Vienna vs. Portland
New Hot Music Shit #65
Ein Elektronik-Pop-Duo, das bereits mit seinem Debüt auf internationalem Niveau spielt. Ein Quintett, das mit viel Schmäh im Pelzmantel funkt. Ein Lo-Fi- Trio, dessen Euphorie den Indie-Dancefloor rockt und eine Singer-Songwriterin, die ihre Hörer mit Doom Folk herausfordert. Erstere aus Wien, letztere aus Portland. Dazwischen liegen 8.861,42 km. Eines verbindet aber alle Vier: Sie sind unser New Hot Music Shit!
AUTONOMICS
Power-Pop-Punk aus der Garage
Musik machen ist keine billige Angelegenheit. Da muss man schon mal, neben Studioaufnahmen und Tour, Vollzeit arbeiten gehen, um sein eigenes Stück Musik auf ein Album pressen zu können, um es damit für die Ewigkeit zu konservieren. Und auch die alltäglichen Grundbedürfnisse wollen finanziert werden. Abrackern, um zu überleben – lautet die Devise. Doch anstatt an dieser Tatsache zu verzweifeln und sich in Songs darüber auszuheulen, kann man auch einfach Musik schreiben, die von Anfang bis Ende zugleich unterhaltsam und bombastisch klingt – so wie die Autonomics. Das Trio aus Portland verbreitet mit seinem explosiven, fuzzy bis poppigen 90ies-Rock so viel ungebremsten Enthusiasmus, dass es pro Nummer nur knapp drei Minuten braucht, um sich auf dem Indie-Dancefloor mitreißen zu lassen. Zwischen Euphorie, Melancholie und Selbstironie finden sich in ihrem kraftvollen Lo-Fi-Indie zudem klassische Weezer-Vibes und so viel lässige Pop-Punk-Power, dass ihre Nachbarn The Thermals neidisch werden könnten.
Für Fans von: Weezer, The Terminals
Link: www.autonomics.bandcamp.com
Aktueller Release: ‚Debt Sounds‘
HALEY HEYNDERICKX
Verträumter Doom-Folk
Eines Nachts hatte Haley Heynderickx einen Traum, in dem sie die weibliche Version von Jimi Hendrix war – eine etwas merkwürdige, aber mit Abstand eine der interessantesten, Anekdoten darüber, wie man zur Musik kommen kann. Neben dem Gitarrengott sind es auch vor allem Künstler wie Bob Dylan, Nick Drake und der Folk, Rock und Pop der 60er und 70er Jahre, deren Einfluss die zierliche Songwriterin in ihren selbstbetitelten Doom Folk verwebt. Sie selbst ist erst Anfang 20 und hegt eher widersprüchliche Gefühle für das Jahrhundert, in dem sie lebt: Angst und Liebe zugleich, die sie fragend mit Themen wie Identität, Ego und Unterbewusstsein spielen lassen und ihren Ausdruck in emotionalen, intimen und lebhaften Texten finden. Damit fordert sie ihre Zuhörer heraus, den eigenen Selbstzweck, das eigene Selbstwertgefühl und unerfüllte Wünsche zu hinterfragen und wirkt dabei so schüchtern wie erwartungsvoll in ihrer unaufdringlichen Selbstsicherheit, die an eine junge Feist erinnert.
Für Fans von: Feist
Link: www.haley-heynderickx.com
Aktueller Release: ‚Fish Eyes‘ (EP)
ANT ANTIC
Elektronischer Pop
Obwohl hier nach unüberhörbarer Perfektion gestrebt wird, wirkt die Musik des Duos Ant Antic eigenartig unbekümmert. Eine immer weiter angereicherte Erwartung sammelt sich in den Songs, Tropfen um Tropfen. Elektronik, Organisches, langsame Verschlepptheit, orchestrales Aufleuchten – die Kompositionen ziehen im Slomo druckvoll in die Blutbahn. Stimmlich brilliant besetzt – zuweilen erinnert der Gesang gar an Alex Turner der Arctic Monkeys – nimmt der zwischen Düsternis und Morgenrot oszillierende Sound einen großen Schritt nach oben in die Klasse internationalen Niveaus. Und das kommt nicht von ungefähr: Tobias Koett und Marco Kleebauer sind derzeit so was wie die üblichen Verdächtigen, wenn es um großformatige neue Popelektronik aus Österreich geht. Ersterer produziert und spielt, zweiterer tut das selbige und hat auch noch die Band Leyya im Ärmel. Die beiden fanden sich und machten drauf los – scheinbar ohne Plan. Umso atemberaubender ist das Ergebnis dieser neuen Band und ihr Debüt ‚Wealth‘.
Für Fans von: Moderat, Zoot Woman, Muse
Link: www.facebook.com/antanticmusic
Aktueller Release: ‚Wealth‘
LORBEEREN
Funky Pop mit viel Humor
Was für ein Spaß! Die jungen Burschen der Band Lorbeeren haben Humor für zehn, dabei sind es nur fünf Bandmitglieder: Dominik Pandelidis, Erik Lösch, Gabriel Mayr, Marc Cornelius Klimt und Oskar Löbl. Kleine und große Spitzfindigkeiten in den Texten mit wunderbarem Reimflow wie ‚… und jahraus, jahrein schenkst mir ein‘
Gutschein‘ – das geht ganz runter im Stream of Consciousness, mit Sex und Love. Und ist das jetzt echt oder gestellt, das Video vom Straßenfest? Sind das hier gar die Erben der ewig unterschätzen EAV? Die Posen sind jedenfalls geprobt, die Fotos durchgetaktet wie ein gutes Oasis-Plattencover und die Boys gingen locker als hiesige Sprösslinge der jungen Blur durch, die damals bei ihren Groupies nicht aufgepasst haben. Geiler Scheiß, echt guter Funk für Weißbrote. Aber auch die Gitarren werden nicht vergessen – bis zum Indie alles dabei in der Abwechslung. Man kann eine gewisse Bilderbuchaffinität nicht leugnen, aber das Wohlwollen überwiegt.
Für Fans von: Style Council, Haircut 100, Spliff
Link: www.facebook.com/lorbeerenmusik
Aktueller Release: ‚Lava‘