Neue Welle beim Waves
New Hot Music Shit #60
Jetzt, wo das Waves Festival alle Anlaufhürden überstanden hat und wohlbehalten über die Bühne gegangen ist, kommt für uns die Zeit, eine kleine Nachlese vorzunehmen. Wir konzentrieren uns beim New Hot Shit natürlich hauptsächlich auf den süßen kleinen Nachwuchs, aber auch ein geschmeidiger Veteran kann gerne dabei sein. In der neuen Location WUK war alles sehr fein zu erreichen und so kamen wir in den Genuss vieler toller Konzerte – was die Auswahl noch schwerer macht. Wir bedanken uns wieder mal bei den Organisatoren für dieses tolle Festival und freuen uns schon aufs nächste Jahr!
Totemo
Electropop
Im Foyer spielte die israelische Singer/Songwriterin Rotem alias Totemo mit Band ein sphärisches Konzert, bei dem die Beats aber auch nicht zu kurz kamen. Schick in Schwarz mit roter Gibson SG, Drums links und Sounds rechts beeindruckte das Mädchen aus Tel Aviv mit ihrem träumerischen Indie Pop. Seit ihrer frühen Jugend nimmt Totemo ihre Songs auf und entlässt sie ins Internet – damals mit rudimentärem Equipment, jetzt mit dem Produzenten Roei Avital, mit dem sie eine kreative Zusammenarbeit hinkriegt. Ist ja gar nicht so einfach, bei so einem künstlerischen Output. Was die beiden auf jeden Fall schaffen: Sie erklimmen internationalen Standard. Die Songs rollen und perlen. Totemo selbst ist der Part, der noch viele Ecken und Wendungen in einen Song reinpackt, während Avital dann für den Pop Appeal sorgt. Den zieht Totemo aber auch aus ihrer Bewunderung für Kate Bush und ihrer Lust am kryptischen Texten. Trip Hoppige Beats lassen dann alles noch eine Ecke anspruchsvoller werden – eine wahre Entdeckung!
Für Fans von: Lali Puna, Jonna Newsom, Kate Bush
Link: www.facebook.com/rotemormusic
Aktuelle EP: ‚Desire Path‘
Smerz
Skandinavischer Synthie Pop
Trance, Tech, House, Glitch: Smerz. Das war die Zukunft der Musik, die wir da im WUK Foyer gesehen haben. Smerz, zwei DJs und Producerinnen aus Norwegen, die ihr Headquarter in Kopenhagen aufgeschlagen haben, begeisterten absolut! So stellt man sich die bestmögliche Landung von Außerirdischen auf der Erde vor – die kommen nicht, um uns umzuballern, sondern nehmen nahezu keine Kenntnis von den plumpen, stumpfen Menschen. Warum auch? Denn diese Spezies hat unbestritten ein höheres Level erreicht, von dem wir Ungehobelte nur als Utopia träumen können. Henriette Motzfeldt und Catharina Stoltenberg machen wahr, wovon ich seit dem ersten Ton träumte: Es ist hier egal, ob da ein Mann oder eine Frau steht. Die beiden verkörpern den neuen Typus Musiker, dem es wieder nur um die Musik geht. Coole Nerds! Die beiden Schrauberinnen zeigten ihr Können par excellence: Düsterer Sythhouse, ätherische Vocals, verflucht coole Samples. Wow, und Henriette ist ja die Tochter von Norwegens Ex-Ministerpräsidenten!
Für Fans von: The Knife, Coco Rosie, Austra
Link: www.facebook.com/smerzno
Aktuelle Single: ‚Because‘
Black Honey
Indiepoprock, Yeah!
‚Waves Festival was real HOT!‘ twittern Black Honey aus Brighton, nach ihrer Show auf dem Waves. Und ob! Nach dem Konzert auf der SKIP Stage sind weibliche wie männliche Herzen verliebt – in Rock’n’roll, in Indiepop, in coole Gitarren und in Izzy. Optisch natürlich lenkt das Gehirn in Richtung Debbie Harry und Courtney Love. Musikalisch aber hat es mehr Twang als Grunge und ist mehr Sons and Daughters als Sheena, die Punkrockerin. Die feine Linie zwischen Rock und Pop, zwischen rau und eingängig, wird hier gekonnt verwischt. Die Band steht in den Startlöchern und hat ihr Potenzial auf großen wie kleinen Festivals gezeigt – ob im englischen Steventon oder in Tokio. Jemand hat mal über die Band gesagt, sie klänge, als ob Lana Del Rey bei Lush spielen würde, oder so. Ja, bitte! Und in Zeiten wie diesen, wo gesanglich viel kontempliert wird in der populären Musik, da tut es mehr als gut, wenn das Stimmband ordentlich durchgebogen wird, statt nur angehaucht.
Für Fans von: Lush, Sons And Daughter, Cowboy Junkies
Link: www.facebook.com/blackhoneyuk
Aktuelle LP: ‚Hello Today‘
Matt Boroff
Einzelrocker in Bandstärke
Blues, Rock und Klapperschlangen: Matt Boroff und Gang schickten im WUK Beisl alle in die Wüste, die hier vielleicht nach ihrem Einstecktüchlein gesucht hatten. Nichts als knochentrockener, wütender Desert Rock, modern aufbereitet und klassisch abgearbeitet. Ein ordentlicher Haufen Holz wurde da zerkleinert, als der Wahlösterreicher aus New Jersey mit Händen und Füßen Gitarre und Effektgeräte bearbeitete. Hart wie die Queens Of The Stone Age, spröde wie Jesus Lizzard – nur nicht so nackt. Der Rahmen der Show war schließlich auch die Panta R&E Label Night, die das neue Boroff Werk ‚Grand Delusion‘ veröffentlicht. Auf ebendieser Platte gibt sich die internationale Garde des harten Rocks die Hand: Alain Johannes (QOTSA, Eagles Of Death Metal, Them Crooked Vultures, Desert Sessions) produzierte das Album, Jack Irons trommelte wie schon bei den Red Hot Chili Peppers und Pearl Jam und Mark Lanegan (Screaming Trees, QOTSA) steuerte Gitarrenhiebe bei. Vorarlberg meets Hollywood: Groß!
Für Fans von: Soundgarden, Nine Inch Nails, Nirvana
Link: www.mattboroff.com
Aktuelle EP: ‚Grand Delusion‘
SPOT ON AUSTRIA: Soulitaire
Schlichte Schönheit
Gitarre, Verstärker, Effektpedale und Stimme – mehr braucht Soulitaire für seine filigran aufgebauten aber atmosphärisch starken Songs nicht. Und das im Studio und auf der Bühne: Am letzten Waves Vienna Festival hat Martin Rotheneder, der hinter dem Soloprojekt steckt, seine Premiere gespielt – am Album bastelt er aber schon eine ganze Weile. Schon bekannt aus Bands wie I Am Cereals oder The Black Riders hat er sich für einige Zeit aus dem Musikbusiness zurückgezogen, um mit Soulitaire einen Neustart zu wagen. Das Ergebnis sind zwölf feine, eindringliche, verzaubernde Stücke, bei denen man oft kaum glauben kann, dass nur zwei Hände dahinter stecken. Zuckrige Popballaden im Indiefolkmantel! Perfekte Schmusemusik könnte man sagen. Aber: ‚I Believe In Rainbows“ ist so wunderschön, dass beim Zuhören sogar die Kuscheldecke ausreicht.
Link: www.soulitairemusic.com
Aktuelle LP: ‚I Believe in Rainbows‘
SPOT ON AUSTRIA: Gospel Dating Service
Heilig ist hier nur der Groove
Dating App mit Kirchenchor? Weit gefehlt! Den Namen haben sich Christoph Ertl (Keys/Vox), David Resch (Bass) und David Ruhmer (Drums) beim zufälligen Kreuzworträtsellösen ausgesucht, auf ihrem Debütalbum ‚Champagne‘ haben sie aber nichts dem Zufall überlassen. Zuvor schon zwei EPs veröffentlicht hat schon die Single ‚Red‘ einen Vorgeschmack aufs lange erwartete erste Album abgeliefert: Indie Sound, der ohne Gitarre auskommt. Wie kann denn das bitte funktionieren? Alternative Pop ohne Riffs und Gezupfe? Gospel Dating Service machen’s vor, statt den klingenden Saiten gibt es Uptempo, Groove-, Funk- und Soulelemente. Zwischen den prasselnden Bass- und Syntheffekten ist das Hauptmerkmal ihrer Musik die glockenhelle Stimme von Sänger Christoph. Vergesst Tinder und überhaupt die Kirche. Man serviere den Champagner!
Für Fans von: Cold War Kids, Spoon
Link: www.gospeldatingservice.com
Aktuelle LP: ‚Champagne‘