Fantasy Festival 2019
New Hot Shit #76
Eine schöne Tradition! Bereits letztes Jahr haben wir inmitten der ganzen IRL-Festivals eines ausgerufen, auf dem alle Bands spielen, die wir per-sönlich sehen wollen würden. Unser eigenes Line-Up buchen, genau – ohne Rücksicht auf Kosten, Realität oder die Tatsache, dass manche Künstler vielleicht schon nicht mehr unter uns weilen. Denn beim Fantasy Festival geht alles! Die diesjährige Ausgabe ist wahrscheinlich ziemlich nah an der Wirklichkeit dran, was kommende Programme betrifft. (Weil wir halt gern die Nase vorn haben, hehe.) Doch auch Unmögliches wird wahr. Unser Fantasy Festival 2019 ist jedenfalls ein Ausverkauft-Garant!
Fluur
Highclass-Indie-Pop aus Wien
Rewind: Philipp Maier und Thomas Gieferl kommen aus der Kolchose KAIKO, ihrer vergangenen Band mit den Schwestern Ines und Kathrin Kolleritsch. Auch hier haben sie den Indiekosmos ausgelotet – wie nun aktuell mit Sabeth Puri-Jobi, der atemberaubend gut ausgebildeten Jazz-Sängerin. Ihre Stimme macht mühelos den Brückenschlag von elaboriert-ambitioniert zu modern-indie-cool mit und bestimmt den Sound der Band, ohne ihn zu dominieren – die Kompositionen sind stark genug, um das Gleichgewicht zu halten. Das jazzig komponierte Schlagzeug Gieferls und die Synthie-Flächen, Puri-Jobis Bassspiel und Maiers Gitarrenarrangements lösen die Band aus dem eindimensionalen Schrammelkosmos heraus und machen eine Tür auf, hinter der Emerson, Lake and Palmer mit Neneh Cherry jammen. Die Leichtigkeit der anspruchsvollen Songs begeistern mich nachhaltig, denn es ist die Kür, aus drei Minuten Niveau und Genuss gleichermaßen zu machen. Das ist Zeug für die große Bühne, vor der sich die coolen Kids tummeln.
Für Fans von: Joan as Police Woman, Florence and the Machine, K. Flay
Link: facebook.com/fluurofficial
Aktueller Release: „Hello Stranger“
Little Element
Neo-Hippie-Pop aus Innsbruck
Immer wieder freut sich mein Herz über die Selbstverständlichkeit, mit der junge Musikerinnen sich nehmen, was lange Jungensache war: Musik in Slacker-Manier erobern, aus Dilettantismus zur erklärten Künstlerin wachsen, bei sich selber bleiben und doch zur Projektionsfläche werden, ohne die Kleider abzulegen. Little Element sehe ich stärker in der Tradition einer Courtney Barnett, eines Kurt Cobain oder eines Beck und als Elevin der Lykke Li-Schule. Lisa Aumaier – so heißt die Frau hinter der Musik – hat die Qualität der Authentizität. Ihr Style, ihre Videos, ihr Lachen – alles sie selber, das glaube ich sofort. Sieht man, wie sie sich auf der Bühne bewegt, wie sie tanzt, wie sie ein Gitarrensolo spielt, wirkt es unmittelbar und echt. Aumaier hat die Schule geschmissen, sich das Equipment mit Odd-Jobs erarbeitet und sich das Musikmachen selber beigebracht. Ihr elektronisch angehauchter Folk-Pop mit Hippiedrift ist super sommertauglich, doch durchaus drauf angelegt, ein Ganzjahresburner zu werden.
Für Fans von: Cat Power, Masha Qrella, U.S. Girls
Link: facebook.com/thelittleelement
Aktueller Release: „Tel Aviv“
Henge
Space-Prog-Pop aus Manchester
Auf meinem Festival der Träume spielt diese Band direkt vor dem Headliner: Eine interplanetarische Rave-Truppe, die Krautrock, Elektromusik, Space-Pop, Prog und Indie zu einem halluzinogenen Smoothie verblendet. Die kommen aus dem All, kein Witz! Zpor, Nom, Goo, Grok – das sind die Dudes aus allen Ecken der Galaxie, die diese Band gegründet haben. Einer halb Frosch, ein anderer letzter Überlebender der Venus-Bevölkerung und so geht das in einem fort mit den besten Kostümen und der abgefahrensten Bühnenshow seit langem. Die Band aus Manchester bedient hervorragend die Space-Age-Hippie-Comic-Schublade mit Tänzern und Bühnendeko-Galore, braucht sich aber musikalisch nicht im Mindesten als Novelty-Act zu verstecken. Sicher, der Spaß steht ganz vorne. Aber die Qualität ist stratosphärenhoch und die Message klar: „Demilitarise! We demand that the weapons of war are manufactured no more!“ Zuhause hostet die Band ihre eigene Clubnacht „Space Cassette“, doch ihr Heim ist die Festivalbühne.
Für Fans von: Sudra, Dandeacon, Gorillaz
Link: hengemusic.com
Aktueller Release: „Demilitarise“
The Mauskovic Dance Band
Caribbean-Disco-No-Wave aus Amsterdam
Ein Schmankerl für die einen, ein Graus für andere vermutlich – aber mich lässt diese Band in Verzückung geraten, jawohl! Wer eher auf geradlinige Haudrauf-Refrains steht, ist hier falsch und sollte den Bierhut aufsetzten und solange im Dixiklo um die Wette kegeln. Die anderen Schöngeister, bitte folgt mir zu den eklektischen Klängen des Projekts des Amsterdamer Produzenten und Multi-Instrumentalisten Nicola Mauskovic. Eine fünfköpfige Band hat er um sich geschart, um seine Vision von No-Wave-Dance-Punk, Afro-Caribbean-Rhythmen und Space-Disco wahr werden zu lassen. Komplett selbst produziert hat er dann auch die erste LP – ein triftiges Ergebnis, fürwahr! Live aber schaukeln sich die fünf in eine Trance aus Versatzstücken der Siebziger-/Achtziger-Tradition der Afro-Psychedelia, inklusive Cumbia, kolumbianischer Einflüsse und peruanischer Elemente. Und das alles von totalen Weißbroten gemacht. Ein moderner Weltmusik-Schmelztiegel, der mega Laune macht – hypnotic analog dance music!
Für Fans von: Tom Tom Club, Manu Dibango, Vampire Weekend
Link: facebook.com/TheMauskovicDanceBand
Aktueller Release: „The Mauskovic Dance Band“
Never Been To Africa
Afro-Funk aus Berlin
Eine Band aus Berlin hat sich dem Afro-Funk verschrieben, mit Leib und Seele. Der Afro-Funk-70s-Soundtrack lädt zum Abdancen ein. Ob schwarz, weiß, grün oder geringelt, jeder Fuß in jeder Socke zuckt im Takt, wenn’s losgeht mit groovigen Rhythmen und funkigen Basslines. Manolo und Paul an den Gitarren, Leo am Bass, Ronan und Nathan an der Percussion und Seb am Schlagzeug. Letzterer betreibt auch eine Trommelschule für Percussion-Workshops, die Beat Etage – ganz klar sind hier Überzeugungstäter am Werk. Das Sextett hat eine solide Basis an Funk, die sie ausbreitet, um darüber afrikanische Percussion zu streuen und mit Afro-Pop-Gitarren zu garnieren. Juju-Elemente und Jazz – alles geht hier zusammen. Live hat die Weltmusik-show auch alle Schäfchen im Trockenen: Die Jungs sehen in hippiesken Hawaiihemden und Tropenhüten sympathisch sommerlich aus und bringen mit ihren lockeren Vibes auch gleich alle im Publikum auf die Tanzfläche – bzw. erklären das Publikum zur Tanzfläche!
Für Fans von: Paul Simon, King Sunny Áde, Fela Kuti
Link: neverbeentoafrica.bandcamp.com
Aktueller Release: „Never Been To Africa“
Talking Heads
No-Wave aus New York
Also, das hier ist bekanntlich das Fantasy Festival 2019, richtig? Das Festival, auf dem alles möglich ist und die Bands spielen, die wir sehen wollen. Und die Talking Heads will ICH sehen – mit meinen Augen und meinem Herzen und allem, was sich zur Sinnesaufnahme eignet. Die New Yorker haben sich 1975 gegründet und sind seit 1991 offiziell aufgelöst. Obwohl sie sich im echten Leben auch nicht mehr so gern mögen – David Byrne auf der einen Seite, der Rest auf der anderen – sind sie hier beim Fantasy Festival 2019 wieder versöhnt und gehen im Backstagebereich das ein oder andere Wassereis zusammen lutschen. Auf unseren Wunsch hin haben sie auch gleich die übrigen Tourmusiker zusammengetrommelt und spielen die komplette „Stop Making Sense“-Setliste, inklusive Bühnenshow. Wer das Fantasy Festival 2019 leider verpasst oder kein Ticket mehr bekommen hat – die werden übrigens gratis verteilt, inklusive Getränkebons – der kann sich den fantastischen Doku-Film von Jonathan Demme anschauen.
Für Fans von: Talking Heads
Link: talking-heads.net
Aktueller Release: „Stop Making Sense“