Retrospektive - Mötley Crüe
Mötley Crüe
Retrospektive

30 Jahre Haarspray, Drogen, Nutten und Metalgeschichte

Plötzlich mussten Mütter ihre Töchter einsperren. Plötzlich waren biedere Briten-Metaller wie JUDAS PRIEST oder IRON MAIDEN harmlos, plötzlich waren selbst Schwerenöter wie AEROSMITH oder KISS keine Gefahr mehr für jungfräuliche Hörerschichten. Wir schreiben das Jahr 1981 und vier Gestalten mit toupierten Haaren, hautengen Lederklamotten und tonnenweise Schminke im Gesicht revolutionieren die Musikwelt und bescheren konservativen Elternschichten graue Haare. Die beiden Bandgründer Nikki Sixx (bass) und Tommy Lee (dr) sowie die kurz darauf dazu stoßenden Vince Neil (voc) und Mick Mars (git) haben bis heute sämtliche Hochs und Tiefs der „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“-Branche stärker miterlebt als alle anderen, haben den zwischenzeitlichen Tod ihrer selbst gegründeten Sunset-Strip-Glam-Metal-Szene mit ansehen müssen und sind nach zwei verzichtbaren Jahrzehnten unerwartet stark wiederauferstanden. Ladies and Gentlemen – MÖTLEY CRÜE feiern ihren 30. Geburtstag und sind populär wie lange nicht mehr. Anbei ein Karriererückblick aus der Sicht eines langjährigen Maniacs:
 
Beginn – „Too Fast For Love“ (1981): DEF LEPPARD und VAN HALEN haben zu der Zeit zwar schon Alben rausgebracht, aber MÖTLEY CRÜEs Debütwerk war um Ecken frecher, rotziger und kompromissloser als die Konkurrenz. Schon das (homo?)erotische Cover-Artwork brachte biedere Hausfrauen an den Rand des Kollaps, die Musik mit Tophits wie den Titeltrack, „Live Wire“ oder „Piece Of Your Action“ ließ erstmals anklingen, dass die Jungs Großes vorhaben.
Diabolisch – „Shout At The Devil“ (1983): Auf dem Zweitwerk machten CRÜE eine völlige Kehrtwende und schossen ihr mit Abstand dunkelstes und diabolischstes Album in den Orbit. Der Titeltrack wurde zu einer Hymne für die Ewigkeit, „Looks That Kill“ ist bis heute MÖTLEYs fetzigste Riff-Granate und „Too Young To Fall In Love“ punktet mit großartigen Lyrics. Nur bei „Ten Seconds To Love“ war der Schwanz stärker als der (teuflische) Schweif.
Wandlung – „Theatre Of Pain“ (1985): Vince Neil wurde nach einem alkoholgeschwängerten Autounfall für Totschlag verurteilt und die Band wandte sich endgültig dem Glam Metal zu.  Die schweren Riffs des Vorgängers waren verschwunden, mit der grandiosen Piano-Ballade „Home Sweet Home“ hatten die Jungs so manchen Fan verschreckt. Bezeichnend für das etwas schwächere Album, dass mit „Smokin‘ In The Boys Room“ eine Coverversion der Topsong ist.
Sex & Drugs – „Girls, Girls, Girls“ (1987): Am Zenit ihrer Popularität angekommen, genießen MÖTLEY CRÜE ihr Leben zwischen Whiskey, Koks und Nutten, was auch eindeutig in das vierte Album einfließt. „Wild Side“, „Bad Boy Boogie“, „Girls, Girls, Girls“ als Songtitel – noch Fragen?
Meilenstein – „Dr. Feelgood“ (1989): Das beste Album! „Kickstart My Heart“, „Dr. Feelgood“, oder „Same Ol‘ Situation“ befeuchten noch heute jedes Frauenhöschen. Nach dem Albumcover wurde sogar ein Schuh designt und das Teil hat sich allein in Amerika über sechs Millionen Mal verkauft. Aber nicht mal zwei Jahre später zerstört Kurt Cobain die gesamte Glam-Szene.
Comeback Teil 1 – „Mötley Crüe“ (1994): Die Szene ist tot und John Corabi nicht mal ansatzweise ein würdiger Vince Neil-Ersatz. Bis auf „Hooligan’s Holiday“ gibt es durchgehend Verzichtbares. Nach CRÜE kräht kaum mehr ein Hahn – und das zurecht!
Stilabkehr – „Generation Swine“ (1997): Das Original-Line-Up ist zurück, doch die Ideenlosigkeit bleibt. Von Glanz und Glitter keine Spur, vielmehr regiert hier schlecht experimentierter Durchschnittsrock.
Unterbewertet – „New Tattoo“ (2000): Ohne Tommy Lee, aber dafür wieder mit viel 80er Jahre Spirit gerät „New Tattoo“ zum unterbewertetsten Album der Bandgeschichte. Schade um flotte Rocker wie „Hell On High Heels“ oder „Dragstrip Superstar“.
Comeback Teil 2 – „Saints Of Los Angeles“ (2008): Die längste Albumpause als große Rettung. Der Titeltrack, „Mutherfucker Of The Year“ oder „Just Another Psycho“ sind Götterstücke, die CRÜE nach knapp 20 schwachen Jahren wieder an die Oberfläche spülen und auf weitere Glanztaten hoffen lassen. Don’t Forget:  I say MÖTLEY, you say CRÜE! [ROBERT FRÖWEIN]

— Nobody