Geld vs. Bildung - Geld für Bildung zur Bildung von Geld
Der Mensch strebt nach Wissen. Immerdar. Doch der Wert des Wissens wird immer mehr durch die Idee der Verwertbarkeit des Wissens abgelöst. Bildung wird mehr zur Wirtschaft als zur Wissenschaft. Die Strukturen des Geldes sollen das Bildungssystem renovieren. Ein Kommentar zur Allmacht des Geldes und der Ökonomisierung der Bildung. C.R.E.A.M. – Cash Rules Everything Around Me!
Die Welt wird ein Dorf. Soviel wissen wir bereits und mittlerweile wird es uns immer bewusster. Durch den technischen Fortschritt und das Wachsen supranationaler Staatengemeinschaften vernetzen und verflechten sich alle Bereiche des menschlichen Lebens fortlaufend miteinander. Wir vernetzen uns. Unsere gemeinsame Sprache ist das Geld. Es verbindet uns alle. Und es fickt uns alle. Eine gemeinsame, systemimmanente Sucht. Doch woher kommen diese alles kontrollierenden, Papierschnipsel?
Cash-Junkies
Geld entsteht gerne aus Schulden. Es wird durch Kredite erschaffen. Das Grundproblem ist, dass Kredite ein Abhängigkeitsverhältnis konstruieren – du stehst bei jemandem in der Schuld. Und dieses Schuldprinzip zieht sich durch das komplette Finanzsystem. Ständig schuldest du irgendjemandem etwas. Sei es dem Vermieter, dem Typen hinter der Bar oder dem Crack-Dealer. Ständig will wer den schnöden Mammon von dir. Du bist abhängig vom Geld. Tatsache. Auch wenn du es aus glücklichen Quellen wohldosiert in den Popo geschoben bekommst. Die eine braucht es zum Überleben, der andere zum Übertreiben. Brauchen tut es aber jeder.
Ich bin also abhängig von etwas, was ich leider nicht von Haus aus besitze. Mein Erbe haben sich schon meine verflixten Eltern unter den Nagel gerissen und geben es schamlos aus, die Versuche Gold zu scheißen wurden mit 5 Jahren eingestellt und jene, durch schiere Willenskraft Geld zu erzeugen, wurden mit 19 therapiert. Aber jetzt habe ich gerade ein ganz neues Projekt im Keller am laufen… Nein, ich rede nicht von Nachwuchs. Eher von Nachdruck. Wenn die Zentralbank auf Basis von Krediten einfach Kohle druckt, stell ich mir doch auch täglich einen Schuldschein aus und hau mal kräftig die Pressen an.
Leider nicht im echten Leben, weil da brettert gleich das Geldschutz-Sonderkommando in meinen Keller und labert was von Haftstrafe. Dabei wäre ich doch nur ein kleiner Gelddrucker-Fisch. Die sollen sich mal bei den wirklich auffälligen Cash-Junkies in Schlips und Anzug wichtig machen. In den Glaspalästen wird der wahre Unfug getrieben und im Zug der Wirtschaftskrise wird der ganze Wahnsinn noch mit meinen Steuergeldern subventioniert. Was geht eigentlich ab?
Wie auch immer, also doch lieber einen normalen Job suchen. Ein normaler Job bedeutet aber normalerweise auch, dass ich mindestens die Hälfte meiner Zeit, die ich nicht im Bett liege, in eine Sache investiere, die mich zum Einschlafen bringt. Aber ich brauche die verdammte Kohle, um in meinem Leben einzuheizen. Wenn ich also schon ein Drittel meines Lebens verschlafe, ein Drittel meines Lebens dafür arbeite, dass ich Leben kann und das restliche Drittel meiner Zeit dafür verbrauche, mich um das zu kümmern, was ich mir mit dem verdienten Geld leisten kann, dann sollte ich eigentlich eher ein Auge auf die Zeit und nicht auf das Geld haben. Geld ist nichts, Zeit ist alles. Sie ist die einzig wirkliche beziehungsweise endgültige Begrenzung in meinem Leben. Zeit, die mir gegeben ist auf dieser Erde. Daher werde ich meine Zeit nicht bei irgendeinem Drecksjob verplempern, den Maschinen schon längst machen könnten und der keinen Schotter bringt. Jobs, die es nur gibt, weil derzeit humanoide Arbeitskräfte billiger sind, als die Anschaffungs- und Instandhaltungskosten der Maschinen. Mein Job sollte mich geistig (von mir aus auch körperlich) befriedigen und meine Lebenskosten decken. Neben diesen Anforderungen kommt aber erschwerend hinzu, dass der Wettbewerbsdruck am Arbeitsmarkt immer weiter steigt und der Masse suggeriert wird, dass Arbeitslosigkeit ein Bildungsproblem ist. Bildung gegen Arbeitslosigkeit!
Lern was Gscheits
Also her mit dem Studium, dass mir den geilen Job mit dem richtig fetten Knödel besorgt. Immerhin will ich ja am Grabstein in Gold stehen haben: „Hier liegt ein toter, aber reicher Mann! Mit der größten Penison und dem längsten Bankkontoauszug!“ Denk an die Zukunft, wurde mir von klein auf ins Gehirn geätzt. In seltenen Fällen war damit die Gesundheit gemeint, meistens das Geld. Studium, Pensionsvorsorge, Penissaugpumpen-Unfallsversicherung, Familie, Grab, Grabsteininschrift… Die Zukunft ist leider stets unsicher und so bin ich es auch, wenn ich mich zuviel damit beschäftige. Hilfe, Angst, bildet mich zur Arbeitsmaschine aus!
Aber halt! Sollte es beim Studium nicht um Bildung und Menschwerdung gehen? Ja, aber seitdem die Menschwerdung durch wirtschaftliche Kennzahlen gemessen wird, hat sich naturgemäß einiges geändert. Auch die unbefleckte Bildung wird, ausgehungert durch ökonomische Zwänge und eingesperrt in einem Käfig aus wirtschaftlichen Leitprinzipien, zu einer Hure des Geldes. Wie meinen?
Das Ich als Werk meiner Selbst
Um über etwas auf einer komplexen Ebene reflektieren zu können, musst du es verstehen, du musst dir ein Bild davon bilden. Du musst dich bilden. Bildung ist eben nicht die reine Belehrung oder Wissensvermittlung, es geht darum seinen eigenen Charakter zu formen, eine selbstständige und selbsttätige Persönlichkeit zu werden. Es geht um die Bildung deiner eigenen Identität. Sie bildet die Basis für individuelle Freiheit. Bildung zu haben, bedeutet Möglichkeiten zu haben. Selbstbefreiung durch Bildung, nicht Eingliederung in die Massenverblödung – könnte man zumindest aus einem schöngeistigen Blickwinkel mutmaßen.
Schöngeistige Schnörksel ohne wirtschaftliche Verwertbarkeit werden aber sukzessive weggeholzt. Was bringt es, wenn ich auf einer transzendental philosophischen Metaebene hochgeistige Gedanken über die Herkunft meines nichtgeborenen Zwillings in einem konzeptionellen Paralleluniversum transpirieren kann? Der Wissensbaum wird auf sachliches Fach- und Formalwissen zurechtgestutzt. Wissen, das von der wirtschaftlich Herrschenden Elite gerade als nützlich erachtet wird. Das neoliberale Marktprinzip wird zum allgemeingültigen, gesellschaftlichen Organisationsprinzip erhoben. Die globale Wettbewerbsfähigkeit dient als Leitmotiv der gegenwärtigen Bildungsreformen. Gewinnmaximierung und Profitgier als Bildungsmotive, die einem bei der Identitätsfindung helfen sollen – das “Ökonomische” wird zum Maßstab allen menschlichen Verhaltens und Handelns.
Aber wie kommen unsere politischen Schwammerln eigentlich auf das Gesülze von „Wissensbasierte Ökonomie“, „Humankapitalinvestitionen“ und „standortgerechte Dienstleistungshochschule“? Auf nationaler Ebene werden zwar die verbindlichen Entscheidungen getroffen, aber die dahinter stehenden Visionen werden primär zitiert. Für die Quelle muss man eine Etage höher anklopfen: An der bürokratischen Kruste der EU.
EU als Oberlehrer
Dabei fällt auf, dass die festgeschriebenen Ziele der EU bezüglich europäischer Bildungspolitik eher bescheiden anmuten: Förderung der Mobilität, der Zusammenarbeit der Bildungseinrichtungen und der Fernlehre, sowie Anerkennung der Diplome und Studienzeiten. Trotzdem schwingt vor allem die EU in Sachen Bildungspolitik kräftig das Rohrstaberl und alle Mitgliedsstaaten sind dazu angehalten, brav mitzuarbeiten. Freiwillig, eh klar. Kommt mir aus der Schule bekannt vor: „Du hast es dir ausgesucht, du bist hier freiwillig!“ Diesen motivierenden Satz haben die Lehrer mit dem größten Hygieneproblem, angetrieben durch das Bier in der Mittagspause, immer in die tratschende letzte Reihe gerülpst. Freiwillig, genau! Konnte mir damals wirklich nichts Besseres vorstellen. Wie auch immer, durch die Herausgabe von Diskussionspapieren, Empfehlungen, Berichten und Mitteilungen haltet die EU den Reformdiskurs in den einzelnen Mitschülerstaaten auf Schiene. Es verwundert also nicht, dass die Visionen der EU durch massives Lobbying die nationalen Visionen ersetzen. Daher wird auf nationaler Ebene relativ undiskutiert, maximal hinter verschlossenen Türen, der ganze Spaß in nationales Recht gepresst. Sonst drohen internationaler Gesichtsverlust und Minderung der Wettbewerbsfähigkeit.
Die europäische Bildungspolitik hat so, in dem letzten Jahrzehnt, deutliche Konturen angenommen und mit einem strukturellen Umbau begonnen. Einflussreiche europäische Unternehmenslobbygruppen basteln dabei mit und versuchen, diese Entwicklung zu nutzen, um Bildung auf die Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt auszurichten.
Bildungsökonomisierung
Die EU hat mit der Bolognaerklärung (1999) das Ziel eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums (European Higher Education Area) festgesetzt. Studierende und Personal sollten sich grenzenloser bewegen können (z.B.: ERASMUS) und Studienleistungen sollten vergleichbar und überall anrechenbar werden (ECTS-Punkte/Bachelor-Master). Klingt gut. In Kombination mit der wenig später folgenden Strategie gibt sie einem aber zu denken auf:
Lissabon-Strategie (2000) – Europa soll bis zum Jahr 2010 „zum international wettbewerbsfähigsten, dynamischsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum“ werden. Höret, höret. Ja wie denn das? Zum Beispiel durch die Strategie der Beschäftigungsfähigkeit. Sie induziert aber ebenfalls eine Ausrichtung von Bildung an Unternehmens- und Arbeitsmarkterfordernissen. In der ersten Runde (Bachelor) werden die Bildungsbegierigen durch einen stark verschulten, auf Berufsqualifikationen zentrierten Erziehungsapparat gedreht und arbeitskonform gewaschen. Für den Master sind dann schon gröbere Beschränkungen vorgesehen. Die Forderung nach einer Steigerung der Akademikerquote stellt hier keinen Widerspruch dar. Schnell das Stimmvieh mit verblödeten Werbespots durch die neuen, schlanken Studiengänge treiben und die Sache hat sich. Beschäftigungsfähigkeit für die Masse, Bildung für die Elite.
Weiteres Ingredenzium im Strategie-Mix: „New Public Management”. Ein wirksamer Entscheidungsfindungsprozess soll mit den unflexiblen, demokratischen Entscheidungsstrukturen aufräumen. Schlanke Verwaltung und effizientes Finanzmanagement gehören sowieso zum guten Ton. Die Ausrichtung an der ökonomischen Verwertbarkeit vergrößert klarer Weise den wirtschaftlichen Einfluss. Unter anderem finden sich so VertreterInnen privater Unternehmen in den wettbewerbsfitt gespritzten Lenkungsstrukturen der Universitäten.
An der Spitze der zukünftigen Hochschullandschaft stehen Exzellenzzentren, die mit hohen Budgets von sowohl privaten als auch öffentlichen Konten finanziert werden. Sie sollen die wissensbasierte Ökonomie mit Forschungsinnovationen im globalen Konkurrenzkampf dopen. Bildungsministerin Gehrer im Jahr 2005 dazu: „Da das Thema auch ein Zukunftsgedanke der EU ist, wollen wir so schnell wie möglich sein, dass wir mit unserer University Of Excellence in Mitteleuropa diesen Platz besetzen.“ Hier zeigt sich auch das Konkurrenzverhältnis in dem die Unis stehen: Der gegenseitigen Wettbewerb um Zaster, die größten Eierköpfe und die vordersten Plätze in den internationalen Hochschulrankings.
Am unteren Ende der Hierarchie stehen Massenuniversitäten zur Massenproduktion von Arbeitskräften. Die ökonomische Verwertbarkeit hilft uns, den gesellschaftlichen Beitrag zu errechnen. Zahlen zählen, alles andere kannst du abschreiben.
Sparen statt Paaren
Darüber hinaus drängt der europäische Stabilitätspakt die Staaten zur ökonomischen Sparsamkeit. Regierungen und Zentralbanken sind dazu angehalten, eine monetaristische Politik zu verfolgen: Ziele der monetären Stabilität und strikte Haushaltskonsolidierung stehen auf dem ökonomischen Fitnessplan. Auf nationaler Ebene wird daher ordentlich Sparen trainiert. Zum Beispiel im Bildungsbereich.
Die, von der EU im Rahmen der Lissabon-Ziele geäußerte Forderung nach höheren Bildungsausgaben soll dem nicht widersprechen. Durch die verstärkte Erschließung privater Finanzierungsquellen kann dies wunderbar erreicht werden.Die Kommission schlägt hier drei folgenreiche Möglichkeiten vor:
1) Privates Sponsoring: Werbung flutet die Ausbildungsstätten und es ist auch nicht unbedenklich, wenn die Tabakindustrie die Krebsforschung sponsort. Neue Studien beweisen: Alles ungefährlich!
2) Kommerzielle Nutzung von Forschungsergebnissen: Dies hat zur Auswirkung, dass ökonomisch nicht ganz so prickelnde Forschung in den Hintergrund tritt und kritische Lehre nicht unbedingt das Einser-Menü am Studienplan darstellt.
3) Entgeltliche Beiträge der Studierenden: Sie sollen mehr Geld in die Bildungskassen spülen und eine effizienzsteigernde Wirkung auf das faule Studentenpack haben. „Was nix kost, is nix wert!“, so der monetäre Leitspruch. Studierende werden damit als KundInnen angesprochen. Sie sollen die Rentabilität der getätigten Investitionen kalkulieren und verstärkt ein ökonomisiertes Bildungsverständnis entwickeln. Gemeinsam mit der Einführung der Mindeststudienzeit, soll das dabei helfen, die Humanressource möglichst schnell und ohne viel kritisches Wissen in den Arbeitsprozess einzugliedern.
Bildung wird aber nicht nur von der Wirtschaft vereinnahmt, Bildung ist eine Wirtschaft. Die privaten AnbieterInnen von Bildungsdienstleistungen lassen sich da nicht lange bitten und drängen auf eine Liberalisierung des Bildungsmarkts. Auf globaler Ebene gibt das GATS grünes Licht dafür. Unternehmen haben eben genau den Spirit, denn die Bildung und Forschung braucht. Multinationale Bildungskonzerne als wissensverbreitende Samariter. Genau… Vielleicht in dem konzeptionellen Paralleluniversum mit meinem ungeborenen Zwilling.
CREAM
So, jetzt hast du dich durch diesen mühsamen Artikel gekämpft und was hast du dabei gelernt? Tjo, vielleicht dass Bildung immer mehr zur Ausbildung wird und du dich arbeitskonform studieren sollst, um einen Job zu bekommen. Einen Job, um den lebensnotwendigen Nektar Geld wie ein fleißiges Bienchen zu sammeln. Denn du musst zwar Geld nicht essen, aber du musst dir Essen kaufen. Es beginnt beim Einfachen und geht ins Komplexe. Mit Mikro- und Makrogeschmack. Alles wird zunehmend dem Geld und damit der Wirtschaft untergeordnet.
OK, und was soll jetzt das ganze Gemecker? Warum daher nicht auch die Bildung? Warum sollte diese Entwicklung bei der Bildung halt machen? Weil diese Frage darauf abzielt, sich vollständig von der idealisierten Idee zu verabschieden, in der die Universitäten „Zonen des herrschaftsfreien Wissens“ sind. Von der Idee, dass sie als Freiraum und Rückzugsort vor der wettbewerbsideologischen Durchdringung der Gesellschaft konzeptionalisiert wurden. Orte der intellektuellen und kritischen Reflexion. Denn manchmal braucht es den Blick aus dem Elfenbeinturm, um die Menschheit brennen zu sehen.
Ja, ja Gelablabla. Denn die wichtigste Erkenntnis ist immer noch diese: Solange der Frizzi, der im Anzug irgendwelche Zahlen verschiebt, das 10 – 1000fache von meinem Gehalt bekommt, obwohl ich doch alles über das Paarungsverhalten der Blauwale weiß, muss ich sagen: Vergiss die großen Fragen der Menschheit und nenn mich Frizzi. Dafür hab ich das rosa Polo an und knall endlich Papis Freundin. Baut ihr mal schön an euren Weltverbesserungskonzepten weiter. Ich probier sie gerne aus. Bis dahin leider: C.R.E.A.M. – Cash Rules Everything Around Me!
PS: Änderung der Grabsteininschrift auf: „Hier liegt ein reicher, armer Mann!“
Studentenmeinung:
Patrick, 23 (Jus):
‚Bildung ist wichtig für den Berufsweg, für Aufstiegschancen, für die Stellung in der Gesellschaft usw.‘
Agnieszka, 23 (Psychologie):
‚Bildung bedeutet für mich, dass man bestimmte wichtige Informationen über das aktuelle Weltgeschehen sowei über die Vergangenheit weiß. Und auch, dass man sozial gebildet wird, d.h. lernt in einer Gesellschaft zu leben und auf andere Rücksicht zu nehmen. Man muss die eigenen sowie die Bedürfnisse der Anderen wahrnehmen.‘
Victoria, 22 (Marketing):
‚Bildung ist ein System, mit Hilfe dessen man allgemeine Kenntnisse und Fähigkeiten sowei Normen und regeln vermittelt bekommt, um das Leben besser zu verstehen.‘