Was im Pogo passiert, bleibt im Pogo.
(Un)Entbehrliches Wissen #64
Während sich die Erde auf ihrer gewohnt starren Bahn um die Sonne dreht, kann man auf Konzerten und Festivals zumindest die Idee von Chaos erleben. Wir haben uns Pogo und seine Weiterentwicklungen einmal genauer angesehen …
Anarchie ist ein Begriff, der vor allem durch die Mentalität der Punkszene der 70er Jahre wieder salonfähig wurde. Auffallen war Trumpf – natürlich musste das Chaos dementsprechend ein Teil dieser Szene werden. Der damals in Discos geläufige Partytanzstil war rhythmisch, auf Dauer monoton und für Punks natürlich keine angemessene Option, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
Die Antwort darauf war eine rebellischere Form, Emotion und Ausgelassenheit durch Bewegung auszudrücken: wildes Herumspringen, gegenseitiges Schubsen und das obligatorische Verlieren sämtlicher Schuhbestände. Wir kennen dieses Phänomen von Festivals und Konzerten, bezeichnet wird es als Pogo.
Recherchiert man etwas genauer, stolpert man unweigerlich über eine der Urgesteine der Punkmusik, die Sex Pistols. Laut Gründungsmitglied Glen Matlock ist der Ursprung des Pogos auf Sid Vicious, den Bassisten der Band, zurückzuführen. Dank seiner Drogenexzesse, die er offen, provokativ und mit viel Elan auf der Bühne zelebrierte, soll sein wahnwitziges Herumhüpfen bald vom Publikum imitiert worden sein. Je temporeicher die Musik, desto hemmungsloser die Bewegungen. Der Name Pogo entstand, weil Sid beim Performen aussah, als hüpfe er auf einem Pogostick.
Zunehmends wurde Pogo mit mehr Körperkontakt getanzt – das Slamdancing war geboren. Der Harcore interpretierte den Tanzstil seiner Musik entsprechend mit mehr Aggressivität, der sich durch intensiveren Einsatz von Ellbogen und Schultern äußerte. Heute sind viele Formen des Pogos in den Konzerthallen dieser Welt heimisch.
Beim Moshing bildet sich in der Menge ein Kreis (der Moshpit), in dem sich „Tänzer“ gegenseitig durch die Gegend schubsen. Das mag archaisch klingen, ist aber wirklich lustig.
Extremere Formen sind das Wrecking und das noch brutalere Violent Dancing, dessen Radien sich zartere Gemüter besser entziehen sollten, wenn sie nicht den Wunsch verspüren, von geruderten Schlägen (Windmühlen) physisch und psychisch demoliert zu werden, um schließlich traumatisiert vom Schlachtfeld zu fliehen – wenn sie noch können.
Auch die Wall of Death, bei der sich zwei ca. gleich große Fraktionen im Moshpit gegenüberstehen und unter Kampfgeschrei aufeinander zurennen und der Circlepit, der sich durch eine Horde gemeinsam begeistert im Kreis Rennender bemerkbar macht, erfreuen sich vor allem bei Punk- und Metalkonzerten großer Beliebtheit.
Im Pogo soll die auf der Bühne vermittelte Energie in Bewegung und positive Emotionen verwandelt werden, um die Musik dadurch gemeinsam mit anderen noch erlebbarer zu machen. Endorphine pur. Helft Hingefallenen auf, lasst mit der Situation offensichtlich Überforderte wieder aus dem Gefahrenbereich, nehmt eure Bierbecher nicht mit in den Pit und schlagt gefälligst nicht hirnlos um euch.
Auch, wenn es zunächst nicht so aussieht und für unwissende, kleine, mit knochigen Ellenbogen ausgestattete Kinder, die ihre (von schlechten Ecstasyerlebnissen geprägte) Festivalpremiere feiern, oft unverständlich scheinen mag – auch der Pogo folgt einer gewissen Etikette und es geht grundsätzlich darum, ernsthafte Verletzungen zu vermeiden. Man mag es kaum glauben.
Some Random Facts
- „Stomp“ beschreibt eine sanftere Form des Pogos, bei dem die Tänzer weit ausholende und stampfende Bewegungen ausführen, aber nicht absichtlich Körperkontakt herausfordern.
- Headbanging soll bei einem Led Zeppelin Konzert im Jahre 1968 erfunden worden sein.
- Ein Pogo-Stick ist ein Spielzeug, das viel Übung, Balance und Konzentration erfordert.
- Als „Windmühlen“ bezeichnet man die häufigsten Schläge in einem aggressiven Moshpit.