Heute: Die beste Zeit für Musik!
New Hot Music Shit #42
Ist es nicht schön, in einer Zeit zu leben, in der im gleichen Monat eine Folkfrau debütiert, eine Punkband ihre erste EP rausbringt, ein Technoproduzent seine Soloplatte mit Shoegazeelectro veröffentlicht, ein Langhaariger mit Cowboyhut Elektrobeats mit rockigen Bluesgitarren mischt und zwei abgedrehte Londoner ein irres Spektakel inszenieren, das sie ihr Debütalbum nennen? Nichts gegen die Beatles oder Stones, mitnichten – aber das ist schon toll, jawoll: Es geht kaum unterschiedlicher und trotzdem gleichzeitig. Stark.
Mo Kenney
Kanadisches Folkmädchen
Tomboy Mo Kenney hat wuscheliges blondes Kurzhaar, einen milchweißen Teint und traurige blaue Augen. Fünf schlanke Finger greifen komplizierte Akkorde, während die anderen fünf ein noch schwierigeres Pickingmuster von den Saiten zupfen: Das Girl aus Waverly, Nova Scotia, Kanada ist ein Folkie, das lässt sich nicht abstreiten. Mit wunderbar warmer Stimme erzählt sie in „Sucker“ vom Verlassenwerden. Sie liebt Elliot Smith und das hört man aufs Angenehmste! Dank Herrn Smith hat sie jene Finger von der Rockmusik gelassen, auf die sie als Teenie stand – Led Zeppelin und Pink Floyd waren ihre ersten Vorbilder. Wenn sie aber so ganz allein auf der Bühne steht, sieht man gleich, dass sie im Folk ihr Zuhause gefunden hat. In Kanada wurde sie schon mit Auszeichnungen wie dem Nova Scotia Award für „pop recording of the year“, „female artist of the year“ und dem Award für „new artist recording of the year“ dekoriert. Holladiewaldfee! Und im September feiert sie ihr Debüt bei uns!
Für Fans von: Elliott Smith, Cat Power, Beirut
Link: www.mokenney.com
aktuelles Single: „Mo Kenney“ (New Scotland Records / The Orchard) 12.09.
We Are Shining
Der Neo-Gospel-Dance-Soul-Komet kommt!
Whoa, what the fudge! Das ist ja mal stark, was die zwei Londoner da vom Stapel lassen: Afro-Beats, hypnotische Fuzzbässe, Chants und Händeklatschen, sehr soulig, doch unfassbar modern. Und zeitlos. Und funky. Und – hey, ich muss tanzen! Perfektes Paket, da stimmt alles – vom state of the art Video zu „Wheel“, in dem ungefähr 1.000.000 Momente aus der Popgeschichte zitiert werden, bis zu den Gastsängerinnen auf dem kommenden Debütalbum „Kara“. Rose Gabor, Shingai von The Noisettes und Eliza Doolittle komplementieren den Gesang von Acyde, Morgan legt eine gepfefferte Produktion nach – aah, ich bin restlos begeistert! Seit Jahren tummeln sich Acyde und Morgan schon im Londoner Untergrund herum, jetzt haben sie endlich ihre wahnsinnig gute Mixtur aus Deltablues, HipHop und Soulsamples auf einer Platte vereint, nachdem sie mit ihrem Mixtape „Devileye“ schon von sich reden machten. Eine Reise von Fela Kuti über Dubstep bis Hendrix, ins Jahr 2101 und zurück!
Für Fans von: The Roots, Massive Attack, Neptunes
Link: www.weareshining.com
aktuelle Single: „Kara“ (Marathon Artists)
Devan DuBois
Elektrisch-elektronischer Blues vom Südstaaten-Hipster
Perfekt für den Indian Summer, der Kerl hier – Devan DuBois kommt aus Nashville, Tennessee und man kann sich gut vorstellen, dass er mal eben seine Gitarre packt und raus in die Mojave Wüste oder nach Joshua Tree fährt, dort den Klapperschlangen zusieht und seinen Hut tief ins Gesicht zieht, während er seine Klampfe stimmt. Oder trifft er sich lieber mit Meth rauchenden Indianer-Outlaws zum Pläuschchen? Ginge auch – bei Breaking Bad wäre der Dude ebenfalls gut aufgehoben. Allein optisch eine Weide für die Äuglein – wie Johnny Depp zu seinen besten Zeiten. Ein dünner Indianercowboy mit dunkelbraunen Rehaugen. Aber Obacht, Finger am Abzug: Sein schwerer Gitarrensound schleppt sich lärmend durch frickelige Beats. Die eine Ecke schreit Blues, die andere Grooverock, von unten drückt elektronisches Gewusel à la Nine Inch Nails. Die Nähe zu Jack White ist unüberhörbar, auch die Black Keys müssen herhalten, wenn man DuBois einordnen will. Ein Neo-Noir Film über ein einsames Herz, a lonesome fool: Le Fou.
Für Fans von: Jack White, Black Keys, Johnny Depp
Link: www.devandubois.com
aktuelle Single: „Le Fou“ (Sensibility Music)
Attaque
Schlaue Elektronik
Er war ein erfolgreicher Technoproduzent, der von Radio 1 genauso wie vom Mixmag gelobt wurde, im Boiler Room auflegte und als DJ herum jettete. Dann aber hatte Dominic Fraser Rowan-Gentry Bock auf sanftere Töne und erfand sich neu als Attaque. Der Mann aus Colchester schraubte zwölf Monate am Debüt seines Projektes und entfernte sich von seinen pumpenden Technowurzeln soweit, dass er nun auf einer Wolke ätherischen Dreamelectros schwebt. Und die klingt bizzelnd und crisp, warm und luftig – vor allem sein Track „Only You“, nach dem auch die Platte – umgewandelt in „On Ly Ou“ – benannt ist. Diese LP ist sehr atmosphärisch und viel näher am Shoegazerock als man denkt, was verwundert, erinnert man sich an Gentrys vorangegangene Technoproduktionen auf Kitsuné, Boys Noize oder Turbo – wow, und der Kerl ist grade mal 27! Ein bescheidener Junge ist,er auch, denn von dem Technofame will er im Moment gar nichts wissen, sondern haucht lieber seinen Attaque-Produktionen das Flair französischer Diskolegenden ein.
Für Fans von: Bonobo, Gold Panda, Moderat
Link: www.facebook.com/Attaqueofficial
aktuelle EP: „On Ly Ou“ (Bad Life Records)
Electric Youth
80s Pop revisited
Dass die Musik seiner Band Electric Youth Retromusik sei, hört Austin Garrick gar nicht gerne. Er mache eher Musik für die Zukunft, sagt er. Und dass das wohl das größte Missverständnis sei, das man dem Duo antun könne. Hm, aber – wäre da nicht die Tatsache, dass sich Austin Garrick und seine Partnerin wie Freundin Bronwyn Griffin nach dem Album-Titel von Eighties-Sternchen Debbie Gibson benannt haben. Und auch genauso klingen. Einfach schönster Bubblegum-Pop mit prima Keyboards. Und da ist nichts verkehrt dran. Die beiden Süßen aus Tronto, Kanada – noch so ein 80er-Songzitat, hehe – sind aber auch zum Anbeißen wie einst ein Raider, bevor es Twix gab: Sie haben sich in der siebten Klasse verliebt und sind seit der Achten ein Paar. Merke: Liebe, die auf einer 80s-Leidenschaft fußt, hat eine lange Halbwertszeit. Und trägt auch irgendwann Früchte: Für den Film „Drive“ steuerte das Duo den Song „A Real Hero“ bei und schwubste sich in den 18-Millionen-Play-Bereich auf Youtube. Nicht schlecht!
Für Fans von: Debbie Gibson, Strawberry Switchblade, Madonna
Link: www.facebook.com/electricyouthmusic
aktuelle LP: „Innerworld” (Secretly Canadian/ Cargo)
Schmutzki
Punks nicht tot
Ist es nicht ein Widerspruch in sich, wenn Punks aus Stuttgart kommen? Na, wahrscheinlich ist es eine natürliche Abwehrreaktion, die den Dreien von Schmutzki gegen Gartenzaun und richtig Parken eingefahren ist. Und das schöne Lied der punkigsten Band, den Aeronauten aus der Schweiz, hat ja alles zum Thema ohnehin schon gesagt: „Punks nicht tot.“ Schmutzki lebt und macht laut Musik, Spaßmusik mit viel Alkohol im Text und überschaubarer Akkordanzahl: Drei genügen, das sagen sie selber. Da wird natürlich ein bisschen tief gestapelt, denn die Moderne hinterlässt ihre Spuren und die Hives werden die drei bestimmt schon mal gehört haben. Beat Schmutz, Dany Maier und Florian Hagmüller sind bestimmt auch eine gute Pferdelänge intellektueller als ihr Wohlfühlpunk es vermuten lässt – doch welch anderes als ein kluges Köpfchen könnte sich für den Mummenschanz Punkband entscheiden? Na siehste. Die machen das gut, sympathisch und eigenständig. Und gehen mit Wizo auf Tour. Viel Spaß, Boys!
Für Fans von: Madsen, Hund Am Strand, Angelika Express
Link: www.schmutzki.de
aktuelle LP: „Mob“ (Four Music / Sony)