Wer bremst, verliert
Die Toten Hosen im Interview
Frei nach dem Motto ihrer anstehenden Tour und dem gleichzeitigen Titel dieses Interviews holen Die Toten Hosen heuer ihren im letzten Jahr ausgefallenen Auftritt am Nova Rock Festival nach. Dass man nach über 30 Jahren im Business gewisse Dinge aber auch mal langsamer angehen muss, dass Sex, Drugs & Rock’n’Roll sich verändert haben und dass Punk bis heute die treibende Kraft der Opel Gang ist, hat uns Bassist Andi erklärt. Und mit dem angeblichen Ärzte-Hosen-Konflikt hat er auch ein für alle Mal aufgeräumt.
Eure kommende Tour steht unter dem Titel „Wer bremst, verliert“. Wie darf man diesen verstehen und inwiefern wollt ihr die nächsten Jahre noch im selben Tempo weitermachen?
Der Titel ist natürlich mit ein bisschen Augenzwinkern zu verstehen. Es geht aber schon darum, dass man immer versucht, Vollgas zu geben – im übertragenen Sinne. Man soll einfach versuchen, das Beste aus allem zu machen. So ist der Titel zum Teil gemeint, aber er ist natürlich auch ironisch. (lacht)
Ihr habt seit 2008 auch einen Physiotherapeuten mit auf Tour. Wie wichtig ist es mittlerweile, auf sich selbst zu achten?
Ich glaube, das hat inzwischen jede Fußballmannschaft in der vierten Liga. Wenn man unterwegs ist, muss man sich fit halten. Da ist es ganz gut, wenn man jemanden dabei hat, der sich um ein paar Sachen kümmert. Es ist aber nicht so, dass da jetzt eine gesamte Gesundheitsabteilung mitfährt.
Habt ihr Tipps, um jung zu bleiben?
Dafür gibt es sicherlich nicht das eine gültige Rezept und ich weiß auch gar nicht, ob das auf uns zutrifft, aber wir achten inzwischen einfach mehr auf uns. In den 80er Jahren war das anders, da waren wir oft benebelt und nicht jeden Abend in Topform. Heutzutage haben wir schon den Anspruch, fit auf die Bühne zu gehen. Ich mache mir jetzt aber keine großen Sorgen. Es gibt genügend noch ältere Beispiele, wie etwa Iggy Pop oder Nick Cave, die noch sehr agil auf der Bühne sind. Es gibt also Hoffnung, dass es noch eine Weile so weitergehen kann.
Und wie steht es um Sex, Drugs & Rock’n’Roll?
Sex, Drugs & Rock’n’Roll ist alles Quatsch – da passiert gar nichts. (lacht) Früher haben wir wirklich in allen Belangen Gas gegeben. Das tun wir heute nicht mehr. Es nützt niemandem, wenn du am Vortag so hart Party machst, dass du am nächsten Tag ein schlechtes Konzert spielst. Und wenn die Tour zu Ende ist, kannst du ja immer noch feiern.
Was bedeutet Punk für euch heute?
Punk ist auf jeden Fall der Grund, warum es uns überhaupt gibt. Es ist die Musikrichtung, die wir lieben. Es gibt inzwischen unzählige verschiedene Strömungen, aber es hat über die Musik hinaus auch viel mit unserer DNA als Band zu tun – also wie wir unsere Eintrittspreise gestalten, wie wir mit Leuten umgehen, welche politische Haltung man hat, einfach wie wir uns verhalten. Da hat Punkrock für uns nach wie vor eine ganz große Bedeutung.
Wie wichtig sind dann Genrebezeichnungen eigentlich noch?
Im Prinzip sind sie nicht so wichtig. Ich würde nie sagen, ich höre mir ein Genre auf keinen Fall an. Gute Musik kann für mich alles Mögliche sein – von Reggae und Rock über ganz langsame Nummern, und auch in der Klassik gibt es super Stücke. Ich finde es gut, dass die Grenzen verschwimmen. Das ist etwas absolut Positives und kann sehr bereichernd sein. Ich denke, bei den Toten Hosen hörst du aber trotzdem immer noch, dass wir das sind.
Was ist der Schlüssel eures langanhaltenden
Erfolges?
Schwer zu sagen. Vielleicht ist es für uns vorteilhaft, dass wir uns schon vorher kannten und Freunde waren. Doch warum das jetzt erfolgreich ist, ist selbst wirklich schwer zu beurteilen. Das hat oft mit Zufällen und Glück zu tun … wann du was machst oder zufällig durch die richtige Tür läufst. Vielleicht ist Erfolg einfach schwer zu analysieren.
Ihr seid ja Stammgäste am Nova Rock Festival. Was verbindet ihr mit den Pannonia Fields?
Ja, wir waren schon oft dort und hatten immer viel Spaß. Ich habe den Eindruck, dass die Leute am Nova Rock eine gute Zeit haben und feiern können. Das ist für mich das Hauptkriterium bei Festivals. Leider mussten wir letztes Jahr absagen, weil Campino einen Gehörsturz hatte. Umso mehr freuen wir uns, dass wir es dieses Jahr nachholen können.
Angeblich spielt ihr das erste Mal gemeinsam mit Die Ärzte auf einem Festival. Stimmt das?
Nein, wir spielen nicht zum ersten Mal gemeinsam. Das ist so nicht ganz richtig. Wir haben schon mal gemeinsam in zwei Clubs in Düsseldorf und Berlin unter falschen Namen gespielt. Wir waren damals „Essen auf Rädern“ und sie waren „Die Zu Späten“. Das war aber streng genommen kein Festival, insofern ist es dann doch wieder korrekt. Wir freuen uns aber auf jeden Fall schon drauf.
Der Konflikt „Ärzte vs. Hosen“ ist somit nicht mehr so aktuell, wie er oft dargestellt wird?
Inzwischen ist es sehr entspannt. Rod war zum Beispiel bei uns in Berlin auch auf der Bühne. Und die Schnittmengen sowohl bei den Fans als auch bei den Leuten, die uns umgeben, ist sehr hoch. Die Differenzen sind lange vorbei.
Zum Abschluss: drei Festivaltipps von erfahrenen Punkrockern?
Man sollte sich genau merken, wo sein Zelt ist, genügend Verpflegung dabei haben und auf jeden Fall ein paar Kopfschmerztabletten. (lacht)