Wider den Erwartungen
Bastille im Interview
Das muss den Jungs erst einmal jemand nachmachen – den großen Durchbruch in Europa feierten die britischen Indie-Popper Bastille vor drei Jahren nicht mit Politkritik oder hedonistischen Partynacherzählungen, sondern mit einem Song über einen tötenden Vulkan. „Pompeii″ war das glanzvollste Extrakt des Debüts „Bad Blood″, das ihnen respektable Festivalspielzeiten auf dem ganzen Kontinent bescherte. Mehr als drei Jahre und unzählige Shows später kehrt das Quartett mit dem Nachfolger „Wild World″ zurück und verwundert so manch altgedienten Fan mit Gitarren und HipHop. Dan Smith und Kyle Simmons beziehen dazu Stellung.
Euer Debütalbum „Bad Blood″ war ein veritabler Erfolg – bis zum Nachfolger „Wild World″ habt ihr fast dreieinhalb Jahre gebraucht …
Dan Smith: Uns war wichtig, Songs mit guter Livequalität zu schreiben. Wir haben uns auf jeden Fall weiterentwickelt und haben keine verdammte Ahnung, was jetzt passieren wird und wie es weitergeht. (lacht) Irgendwie ist es wie ganz am Anfang: Es kann einfach alles passieren und alles ist ungewiss.
Kyle Simmons: Das Album klingt wie ein Mixtape und wir haben uns die Freiheit genommen, überall dort zu experimentieren, wo unsere Interessensfelder liegen.
Die erste Single „Good Grief″ ähnelt noch am ehesten eurem Debüt – ansonsten überrascht ihr teilweise beträchtlich. Wolltet ihr bewusst aus den ausgelatschten Pfaden treten?
Smith: Wenn die Leute uns im Radio hören, glauben sie immer, wir wären so eindimensional – das waren wir in der Realität aber nie. Wir haben einen Song namens „The Draw″, den wir schon ewig live spielen und der am Ende extrem hart und brutal wird – diese Seite kennen nur treue Fans. Wir wollen die Leute aber dauerhaft überraschen und Spaß haben.
Auf „Bad Blood″ habt ihr noch gänzlich auf Gitarren verzichtet. Warum habt ihr dieses Mal die Sechssaiter eingebaut?
Smith: Wir haben endlich plärrende Gitarren verwendet, haben HipHop-Beats integriert, einfach keine Angst mehr vor neuen Instrumenten oder anderen Genres gehabt. Es wird unausweichlich so sein, dass sich einige unserer Fans damit gut anfreunden können und andere wohl abspringen werden.
Wie bereits erwähnt, kokettiert ihr auf „Wild World″ mit HipHop – wie auch Biffy Clyro unlängst. Was reizt Pop- und Rockbands heute plötzlich an dieser stilfremden Welt?
Smith: HipHop ist derzeit einfach das innovativste Genre und traut sich regelmäßig, die eigenen Grenzen niederzureißen. Du kannst HipHop so vielfältig einsetzen, er wird niemals langweilig. Wir sind immer noch eine Band, die einen Song auch auf dem Piano komponieren kann, aber wenn es zum großen Ganzen kommt, dann wollen wir auch die Anleihen von HipHop einatmen. Kanye West wiederholt sich nie und probiert immer neue Dinge. Heute existieren kaum mehr Genrebegrenzungen und die Genres kreuzen und queren sich – das finde ich verdammt cool.
Auch bei uns in Österreich füllt ihr die Hallen mit euren Hits aus dem Radio. Ist „Wild World″ der gewollte Gegenentwurf dazu?
Smith: Wir wollten niemals Radio Hits haben. Unser ganzer Erfolg ist reiner Zufall, denn was wir immer wollten, waren große Melodien. Das war aber auch schon der einzige Plan. Die Inhalte der Songs waren zudem immer schräg. Unser erfolgreichster Song „Pompeii″ dreht sich darum, wie Leute von Vulkanen getötet werden. (lacht) Auf dem neuen Album haben wir Songs, die sehr anders sind. Aber es sind immer noch Songs, die typisch nach Bastille klingen und die gleiche Produktion haben. Ich hoffe inständig, dass die Menschen unsere neue Richtung miteinschlagen und sich nicht fragen, was mit uns los ist. (lacht)
Nach dem Raketenstart eurer Karriere muss sich aber auch euer Leben fundamental verändert haben?
Simmons: Witzig ist ja, dass wir dachten, unsere dritte Single „Flaws″ katapultiert uns an die Spitze, aber da ist überhaupt gar nichts passiert. (lacht) Wir hängen noch immer mit unseren alten Freunden ab und haben jetzt mehr zu tun. Es war sicher nicht schlecht, dass uns der Erfolg nicht als 19-Jährige passiert ist.
Smith: In Großbritannien haben wir jahrelang dafür gearbeitet, Aufmerksamkeit zu bekommen. Und plötzlich gab es diesen Hit ‚Pompeii‘ und für Menschen außerhalb der Insel waren wir plötzlich auf der musikalischen Landkarte – wie irgendwo hineinexplodiert. Aber auf der Insel mühten wir uns schon länger ab. Unsere Geschichte dauert schon länger als die meisten glauben.