Muse wurden wieder von der Muse geküsst. Und wie es der Titel und das neonglitzernde Coverartwork schon verraten, soll die Reise in die Zukunft gehen. Dort warten dann Synthie-Pop, gurgelnde Bassläufe, 80ies-Drums und dystopische Gitarrensoli. Die Renaissance einer vergangenen Dekade wird auch im Hause Muse gelebt. Bleibt noch die Frage, warum die Zukunft heutzutage immer nach den 80ern klingen muss?
Muse bleiben indes auf dem vor einigen Jahren eingeschlagenen Pfad: mehr Pop, weniger Rock. Mehr Special Effects, weniger Abrissbirne. Dramatische Pop-Arien schreien zum Himmel, während verrückt gewordene Soundeffekte wie zum Leben erweckte Gismos ihr akustisches Unwesen dazu treiben. Der Anspruch der Band aus Devon, bombastische Soundtsunamis zu produzieren, bleibt erhalten.
Das neue Album der Briten rund um Mastermind Matthew Bellamy ist auf der Suche nach den großen Emotionen und findet diese in eben solchen großen Melodien, die Kitsch und Theatralik zu einer mächtigen Rockoper vereinen und dabei höchst unbescheiden von einem zum nächsten Gipfel stürmen. Barock und bedeutungsschwanger, wie es Artrock und New Prog in ihren Traditionen öfters mal vorsehen, werden Muse ihrem zuvor gestellten Anspruch gerecht. Bellamy als eine Art Mozart der popkulturellen Gegenwart – ihm stehen gerne mal die Haare zu Berge – greift auch gesanglich nach den Sternen.
Muse bieten weiterhin großes Kino für die Ohren. Auch wenn das Vorgetragene dem Vorwurf des Prätentiösen nicht immer Stand hält, findet das Trio auf „Simulation Theory“ durchaus den angestrebten Weg nach tieferer Bedeutung. Das artifizielle, hochtrabende Element, das Text und Musik gemeinsam haben, ist dabei Stilmittel und erfüllt den Zweck: Die Platte soll Eindruck schinden – und das gelingt.
— Reto Allemann