Mund-ART vom Feinsten
(Un)Entbehrliches Wissen #67
Was uns trennt, ist die gemeinsame Sprache. Vergessen wir (bitte) Schmach und Schande, die uns die letzte Jugendwortwahl gebracht hat, und widmen wir uns lieber altertümlichen Wortkreationen, die wir noch mit unserem Gewissen vereinbaren können. Bei sämtlichen Differenzen, die wir Österreicher untereinander haben, gibt es wohl kaum eine Sache, die uns mehr eint und gleichzeitig zerstreut, als unsere Dialekte.
Es ist nicht zu widerlegen – innerhalb unseres kleinen Landes ist die Sprachbarriere deutlich spürbar. Spätestens, wenn man seinen malerischen, traditionsgeprägten Heimatort verlässt, sich zum Studieren in die Landeshauptstädte Österreichs aufmacht und dort in gewohnter Manier in Mundart zu reden beginnt, wird man feststellen, dass die Leute den Inhalt des Gesagten nicht einmal ansatzweise verinnerlichen, sondern sich eigentlich nur mit hochrotem Kopf Witze über die Sprachmelodie verkneifen. Dieses Nicht-ernstgenommen- werden führt zwar nicht unmittelbar dazu, dass sich in Unis Ghettos aus Studenten mit identischem Ursprungsort bilden, kann aber durchaus für unterhaltsame Kommunikationsprobleme sorgen. Der Grundstein für die Entwicklung unseres teilweise sehr erheiternden Vokabulars wurde bereits im Hochmittelalter gelegt, als sich aus dem Mittelhochdeutschen allmählich Mundarten herauskristallisierten, in den einzelnen Regionen verbreiteten und dort teilweise komplett eskalierten.
Betrachten wir doch einmal die Dialekte, die aus dem Mittelbairischen und Alemannischen entstanden sind. Dazu gehören die Bundesländer Wien, Niederösterreich, das Burgenland, Oberösterreich, der Großteil von Salzburg und ein kleiner Teil der Steiermark. Kann man im burgenländischen, früher „heanzischen“, Sprachgebrauch noch einen leichten Singsang vernehmen und erfreut sich an dem herzigen „ui“, herrscht in den Kellern Niederösterreichs und Umgebung schon ein anderer Umgangston.
Hier werden Mitlaute abgeschwächt (p zu b, t zu d, k vor l, n, r zu g), kleine ls und rs getilgt und nebentonige Vokale, wie die Vorsilbe ge- und das -e am Ende, wegrationalisiert. Um ein aus dem Leben gegriffenes Beispiel zu nennen: „Oida, do hods auf amoi ihr Wurzn ozeichnet, kaunst da des vuastön? Voi unnedig.“ = „Unglaublich, plötzlich porträtierte sie ihren eigenen Kot, kannst du dir das vorstellen? Vollkommen unangebracht.“ Außerdem kann man in diesen Landen auch den Ursprung des liebgewonnenen Wortes „leiwand“ ausmachen, das im Duden wie ein echtes Adjektiv Steigerungsstufen hat und dessen positive Bedeutung wohl tatsächlich vom Wort der früher sehr wertvollen Leinwand abstammt. Vom Alt-Wienerischen, das noch am Hof der Habsburger gesprochen wurde, ist nicht mehr viel übrig. Dafür entwickelte sich daraus das Jungwienerische mit dem auf seine Weise erlauchten „ur“.
Landet mal als Kärntner in besagten Gefilden, kann man sich gleich damit abfinden, dass jedes „lei“ (= „nur“) und die Verniedlichungsform „-le“, wie in „Gibst ma bitte a Gaberle?“, von amüsierten Blicken begleitet werden und man sehr oft den überflüssigen Satz „Trink a Wosa, donn geht’s da besa“ hören wird, der die langgezogenen Vokale aus dem Slowenischen parodieren soll. Dabei ist das Kärntnerische immerhin so beliebt, dass in Nordamerika sogar ein Dialekt auf dessen Grundlage basiert, das sogenannte „Hutterische“. Den Tirolern muss man hier diskriminierungstechnisch nichts erzählen, denn ihre Sprechweise mit seiner sch-artigen Betonung und dem angeriebenen (affrizierten) k als kch zerstört wohl regelmäßig sexuelle Annäherungsversuche im neuen Wahlbundesland. „Kchommscht nu mit umi zu mia?“ „Haha, fix, aber darf ich davor ein Video machen, in dem du einfach nur redest?”
Noch ein Stückchen unterhaltsamer für den Rest Österreichs ist das Vorarlbergerische, das sich am Schweizerischen und Schwäbischen orientiert und teilweise wirklich nichts mit dem zu tun hat, was wir als verständlich erachten. „Vor lutta pfnitza bin i ganz trümslig, hosch mi?“ „Wow, du sprichst klingonisch?“
Wir Österreicher mögen unsere Differenzen haben, was Mundarten betrifft – im Endeffekt sind wir aber alle stolz darauf, einen Dialekt zu haben. Egal, wohin es uns verschlägt, trifft man Landsleute, ist sofort ein kleines Stück Heimat da. Und auch Christian Morgenstern (der uns sehr sympathisch ist, weil er aus Bayern kommt) sagte schon: „Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern da, wo man verstanden wird.“
Some Random Facts
- Das Wort „titschat“ bezeichnet nicht etwa eine Softpornokommunikationsplattform im Internet, sondern kommt aus dem Niederösterreichischen und bedeutet „ungeschickt“.
- Laut Umfragen gilt der Kärntner Dialekt als der Charmanteste.
- „Böhmakeln“ ist Deutsch mit einem charakteristischen „böhmischen“ Akzent – es gilt als prägender Einfluss für das heutige Wienerisch.
- Die Sprache „Österreichisch“ gibt es nicht.