Mo., 10. Feb. 2025

"Weil das eben wirklich kein Egoismus ist!"

Interview mit Mira Lu Kovacs

Am Florieren zwischen musikalischer Intimität, experimentellem Sound,  großen Theaterbühnen und der eigenen Badewanne: Mira Lu Kovacs bewegt sich dorthin, wo es sich für sie richtig anfühlt. Ihr neues Album Please, Save Yourself setzt als Plädoyer zur Selbstfürsorge auf bewusste Reduktion – und doch steckt darin eine Wucht, die nachhallt. Wie gelingt es ihr, mit wenigen Elementen maximal zu berühren? Und welche Gefühle warten noch darauf, in ihre Musik zu fließen? Wir haben die 15 Minuten zwischen Theaterproben für ein kleines, aber sehr feines Gespräch genutzt.

(c) Ina Aydogan

Mira, du bist gerade am Landestheater Linz involviert. Was genau machst du dort – und wie unterscheidet sich diese Arbeit von deinen sonstigen Projekten?

Gerade erfülle ich mir ja ein bisschen meinen Musical-Traum. Für Broken Circle habe ich die Musik komponiert, mit an der Choreografie gearbeitet und stehe sogar selbst auf der Bühne. Jedes Projekt, an dem ich arbeite, ist unterschiedlich, weil ich in verschiedenen Rollen agiere. In diesem Fall bin ich nicht nur als Musikerin, sondern auch als Performerin und Teil eines großen Theaterbetriebs involviert – und das ist echt eine ganz andere Welt. Es ist chaotisch, organisch, oft unberechenbar. Ich arbeite viel mehr für etwas oder jemanden, nicht nur für meine eigene Vision, sondern für eine gemeinsame. Ich lerne dabei wahnsinnig viel – zum Beispiel darüber, wie Musik in einem Theatersaal funktioniert, wie gesprochener Text und Sound sich ergänzen müssen. Man erschafft Atmosphären – genau das ist für mich Theater.

Dein neues Album heißt Please, Save Yourself. Das klingt wie eine dringende Aufforderung zur Selbstfürsorge. Welche Strategien nutzt du persönlich, um in herausfordernden Zeiten auf dich selbst Acht zu geben?

Da brauche ich meine Rituale. Ich bin ein totaler Gewohnheitsmensch und starte meinen Tag am liebsten ganz in Ruhe. Wenn ich mich von außen stressen lasse, wird’s gefährlich. Als verlässlichen Ausweg gibt es da noch meinen Safe Space: meine Badewanne. Ich nehme, wenn ich kann, mindestens ein Bad pro Tag. Das ist mein Reset-Button. In dem Moment schalte ich meinen Kopf und meinen Körper ab und tanke Energie. Und ich brauche Zeit allein – das ist für mich essentiell.

(c) Ina Aydogan

Minimalismus zieht sich nicht nur durch deine Musik, sondern auch durch dein Leben. Wie setzt du dieses Prinzip im Alltag um?

Ich bin wahnsinnig privilegiert – ich lebe in Frieden, ich habe ein Zuhause, das mir genug ist, meine Badewanne – und ich kann das tun, was ich liebe. Dafür brauche ich keine Luxusreisen, keine zwei Urlaube im Jahr, also vielleicht kommt hier der Minimalismus ein wenig raus. Ich bin ein großer Fahrradfan und meide Flughäfen, weil mich Menschenschlangen stressen. Dann lieber öfter ins Grüne radeln. Das tut auch meiner Kreativität gut.

Den Minimalismus mal beiseite: Gibt es Aspekte in deinem kreativen Prozess, die maximalistisch sind – Dinge, auf die du obsessiv Wert legst?

Ich würde sagen, gerade weil ich so viel weglasse, ist alles, was bleibt, umso wichtiger. Meine Soloalben sind oft akustisch gehalten, manche nennen sie „folky“ oder „countryesk“ – ich sehe es eher als minimale Besetzung mit maximaler Wirkung. Und da sind einzelne Elemente sehr wichtig – zum Beispiel die Drums. Ich spiele selbst ein bisschen, also ist mir bewusst, wie viel damit steht oder fällt. Jedes Element ist durchdacht und absichtlich vorhanden und meistens weiß ich genau, wie ich es haben will. Und dann ist da noch der Kitsch – den schreibe ich groß! Ich finde, große Gesten sollte man nicht verstecken. Ich liebe es, wenn Leute sich trauen, diese Emotionen zuzulassen.

Viele Menschen, die Musik machen, schreiben ja Songs, um komplexe Emotionen zu verarbeiten. Gibt es ein Gefühl, das du bisher nicht in Musik ausdrücken konntest?

Hm.. Eifersucht habe ich, glaube ich, noch nicht wirklich ehrlich thematisiert. Und echte Freude könnte ich nochmal neu definieren. Ich finde, es gibt wenig Musik, die Freude so einfängt, dass sie nicht künstlich oder gar überladen wirkt. Björk kann das. Sie schafft es, Freude in Klänge zu gießen, ohne sie zu zerreden. Und naja, vielleicht bräuchten wir auch eine neue Art, Wut auszudrücken – eine, die eloquent und zielführend ist. Gerade in diesen Zeiten, in dieser politischen Situation, wäre das wichtig. 

(c) Ina Aydogan

Wenn jemand dein Album hört – was wäre der eine Satz, den du gerne von ihnen hören würdest?

„Wenn wir alle mehr priorisieren würden, dass es uns mit uns selbst gut geht, ist das nichts Egoistisches, sondern gut für die Welt.“

Dann glaube ich, hätte die Person verstanden, worum es mir geht. Weil das eben wirklich kein Egoismus ist! Sich um sich selbst zu kümmern, ist die Grundlage für echte Kommunikation, für Empathie, für andere Personen und Perspektiven offen zu sein. Und ich glaube, dass, wenn wir uns darauf konzentrieren würden, sich daraus eine viel menschlichere Art des Miteinanders ergeben könnte. Leider entfernen wir uns gerade eher davon – besonders für Menschen in ärmeren Schichten ist Selbstfürsorge oft gar nicht möglich. Die Politik, so wie sie heute läuft, trennt uns immer mehr voneinander. Es wäre schön, wenn meine Musik mit einem kleinen Anteil dazu beiträgt, dass wir wieder mehr zusammenfinden.

Danke dir und viel Erfolg bei der Produktion!