Nichts war umsonst
Prinz Pi im Interview
Seit knapp zwanzig Jahren transferiert Prinz Pi Emotionen in Sprache und bringt ganze Gefühlswelten auf 1,40m unter. Trotz Kompass ohne Norden scheint er damit endlich angekommen zu sein – nicht nur an der Spitze der Charts und im kollektiven Bewusstsein als ernstzunehmender Künstler, sondern in erster Linie bei sich selbst. Mit VOLUME hat er sich nun die zwei Seiten der Medaille angeschaut und erneut festgestellt, dass nichts umsonst war.
Dein Kompass besitzt ja bekanntlich keinen Norden. Bist du mit ‚Nichts war umsonst‘ jetzt trotzdem angekommen?
Wenn man mitbekommt, was in Deutschland gerade abgeht, fällt das Ankommen ein bisschen schwer. Aber ja, im Prinzip bin ich schon mehr angekommen, als ich früher geglaubt hätte. Hin und wieder passieren natürlich Dinge, die einen alles hinterfragen lassen, einen zurückwerfen. Sachen, die voller Fehler waren, kosten zwar durchaus Narben, aber sie machen einen härter oder stärker. Es war zumindest nichts umsonst!
Apropos ‚umsonst‘ – was bedeutet das Wort eigentlich genau für dich?
Umsonst ist für mich etwas, das keinen Sinn hat. Es gibt zwar Dinge, die keinen Zweck, aber den Sinn haben, schön auszusehen – Artenvielfalt oder Blütenreichtum zum Beispiel. So etwas hat den Sinn, dass man sich persönlich daran erfreuen kann – ‚umsonst‘ erfüllt für mich nicht einmal diesen.
‚Wir haben gedämmert, jetzt wollen wir wieder brennen.‘ Inwiefern hast du seit dem letzten Album ‚gedämmert‘?
Wenn ich etwas von meinen Kindern gelernt habe, dann ist das, den Moment zu genießen. Kinder machen nichts nebenbei. Egal, worum es gerade geht. Ob das jetzt ihr Spielzeug, ihr Essen oder ein Wehwehchen ist – das nimmt sie immer zu 100% ein. Sie brennen für alles ganz krass. Wenn sie Freude empfinden, machen sie das mit allem, was sie haben. Wir Erwachsenen lernen oft schnell, zu relativieren und berauben uns damit auch vieler Eindrücke. Das Lied ist ein Appell von mir, sich an Zeiten zu erinnern, in denen einem alles wichtig war. Denn das ist es ja nach wie vor, wir verlieren nur den Bezug dazu.
Wie würdest du das Lied ‚Meine Welt‘ einer Volksschulklasse erklären?
Es geht um Ängste und Hoffnung, deshalb würde ich sie vielleicht fragen, wovor sie Angst haben. Ich würde ihnen sagen, dass Furcht meistens nur für einen selbst so schlimm ist, weil sie im eigenen Kopf existiert, aber nicht in der Wirklichkeit. Darum geht es im Endeffekt auch auf dem Album – dass man sich die Welt oft schwärzer malt, als sie eigentlich ist.
Aber wird man mit dem Alter nicht vielleicht doch versöhnlicher?
Ich weiß nicht, ob man versöhnlicher wird. Bei mir ist es so, dass ich mich gerade im politischen Bereich noch mehr engagiere oder aufrege, als ich das früher gemacht hätte – weil ich das damals auch noch nicht für so nötig gehalten habe wie heutzutage. Ich merke aber, dass ich mich diplomatischer ausdrücke als früher, weil eine Anti-Haltung die Leute nicht dazu bringt, dir zuzuhören. Du kannst Menschen erreichen und vielleicht auch umstimmen, wenn du es geschickter angehst. Das versuche ich, mit meiner Sprache zu machen. Man könnte sich sehr wissenschaftlich ausdrücken, mit vielen Fremdwörtern arbeiten, aber dadurch verliert man viele Zuhörer, weil sie keine Lust haben, sich darauf einzulassen. Wenn man es aber schafft, eine Sprache zu finden, die nach außen hin klar und verständlich ist, dann ist das natürlich um einiges klüger.
Auf ‚Nichts war umsonst‘ beschäftigst du dich auch mit der Dualität der Dinge. Wie sehen die zwei Seiten der Medaille des Musikbusiness für dich aus?
Man hat einerseits oft das Gefühl, man ist niemand und hat nichts erreicht. Wenn man aber auf Dinge zurückblickt, die man gemacht oder geschafft hat, dann ist das alles gar nicht so fatalistisch, wie es sich im Moment vielleicht darstellt. Ich schwanke immer zwischen diesen beiden Extremen: entweder drei Meter groß und der König der Welt oder unbedeutend und klein.
In diesem Kontext ist die Konfrontation mit dem eigenen Selbst oft gar nicht so einfach. Irgendwelche Tipps diesbezüglich?
Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ich glaube, Reflexion ist etwas, das man in jeder Lebensphase machen kann und muss. Am wichtigsten ist es aber, gute Freunde zu haben, die einem sagen, wenn man etwas macht, das nicht gut für einen selbst oder andere ist.
‚Allein in meinem Zuhause, zu Hause im Alleinsein‘. Wo bist du daheim?
Das ist eine gute Frage. Ich hatte eigentlich nie wirklich einen Ort, an dem ich mich daheim gefühlt habe. Bei ‚Zuhause‘ geht es für mich nicht um eine bestimmte Stadt, sondern um die Gegenwart von bestimmten Menschen. Für mich ist das auf jeden Fall da, wo meine Kinder sind.
Zum Schluss: Bereust du nichts?
Natürlich bereue ich total viele Sachen. (lacht) Nicht nur in der Musik, sondern auch im privaten Bereich. Aber wer macht das nicht?
Doch nach jedem Tief kommt zum Glück immer ein Hoch, Hoch, Hoch – wie deine Show am 17. Februar 2018 im Wiener Gasometer.