Eine Oscar-Dankesrede halten
Dinge, die man getan haben muss… #55
Carpe Diem sagt der alte Römer, der junge sagt nix, tanzt dafür anders, als die anderen. Nach ein paar Jahren voller Anstrengungen, Ausbildungen und penetrierter Körperöffnungen ist es soweit: Man steht auf der Bühne mit einem Oscar in der Hand und möchte nicht unvorbereitet sein.
Fauxpas aus dem Fußballermilieu wollen vermieden werden, so nach dem Motto: „Ich danke meinem Vater und meiner Mutter und ganz besonders meinen Eltern.“ Das wäre ja ziemlich imageschädigend. Aber den Eltern zu danken ist Pflicht, genauso, wie dem Management, dem Modeschöpfer, der Lieblingskondommarke oder der Tamponfirma. Dem toten Hund, dem lebenden Meerschweinchen, dem gepflanzten Meerrettich (verdammte RTL-isation, das Zeug heißt immer noch Kren!) und Arielle, der Nicht-Mehr-Jungfrau. Zum Abschluss dann das Beste: dem Lebenspartner, der Ehefrau, seinem Ehemann, dem Lebensmenschen und Soul Mate. Tränenreich werden die letzten 500 Tage mit dem gesamten Leben gleichgesetzt, nur um sich in etwa 150 Tagen wieder scheiden zu lassen oder zu trennen. Aber während der Rede ist das egal, da kracht das Emotionsschmalz mit der Wucht einer Doppelaxt in die Herzen des Milliardenpublikums. Man könnte sich allerdings auch Geschmack und Stil des Franzosen Pierre Boulle als Vorbild nehmen, der die kürzeste Rede aller Zeiten hielt. Er sagte einfach: „Mercí!“ Wie auch immer, Hauptsache Dankesrede, man will den dereinstigen Enkerln ja nicht erzählen, dass man in der Jugend nur Videospiele gespielt, Fastfood gegessen, und Blümchensex gehabt hat, oder?