Wilde Frauen vom Bach
Ganes im Interview
Die Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen sind zusammen mit ihrer Cousine Maria Moling das Poptrio Ganes. Sie kommen aus La Val in den Dolomiten, leben aber alle mittlerweile in München, Berlin oder Vorarlberg. Mit ihrem aktuellen, vierten Studioalbum ‚Caprize‘ kommen die Südtirolerinnen live am 5. März ins Wiener Porgy & Bess. VOLUME hat Elisabeth, Marlene und Maria davor zum musikalischen Ländergespräch getroffen.
Euer Bandname ist Ladinisch und bedeutet übersetzt so viel wie Nixe bzw. Wasserfee. Wie kommt’s?
Marlene: Wir haben nach einem typischen Begriff aus unserer Muttersprache gesucht, der sowohl gut klingt, aber auch für Nicht-Ladiner einfach auszusprechen ist. In unserem Ort gibt es einen Fluss, den ‚Rü da la Gana‘ – auf Deutsch ‚Bach zur wilden Frau‘. Wir haben bei einer unserer Proben aus dem Fenster gesehen und gemeinsam entschieden – so nennen wir uns!
Ihr kommt aus einem winzigen Dorf in den Dolomiten – wie können wir uns La Val vorstellen?
Maria: La Val ist ein kleines Bergdorf – mitten in den Dolomiten, auf 1300 Meter Höhe und knapp 1000 Einwohnern.
Wann musstet ihr weg aus eurer Heimat, um euch weiterzuentwickeln?
Marlene: Seit wir 18 Jahre alt sind, wohnen wir alle nicht mehr in La Val. Schon zum Studieren ging es weg von zuhause. Maria ist in München, Elisabeth in Vorarlberg und ich (Anm. Marlene) in Berlin. Es ist aber cool, sich fürs Proben oder Songtexte schreiben in unserer alten Heimat zu treffen. Natürlich ist es sehr schön dort, auch weil unsere Familien dort sind. Aber es ist uns momentan wichtig, in anderen Städten zu leben.
Wollt ihr später vollständig nach La Val zurückkehren?
Elisabeth: In der Pension vielleicht, aber nicht jetzt! Es reicht, wenn wir hin und wieder auf Familien- bzw. Kreativbesuch sind. (lacht)
Ladinisch ist ein romanischer Dialekt, den nur 30.000 Menschen in Südtirol sprechen. Hattet ihr nie Angst, somit weniger Anklang zu finden?
Maria: Es ist unsere Muttersprache, in der wir unsere Gefühle am besten ausdrücken können. Für Deutschsprachige klingt es wie eine Phantasiesprache. Fürs Radio mag es vielleicht ein bisschen schwer sein. Klar haben wir schon versucht, in anderen Sprachen zu singen – auf Französisch oder Englisch zum Beispiel. Schlussendlich sind wir aber wieder zum Ladinischen zurückgekehrt. 100.000 Bands singen auf Englisch, obwohl es nicht mal ihre Muttersprache ist. Wir sind einzigartig!
Manchmal singt Ihr aber auch auf Englisch, wie etwa beim Song „Bang Bang“ von eurem neuen Album. Wieso?
Marlene: Der Song ist auf Pseudo-Ladino-Englisch, eine reine Quatschsprache. (lacht) Früher im Kindesalter, als wir noch kein Englisch verstehen konnten, haben wir auch einfach nur das nachgesungen, was wir eben verstanden haben.
Mal singt ihr optimistisch, mal sehnsüchtig und traurig. Woher nimmt Ihr die Inspiration zu euren Texten?
Elisabeth: Manchmal überlegen wir uns im Trio ein Thema. Andere Songs entstehen auch einfach von einem Gefühl heraus. ‚Caprize‘ stellen etliche Momentaufnahmen dar, etwa Erinnerungen aus der Kindheit. Es gibt diese Fabelwesen, alte, weise Frauen, ‚Ganas‘, die erzählen, wie es früher war – wie aus Sagen oder Märchen. Auch so etwas ist inspirierend für uns. Aber auch aktuelle Themen – auf ‚Caprize‘ thematisieren wir zum Beispiel den Weltuntergang…
…der sich hoffentlich noch ein wenig Zeit lässt! Ihr wart Backgroundsängerinnen und habt bei Hubert von Goiserns Tournee Geige gespielt. Wie hat euch die Zusammenarbeit gefallen?
Maria: Es war eine sehr schöne Zeit, vor allem, weil es vor unserer Bandgründung stattgefunden hat. Wir waren wochenlang auf einem Schiff unterwegs, haben dabei viele Gastmusiker kennengelernt, wie etwa Xavier Naidoo oder spannende Bands aus der Ukraine. Das hat uns sehr viel Mut und Erfahrung gegeben, um eine eigene Band zu gründen.
Ihr alle habt Musik studiert. Wäre auch etwas ‚Seriöses‘ in Frage gekommen, um ein zweites Standbein zu haben?
Elisabeth: Daran haben wir bisher noch nicht gedacht. Musik begleitet uns einfach schon ein Leben lang – es ist ein großes Glück für uns, davon auch leben zu können.
Wäre das Genre Heimatmusik ein Etikett für das, was ihr musikalisch bietet?
Maria: Am liebsten ist uns gar keine Schublade! Wir singen zwar auf unserer Muttersprache und präsentieren diese dreistimmig, wie es für Heimatmusik üblich ist. Trotzdem glauben wir nicht, dass Ganes sofort mit den Alpen assoziiert wird.
Erklärt Ihr auf euren Konzerten den Gästen auch mal, was das nachfolgende Lied überhaupt bedeutet?
Elisabeth: Das kommt schon vor. Uns ist ja bewusst, dass wir größtenteils für ein Publikum singen, das kein Ladinisch spricht. Deshalb haben wir auf unserer Homepage ja auch etliche Lyrics übersetzt.
‚Caprize‘ ist euer viertes Album. Wie habt ihr Euch musikalisch verändert?
Marlene: Bei jedem Album versuchen wir, Neues auszuprobieren. Trotzdem wollen wir als Ganes eine persönliche Linie einhalten, die sich durch die Alben ziehen soll. Bei ‚Caprize‘ haben wir viel Zeit gehabt, um kreativ zu sein. Wir haben viele gute Songs geschrieben, um diese dann in Berlin aufzunehmen – in der ehemaligen DDR, im Funkhaus Nalepastraße. Dort haben wir mit einer sehr skurril klingenden Orgel musiziert, ein Hackbrett und ein Cello verwendet, viel Klavier und viele Streichinstrumente gespielt. All diese Bestandteile haben unser Album besonders gemacht. Wir versuchen, unsere Gefühle so gut wie möglich musikalisch darzustellen – wenn unser Publikum das genauso gut versteht, wie wir das tun, und wir sehen, dass es ankommt, dann hat unsere Philosophie funktioniert – dabei wollen wir uns durch andere nicht beirren lassen.
Bevor ihr im März live in Wien gastiert: Habt ihr Lieblingsinterpreten aus Österreich?
Maria: Mozart natürlich! Und Soap & Skin. Wir hören sehr viel unterschiedliche Musik, dabei spielt die Herkunft kaum eine Rolle.
Sehr gute Einstellung – bis bald und vielen Dank für das Interview!