Oh Waves, oh Vienna, nur ihr allein!

New Hot Shit #71 - Waves Vienna Special

Auch in der achten Runde schürft das innerstädtische Festival nach Gold, respektive heißen Newcomern, wie kein anderes. Hier wird sich nicht auf große Namen und gemähte Wiesen verlassen, hier werden jüngste und neueste Bands verhandelt – New Hot Shit in Reinkultur sozusagen. Das Waves Vienna ist mittlerweile eine etablierte Kultureinrichtung in der Hauptstadt, nicht mehr wegzudenken aus der ausklingenden Festivalsaison. Unzählige Bands gibt es zu entdecken, Filme und Vorträge warten … wir empfehlen folgende Kandidaten!

Dives
(c) Tina Bauer

Surfrock made in Austria

Ende 2017 erschien die Debüt-EP, seither hat das dynamische Trio mehrmals bewiesen, dass es nicht nur in verrauchten Gürtel-Lokalen funktioniert, sondern auch als Support von Franz Ferdinand oder Bilderbuch ordnungsgemäß die Bühne rockt. Dabei verleihen ihnen die noisigen Surf-Riffs einen Wiedererkennungswert, den viele Bands nie finden. Ebenso spannend wie der Sound ist auch ihr Hintergrund: Tamara Leichtfried, Viktoria Kirner und Dora De Goederen formierten sich nach der Teilnahme am Girls Rock Camp 2016, wo sie ihre Instrumente zum Teil erst erlernten. Seither nutzen sie ihre Auftritte auch als Plattform, Frauen zum Musikmachen zu inspirieren und auf Missstände hinzuweisen. Ihre Verwurzelung in der Wiener Szene wird beim Blick auf die Nebenprojekte sichtbar. Besonders Drummerin Dora sorgte mit ihrer Zweitband Schapka beim diesjährigen Popfest für Aufregung und Begeisterung, als sie in bester subversiver Manier die rechten Umtriebe von Red Bull just auf deren gesponserter Bühne kritisierte.

Für Fans von The Drums, The Breeders
Link www.facebook.com/DIVESvienna
Aktueller Release „DIVES“

Die Sauna
(c) Susanne Steinmassl

Deutscher Indie-Rock reloaded

„The world has turned and left me here“, das sang Rivers Cuomo für Weezer vor 24 Jahren. So alt dürften die sechs Burschen von Die Sauna, dem schnuckeligen Äußeren nach zu urteilen, im Schnitt wohl auch sein. Es gibt nicht viel zu finden über die neue Band aus München, die etwa seit 2016 ihren Gitarren-Indie-Rock-auf-neu spielt. Aber so richtig! Dieses Jahr kamen eine imposante EP und eine Welle an Festivalterminen, die uns zeigen, dass da schon angebissen wurde – vom Publikum und wahrscheinlich auch vom Business. Das Sextett bezieht seine Einflüsse ganz grundsätzlich aus dem Gitarrenbereich, von den 80ern bis heute. Zum einen hört man auf jeden Fall einen sexy süddeutschen Zungenschlag, zum anderen eine Vorliebe für Bilderbuch, Tocotronic, Franz Ferdinand und die Strokes. Das klingt jetzt etwas nüchtern, aber das trügt enorm! Denn diese Musik, diese Band, diese Attitüde löst Euphorie und Verwunderung, Begeisterung und Faust-in-die-Luft recken aus. Indie-Rock? Gerettet, check!

Für Fans von Die Sterne, Isolation Berlin, Bilderbuch
Link www.diesauna.net
Aktueller Release „Elektra“

Pressyes
(c) Marlene Lacherstorfer

Positiver Hippie-Pop

Nach der Auflösung von Velojet fand sich Rene Mühlberger alleine im Proberaum wieder. Was nun? Einfach weitermachen! Wobei „einfach“ wohl nicht ganz passt. Von regelmäßiger Meditation und Reflexion ist die Rede, ebenso vom „Schalter umlegen“. Früher eher auf der melancholischen Seite angesiedelt, versucht Pressyes nun mehr im Moment zu sein und einfach zu genießen – genau so klingt sein Debütalbum. Inspiration fand er dafür in seinem VW-Bus Wilson. „Ich liebe es, in meinem alten Bulli Musik zu hören und dachte mir: Es ist zu lange her, dass ich Musik für eine schöne Sommerfahrt geschrieben habe. Das hat mir die Arbeit am Album versüßt. Diese Positivität habe ich nach der Bandauflösung gut gebrauchen können.“ Das Ergebnis dieses Selbstfindungstrips ist die sommerlich-sonnige Sammlung „On The Run“, ein musikalischer Mini-Kosmos voller positiver Energie, der die Pop-Ästhetik der 70er aufleben lässt und trotzdem innovativ klingt.

Für Fans von Tame Impala, Beach Boys
Link www.inkmusic.at/artist/pressyes
Aktueller Release „On The Run“

Futurski

Wave-gotischer Chill-Elektropop

Die Band aus Ljubljana hat ihren wunderbar organischen Sound mit höchst synthetischen Mitteln kreiert. Jan Vihar, Žiga Petkovšek, Evita Drvarič und Dominika Maša Kozar trafen sich vor etwa drei Jahren. Die beiden Jungs kletterten aus den Trümmern ihrer Garagenrockcombo „Barley Modern“ und sehnten sich nach Neuem. Das ergab sich ganz automatisch durch Evita und Dominika, die die Band komplettierten. Namen wurden gesucht und verworfen. Der erste Vorschlag „Future Sky“ wurde verdammt, die Köpfe rauchten für Monate. Schließlich die Erleuchtung: einfach etwas weglassen! Futurski war geboren und das „i“ sorgt für den slawischen Touch. Alle Vier spielen Synthies, dazu noch Gitarre und Bass. Jeder Ton wird live und per Hand gemacht, was bei der Opulenz und Tightness staunen lässt. Für den Audio-Aufhänger sorgt das Tool der Stimmverfremdung. Dazu kommen höchst interessante Wurzeln im Gothic und klassischen Wave, sodass ein Fan des Lagers OMD oder DM diese Band auf keinen Fall versäumen sollte!

Für Fans von Light Asylum, Depeche Mode
Link www.futurski.bandcamp.com
Aktueller Release „Synthetic Happiness“

Listen to Leena
(c) Apollonia Bitzan

Jazzy Soulpop

Wow, das ist gut, macht Spaß und hat Klasse! Was klingt wie eine gechillte Kelis mit ein bisschen Erykah Badu im Schlepptau, ist tatsächlich Lucia Leena, die mit ihren vier Herren gerade den zweiten Langspieler „Pendulum“ vorbereitet. Jakob Mayr an der Posaune, Simon Raab an den Tasten, Felipe Ramos am Bass, Andi Senn am Schlagzeug und der Elektronik sind die Bank hinter der Frontfrau. Gemeinsam machen sie tanzbaren Synthie-Pop mit klaren Botschaften – mal beschwingter, mal nachdenklicher, aber stets in Bewegung. Der Debütnachfolger erscheint im Oktober, während die Single „Will I?“ bereits jetzt die Sprunggelenke lockermacht, denn die groovt wie Sau zwischen Tiefgang und Appeal. Lucias Vorgeschichte ist illuster: Viel Musik geht bereits auf das Konto der brillanten Sängerin und Gitarristin. Mit Listen To Leena und ihrem soulig-bluesigen R’n’B ist sie aber an einer wichtigen Station angekommen – um zu bleiben, wie wir hoffen. Hochkarätig und angenehm im Ohr. Auf der guten Seite!

Für Fans von Jenny Wilson, Janelle Monáe, Deee-Lite
Link www.listentoleena.com
Aktueller Release „White Elephants“

Pom Poko

Post-punkiger Artrock

Die Norweger aus Trondheim sind der totale Wahnsinn: Wie die Cardigans, die den Easy-Listening-Trend verschmäht haben, völlig durchgedrehter Post-Punk-Pop, aber auf den Punkt genau. Wie die Sugarcubes minus Synths, die ihr Delay gegen verrücktere Effekte eingetauscht haben. Wie die Unicorns, wenn ein total cooles Mädchen am Mikrofon gestanden hätte. In der Tat: Ragnhild Fangels Stimme klettert mühelos in alle Höhen, hat ordentlich Glam und wirkt dennoch so unprätentiös. Die Band ist eine Erscheinung auf dem Musikparkett und ziemlich schlecht einzuordnen, was in diesen Tagen eine echte Leistung ist. Doch hier ist etwas echt Fantastisches im Busch. Das ist die Band, in der man spielen will, in die man verliebt ist, mit der man Bier trinken will und die man hinterher küssen will. Jeden Einzelnen. Wollen die groß werden, also Megastars? Schwer zu sagen. Wenn sie es wollen – wir helfen gern! Wenn sie es nicht wollen, ist endlich das zurückgekehrt, was Indie hieß und lange schon vermisst wird.

Für Fans von Metronomy, Sugarcubes, Minutemen
Link www.pompoko.no
Aktueller Release „You’ll Be Fine“

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