, führte dieser quer durch die Bronx, wobei vor allem die South Bronx davon betroffen war.

Robert Caro beschreibt in seiner, mit dem Pulitzer Preis gekrönten Biografie über den dafür verantwortlichen Bauherrn Robert Moses, wie das von ihm durchgesetzte (Mega-) Bauprojekt die Bronx zerstörte und in die Verwahrlosung trieb. Der Highway wurde 1948 begonnen und erst 1965 fertiggestellt. Diese sechsspurige Autobahn quert 113 Straßen, eine U-Bahn Linie, drei Zuglinien, fünf Hochgeschwindigkeitsbahnen, unzählige Wasser und Stromversorgungsleitungen sowie fünf andere Express Highways, die Moses teilweise zeitgleich bauen ließ.

Für den Bau mussten ca. 60.000 Einwohner umgesiedelt werden, von denen viele in neu errichtete ‚Tower in a

Park‘ –Siedlungen in der South Bronx oder East Brooklyn zogen. Diese Anlagen wurden ebenfalls von Robert Moses konzipiert und realisiert. Sie sollten die durch seine Highways geschaffenen Platzprobleme lösen, indem ein Hochhaus mit bis zu 1500 Wohnung in der Mitte eines Parks errichtet wurde. Damit wurden in Moses Augen mit einer Klappe das Problem fehlender Wohnungen gelöst und noch dazu Grünflächen geschaffen.
Ich weiß jedoch nicht, ob wirklich jemand gern in einem Turm neben einer sechsspurigen Autobahn lebt. Vor allem wurden die Parks gern von Jugendbanden oder Junkies bevölkert und entwickelten sich so oft zu gefährlichen Orten der Gewalt anstatt zu ‚Oasen der Erholung‘.

Robert Moses und seine Bauprojekte sind und bleiben jedenfalls sehr umstritten. Neben der starken Kritik werden gerade in den letzten Jahren immer wieder Stimmen laut, die Moses Vorgehensweise verteidigen. Im Bezug auf die Bronx machen sie etwa vor allem die alten, kleinen und oft schon vor dem Bau des Expressways in schlechtem Zustand befindlichen Wohnungen für die ‚Flucht‘ vieler Bewohner und den einhergehenden Verfall des Viertels verantwortlich.
Unbestritten bleibt, dass Moses das Viertel für immer veränderte und sich im gleichen Zeitraum Industrie und Gewerbe mit einer Vielzahl an wohlhabenderen Bürgern weg von der Bronx verlagerte. So konnte man dort nun zwar billig wohnen, aber die Jugendarbeitslosigkeit stieg bis Mitte der 70er auf über 60 Prozent, während das durchschnittliche Einkommen in der South Bronx auf die Hälfte dessen von New York City fiel.
Wer es sich leisten konnte, zog ganz aus diesen Vierteln fort. Anfang 1970 war die reichere Hälfte aller Weißen aus der South Bronx verschwunden. Man spricht heute noch vom sogenannten „white flight“. Sie wurden zu den, für uns heute typischen, Vorstadtbewohner mit weißem Gartenzaun und gepflegten Rasen.

Die von ihnen zurückgelassenen Wohnungen wurden vor allem von mittelosen Afro- und Lateinamerikanern bevölkert, die ebenfalls von Moses aus den Ghettos Manhattans unter dem Vorwand eines ‚Stadterneuerungsgesetzes‘ vertrieben wurden und keine andere Wahl hatten, als in die billigen Wohnungen der South Bronx und East Brooklyn zu ziehen.
Zum Anderen blieben viele dieser Wohnhäuser leer. Da sie keinen Gewinn mehr abwarfen, wurden sie meist billig an sogenannte Slumlords weiterverkauft. Diese ließen sie entweder langsam verfallen oder überhaupt – ohne Rücksicht auf sich in den Wohnungen aufhaltende Menschen – niederbrennen, um zumindest noch an Geld von der Versicherung zu kommen. „The Bronx is burning“ ist daher nicht bloß eine leere Phrase. Zwischen 1973 und 1977 wurden unglaubliche 30.000 Feuer gelegt und 45.000 Wohnungen zerstört.

Dokumentation aus 1972 über die wichtigste Feuerstation der Bronx

Zu alledem gesellte sich Ende der 60er ein Siegeszug von Heroin in den Straßen der Bronx hinzu. Dieser führte zu einem markanten Anstieg der Kriminalität. Die Jugendbanden, die ebenfalls zu dieser Zeit ihren Höhepunkt erlebten, werden wir uns in der nächsten Ausgabe noch genauer ansehen.
Außerdem erfahrt ihr, wie nun in diesem gewaltvollen und perspektivenlosen

Umfeld mehr und mehr Teenager anfingen, sich in kreativen Ausdrucksformen zu betätigen, die heute unter dem Begriff HipHop zusammengefasst werden. Von der Politik und den Verantwortlichen der Stadt im Stich gelassen, konnten die Jugendlichen des Viertels in den folgenden Jahren ihre Kultur auf sogenannten Blockpartys oder in Parks relativ abgeschottet vom Rest der Stadt entwickeln bzw. gestalten. Wie also die Jugendbanden durch HipHop-Crews verdrängt wurden und der Anführer der größten Gang zum vielleicht wichtigsten Pionier der HipHop-Kultur wurde, erfahrt ihr nächste Woche, wenn es wieder heißt: ‚Es war einmal… HipHop‘.