E-Voting: Von Hackern und Hintertüren
Studenten benutzen für Vieles das Internet: Zeugnisse drucken, Anträge einreichen, den Vorzimmerdrachen des Instituts umgehen. Nur die Stimmabgabe fehlt, weshalb man bei der ÖH-Wahl nun E-Voting testen will. Aber je enthusiastischer Wissenschaftsminister Hahn wird, umso zurückhaltender sind Opposition und Studentenvertreter, worauf Hahn ihnen bereits „leichte Technologiefeindlichkeit“ attestierte.
Aber geht es wirklich um Wahlhacker – in einer Zeit von Kreditkartenzahlungen, Online-Banking und Finanz Online? Die Schwierigkeiten liegen weniger bei der Sicherheit der Datenübertragung als beim Verfassungsrecht. Und jenes übersteigt, wie man weiß, oft nicht nur den intellektuellen Horizont der Bürger und Medien, sondern auch der Politiker. Dabei ist das Prinzip der geheimen Wahl einfach: Weder darf nachvollzogen werden können (!), wie ein Bürger konkret gewählt hat, noch darf seine Nötigung zu einer bestimmten Entscheidung möglich sein. Darum gibt es Kabinen, Urnen und Wahlkommissionen, und bereits die Briefwahl ist in Wirklichkeit schon ein Verstoß gegen das Prinzip.
Beim E-Voting sind die Verfahren außerdem relativ intransparent: Die Stimme verschwindet in einem Softwaresystem, und wie genau die Auszählung erfolgt oder wo möglicherweise jemand manipulieren könnte, wissen nur Computerfachleute. Bei einer Papierwahl hingegen überwachen unzählige Wahlhelfer alle Vorgänge – und diese Vorgänge kapieren auch Laien.
In Deutschland war man drauf und dran, in der Wahlkabine Computer einzusetzen. Das Verfassungsgericht setzte dem Vorhaben jedoch ein Ende, als Hackergruppen nachgewiesen hatten, dass die Wahlmaschinen leicht zu manipulieren sind – sie installierten kurzerhand ein Schachprogramm auf einem Wahlrechner – und als man zur Einsicht gelangte, dass die Ergebnisse der Stimmauszählung genau genommen nicht nachvollzieh- und überprüfbar sind, was für die geheime Wahl aber eine Grundvoraussetzung ist.
Hierzulande kennt man zudem den „Hintertür-Trick“, bewährt bei der Beschneidung von verfassungsmäßig garantierten Rechten sowie bei neuen Steuern. Dabei installiert die Politik ein fragwürdiges Instrument wie beispielsweise den Lauschangriff und beschwichtigt Skeptiker durch die Vorgabe strenger Rahmenbedingungen (Richter muss den Lauschangriff anordnen). Mit großkoalitionärer Mehrheit wird das Paket beschlossen. Nach einigen Jahren werden die Rahmenbedingungen, für die keine Dreiviertelmehrheit nötig ist, aber aufgeweicht: Eine Hintertür, die das Ganze ad absurdum führt. Was könnte eine autoritäre Regierung hier nicht alles ohne großes Aufsehen anstellen?Schon die Autobahnvignette „tat niemandem weh“, weil sie ja nur 500 Schilling kostete und dafür die durchreisenden germanischen Horden abkassiert werden konnten. Heute kostet die Vignette das Dreifache (kleine Veränderung einer Rahmenbedingung), und diejenigen, die bluten, sind eigentlich wir selber, Germanen hin oder her.
Beim E-Voting gibt es eine ganze Menge solcher Rahmenbedingungen: Beschlossen wird beispielsweise ein hochsicherer Zählalgorithmus, nach einigen Jahren wird er vielleicht „angepasst“ – an Manipulationsbedürfnisse künftiger Machthaber? Die persönliche IP-Adresse, die bei Web-Transaktionen immer mitgeschickt wird, wird natürlich nicht mit der abgegebenen Stimme in Beziehung gesetzt, versprochen! Aber nach dem nächsten 9/11 gibt’s vielleicht wieder Antiterrorgesetze, die den Behörden gewisse neue Möglichkeiten einräumen. Auch im Jahr 2050 kann man auf diese Weise noch ganz leicht nachvollziehen, wie jemand bei einer elektronischen Wahl im Jahr 2011 gestimmt hat. Wollen wir das riskieren, oder doch lieber weiter zur Urne pilgern?