Es war einmal HipHop 10 - Breakin'
„Was später den Namen ‚Breakdance‘ erhielt, war eigentlich ein Medley diverser Bewegungen ganz unterschiedlicher Herkunft – die schlurfenden, rutschenden Schritte von James Brown, die dynamischen Plateausohlen-Tänze aus Don Corneliusʼ Fernsehshow Soul Train, Michael Jacksons Roboterbewegungen aus dem Hit ‚Dancinʼ Machine‘ von 1974 und die athletischen Tritte und Drehungen aus den Kung-Fu-Filmen.“ Nelson George
DJ Kool Herc legte durch seine Konzentration auf die Breakparts der Songs die Grundlage für die HipHop-Kultur und machte damit die DJs zum Mittelpunkt der aufkeimenden Bewegung. Die Idee für seine neue Auflegetechnik kam Herc jedoch von seinen Beobachtungen der TänzerInnen auf seinen Partys. Er gab ihnen auch einen passenden Namen, nämlich Break-Boys und Break-Girls. Anfangs wurde der Tanz noch ganz einfach B-Boying oder Breaking genannt. Die heute geläufige Bezeichnung Breakdance wurde erst in den 80ern von den Medien in die Welt gesetzt.
Ca. ab 1975 begannen sich unzählige Breakdance -Crews zu formieren. Diese entstammten nicht selten Straßengangs und dementsprechend aggressiv waren auch die Tanzeinlagen. Das beste Beispiel dafür ist der sogenannte Up-Rock, bei dem tanzend angedeutet wird, auf welche Art man seinen Tanzgegner fertig machen möchte.
“If you really look at hip-hop dance, it’s really a rites-of-passage thing. You never see the arms release down. They’re always up in fighting position. It’s going to war. […] What do we say? We say you’re going to battle. You go out there to fight.“ Harris in Can’t Stop. Won’t Stop.
Dass der Tanz zu einer stützenden Säule der HipHop-Bewegung wurde, ist neben DJ Afrika Bambaataa vor allem Jugendlichen puerto-ricanischer Herkunft zu verdanken. Es waren zwar hauptsächlich afroamerikanische Bandenmitglieder, die anfingen – damals nur im Stehen (Top-Rock) –
zu den Breaks spezielle Tanzstile zu kreieren, aber erst puerto-ricanische Teenager erhoben den Tanz zu einem Lebensstil. Für viele Jugendliche der Bronx stellte Breakdance nur einen weiteren Modetanz dar, ein Trend, der bald wieder verschwinden würde. Vielleicht wäre Breakdance heute kein Eckpfeiler der HipHop-Kultur, wenn es da nicht Ende der 70er Jahre einen begeisterten 13-jährigen Anhänger dieser Tanzform namens Richard Colón gegeben hätte. Zu dieser Zeit waren der erste Breakdance-Hype und damit die Zeit der unzähligen Tanzcrews bereits vorüber. Viele Legenden der Anfangstage hatten ihre Tanzkarriere beendet und verschwanden von der Bildfläche. Richard selbst war mit seinen Eltern von der Bronx weggezogen, doch er wollte das, was er dort kennengelernt hatte, weiter betreiben. Er hatte 1977 die Gründer der Rock Steady Crew herausgefordert und obwohl er das Battle verloren hatte, war er
seitdem Mitglied dieser Gruppe. Doch nun musste er aus der Ferne zusehen, wie sich die Breakdance-Szene Stück für Stück auflöste und ihm damit die Chance auf Ruhm und Ehre verwehrt bleiben sollte. Wie einer der Helden aus seinen Lieblings-Kung-Fu-Filmen begab sich der Junge Richard daher unter seinem Pseudonym Crazy Legs auf eine Mission. Er wollte die besten verbliebenen Breakdancer der Stadt finden und in einem Battle schlagen. Frosty Freeze, Ken Swift, Doze, Kuriaki – er forderte sie alle zum athletischen Wettkampf und besiegte sie. Er beließ es jedoch nicht dabei. Er rekrutierte diese Breakdancer für seine Rock Steady Crew, die ihm mittlerweile von den Gründern übertragen wurde.
„The new Rock Steady Crew became a magnet for isolated Bronx-styling youths across the city, a second-generation supergroup, the last b-b
oys standing.“ Jeff Chang
In den folgenden Jahren wurde die Rock Steady Crew zum Inbegriff für Breakdance. Sie waren Teil der New York City Rap Tour, die erstmals HipHop mit all seinen Elementen nach Paris und London brachte und sie traten in Filmen wie Wild Style (1982), Flashdance (1983) oder Beat Street (1984) auf.
Die Rock Steady Crew sowie ihre wichtigsten Gegner, die Dynamic Rockers, spielten eine entscheidende Rolle für die globale Verbreitung der HipHop-Kultur, denn Mithilfe der Filme schwappte eine erste Breakdance-Welle und damit verbunden die HipHop-Kultur nach Europa. Wenngleich der erste Hype bald wieder abebbte, hinterließ er in einigen europäischen Ländern wie Frankreich und Deutschland genug Eindruck, sodass sich bereits Mitte der 80er Jahre hiesige HipHop-Szenen formierten.
Die Entstehung der Rock Steady Crew zeigt überdies den Stellenwert, den das Battle im HipHop einnimmt. Damals wie heute trafen DJs, Rapper, Tänzer und Sprayer in HipHop-Duellen aufeinander, wodurch Entwicklungen in den einzelnen Bereichen maßgeblich vorangetrieben wurden. Oder um es mit den Worten von David Toop zu sagen:
„Und Wettbewerb war das Herz des HipHop, sein Prinzip. Das trug nicht nur dazu bei, die Gewalt einzuschränken noch die Flucht in so zerstörerische Drogen wie Heroin, es förderte auch die Bereitschaft, aus beschränkten Mitteln etwas herzustellen.“
Damit sind wir für heut auch schon wieder am Ende dieses kleinen Exkurses in die Welt des Breakdance bzw. speziell der Rock Steady Crew. In der nächsten Woche geht es um das nächste stützende Element der Kultur, Graffiti. Woher Graffiti kam, wer Taki 183 war und warum die Graffiti-Artists eine maßgebliche Rolle bei der Ausbreitung von HipHop in die anderen Bezirke New Yorks spielten, das erfahrt ihr dann in der nächsten Woche, wenn es wieder heißt: „Es war einmal HipHop“.