Hopp Schwiiz
Entbehrliches Wissen #35
Österreichische Identität bildet sich beim Frankschämen, die Schweizer bauen ihre Keller aus und alle anderen machen’s wie Miley Cyrus: Selfie raufladen und pausenloses twerken ̶ in der Disco und vorm Spiegel.
Die Schweiz ist ein unterschätztes Land. Sie hat in Relation zur Gesamtbevölkerung nicht nur am meisten Nobelpreisträger, sondern auch die höchste Anzahl an Luftschutzbunkern. Mit mehr als 300.000 Schutzräumen für 8,6 Millionen Menschen bietet die Eidgenossenschaft allen ihren Einwohnern plus einer zusätzlichen Million Menschen Platz. Nur die ihnen zugedachten Benützungsmomente sind seit dem Ende des zweiten Weltkrieges relativ rar geworden. Deswegen wird in den meisten Fällen umdisponiert und die Bunker als alles mögliche zweckentfremdet ̶ von der einfachen Speisekammer über das Magazin der Kantonsbibliothek bis zum durchdesignten „Null-Stern-Hotel“. Die SchweizerInnen erfreuen sich an der sinnvollen Verwendung scheinbar sinnlos gewordener Objekte. Mit ihren aus alten LKW-Planen recycelten Taschen machen die Gebrüder Freitag seit zwanzig Jahren ein essentielles Produkt für die bewusst konsumierende, internationale Bobo-Gemeinde. Auch wenn der iniziale Individualistencharme des teuren, weichen Plastiks bereits verflogen ist, stehen die Taschen immer noch am Beginn einer heute ins Unermessliche gewachsenen Bandbreite an Artikeln aus gebrauchten Gegenständen, wie Fahrradschläuchen, Tetrapaks, Plastiksackeln usw., und dem damit zur Schau getragenen Lebensgefühl. Kein Wunder also, dass das Land allgemein gut in der Nachhaltigkeit ist und sein Geld überdurchschnittlich oft für Bio-Lebensmittel und Produkte aus fairem Handel ausgibt. Das kann aber auch einfach an den horrenden Preisen liegen, wenn man bedenkt, dass man für einen gemeinen Wurstsalat durchschnittlich soviel bezahlt, wie in Österreich für eine ganze Wurstfabrik. Reich ist die Schweiz auch an Natur, in der man wunderschöne Gipfel wie den des Le Grand Sex im Waadtland erklimmen oder im Arschwald in Toggenburg spazierengehen kann. Das klingt lustig, heißt aber wirklich so und hat nicht einmal etwas mit der schweizer Varietät der deutschen Sprache zu tun, die in der Praxis dem Großteil der ÖsterreicherInnen entweder blankes Unverständnis oder ein süffisantes Lächeln ins Gesicht zaubert. Pofesen zum Beispiel, auch Arme Ritter genannt, also in Milch und Ei eingelegter und in Fett herausgebratener Toast, werden in der Schweiz Fotzelschnitten genannt. Die englische Bezeichnung „Poor Knights Of Windsor“ ist zwar nicht halb so unterhaltsam, dafür aber die engere Auswahl zum englischen Wort 2013: twerk, Verb: bezeichnet das schnelle und ruckartige Popowackeln beim Tanzen, dessen Verbreitung in der Popkultur seit Beginn der 2000er Jahre stetig ansteigt und seinen offiziellen Eintrag ins Oxford English Dictionary wahrscheinlich Miley Cyrus‘ Ganzkörpereinsatz bei den MTV Video Music Awards verdankt. Außerdem: binge watch, Verb: ist hingegen der komaartige Zustand, in den man beim hintereinander Schauen mehrerer Folgen bis Staffeln einer Serie verfallen kann. Gewonnen hat die Wahl jedoch schließlich: selfie, Nomen: bezeichnet das selbstgemachte Selbst- oder Gruppenportrait (dann ̶ „Gruppenselfie“) aus Armlängenweite, mit dem häufigsten Zweck, es anschließend im Internet zu veröffentlichen. Die Verwendung des Wortes stieg im letzten Jahr um 17000%. Im Gegensatz dazu verströmen die deutschsprachigen Wörter des Jahres 2013 „GroKo“ (Deutschland), „Stellwerkstörung“ (Schweiz) und „Frankschämen“ (Österreich) zwar einen ziemlich muffigen Geruch nach abgestandenem Klowasser, geben dafür aber einen authentischen Einblick in den regionalen Flair der heimischen Politiklandschaft und ihren Stellenwert in der Bevölkerung.
In aller Kürze:
- Schneeglöckchen produzieren Biowärme bis zu zehn Grad, mit der sie den Schnee um sich schmelzen lassen.
- Ein Glas Nutella benötigt die Rohstoffe von vier Kontinenten: Kakao (Nigeria), Zucker (Brasilien), Palmöl (Malaysia), Haselnüsse (Türkei).
- Den weltweit höchsten Anteil biologisch bewirtschafteter Fläche haben die Falkland-Inseln.
- Am 6. Februar wäre Bob Marley 69 Jahre alt geworden.
- Deutschland hat weltweit die meisten Wurstsorten.
- In Salami steckt mehr Vitamin C als in Äpfeln.
- Der Marathonsieger von 1904 war mit Strychnin gedopt.
- Auf „durch“ reimt sich nur „Lurch“.
- Der Erfinder des Bikini, Louis Reàrd, war Maschinenbauingenieur.
- Tonic Water wurde aus Schutz gegen Malaria getrunken ̶ und zur Verbesserung des Geschmacks Gin dazu gegeben.
- Gin Tonic leuchtet wegen des Chiningehalts unter UV-Licht bläulich.
- Ein Chorknabe im Stimmbruch wird als Mutant bezeichnet.