Die Könige des Bombastrocks melden sich nach zehn Jahren Funkstille endlich zurück und entfachen mit nur einem einzelnen, symbolischen Streichholz ein musikalisches Lauffeuer, das nach elf Nummern streckenweise nichts als verbrannte Erde zurücklässt.
Der Vorbote „Deutschland“ ist der erste Funke, der die Scheite zum Brennen bringt und eröffnet nicht umsonst das unbetitelte Album. Die musikalische Wucht und die brandaktuelle Sozialkritik machen gleich zu Beginn klar, was so manche schon seit 25 Jahren wissen: Rammstein über allen! Mit „Radio“ dürften dann auch die letzten Skeptiker in den Äther von Lindemann & Co. gesaugt werden, denn spätestens hier setzt die skurrile Faszination in all ihren dunklen Facetten ein. Man muss einfach wissen, wann die erste wirklich verstörende Nummer kommt.
Doch zunächst werden in „Zeig dich“ samt christlichem Chorgesang die katholische Kirche mit all ihren Verboten angeprangert und als „Ausländer“ humoristisch die positiven Seiten des Fremdseins thematisiert. Und dann geht es endlich um „Sex“ – wobei dieses Verlangen sich eigentlich noch relativ in gesellschaftlich akzeptierten Grenzen hält und für ihre Verhältnisse gar nicht so sehr irritiert. Erst mit „Puppe“ zeigt Lindemann gesanglich und textlich sein wahres Horror-Ich, während man „Was ich liebe“ oder „Diamant“ beinahe als Lovesongs bezeichnen könnte – in etwas verquerer, aber ruhigerer Rammstein-Manier natürlich. Dazwischen donnern die Gitarren und peitschen die Drums in hymnischen Refrains gewohnt vorwärts, wobei sich immer wieder elektronische Spielereien und beinah harmonische Melodien einschleichen.
Gerade als man denkt, das schockiert doch alles nicht mehr so wie früher, gießt das Sextett zum Schluss noch einmal ordentlich Brandbeschleuniger ins Feuer, und lässt einen mit dem pädophilen „Hallomann“ zurück, während jegliche, gerade gefasste Meinung zu Asche zerfällt.
— Amy Mahmoudi