VOLUME Backstage mit Ewald Tatar
Ein Blick hinter die Kulissen der Musikbranche
Wer als erster und einziger Festivalveranstalter überhaupt sowohl Die Ärzte als auch Die Toten Hosen in seinem Line-up stehen hat, kann so viel nicht falsch machen. Oder? Ewald Tatar ist mittlerweile selbst zu einer Legende der österreichischen Veranstalterbranche geworden und feiert mit seinem Nova Rock heuer 15-jähriges Jubiläum. Angefangen hat er seine Festivalkarriere schon in den 8oer Jahren mit einer Rolle Klopapier und einem Doppler Wein – im übertragenen Sinne. Im Gespräch mit VOLUME verrät der erfolgreichste Konzertveranstalter Österreichs seine größten Festivalmomente und teilt seine ehrliche Marktexpertise.
Teil 1 – Jobportrait: Festivalveranstalter
Was ist deine offizielle Jobbezeichnung?
Das ist eine gute Frage. (lacht) Ich bin Geschäftsführer und habe ein paar „Unterjobs“ – zum Beispiel als Booker. Ich bin in vielen Bereichen zuhause. Die eine Jobbeschreibung gibt es eigentlich nicht, aber hochoffiziell bin ich CEO der Barracuda Holding.
Was macht dein Unternehmen genau?
Wir sind Konzert- und Festivalveranstalter. Wir veranstalten einige der größten Festivals des Landes – wie das Nova Rock oder FM4 Frequency – und pro Jahr circa 400-500 Konzerte. Angefangen von kleinen Clubshows bis hin zu Stadionproduktionen.
Wie würdest du jemandem, der keine Ahnung von der Branche hat, deinen alltäglichen Job beschreiben?
Jeder Tag ist anders. Es poppen immer andere Probleme auf. Kurz: Es gibt einfache Tage und schwierige Tage, wie in jedem anderen Job auch.
Wie bist du in die Branche gerutscht?
Angefangen hat es damit, dass ich reger Diskobesucher war und mich irgendwann mal sehr frech selbst als DJ aufgedrängt habe. Das war für mich der Startschuss im Musikbusiness. Ich habe dann begonnen, bei kleinen Festivals mitzuarbeiten und bin eigentlich erst draufgekommen, dass ich Veranstalter bin, als ich es schon längst war.
Hast du klassische Arbeitszeiten?
Klassische Arbeitszeiten gibt es in meinem Beruf nicht. Manche Tage beginnen früh und hören spät auf. Andere beginnen sehr früh und hören sehr spät auf. Und manche Tage sind kurz. (lacht)
Welche Ausbildung würdest du Leuten empfehlen, die deinen Job machen wollen?
Schwer zu sagen. Zu meiner Zeit hat es dafür noch keine Ausbildung gegeben. Ich wollte eigentlich immer Tierarzt werden, die Berufsbezeichnung Veranstalter habe ich gar nicht
gekannt. Inzwischen gibt es viele Kulturmanagementzweige,
in denen Basiswissen kommuniziert und gelehrt wird, was definitiv positiv ist.
Was sollte man an Vorerfahrung mitbringen?
Fakt ist, dass man eine Ahnung von Konzerten und Festivals haben sollte. Im Idealfall ist man selbst bereits darin involviert. Darüber hinaus ist ein gutes Bauchgefühl extrem wichtig. Man sollte aber vorsichtig sein und sich nicht nur von seinem eigenen Geschmack leiten lassen.
Welche Qualifikationen sollte man für den Job haben?
Ich glaube, dass ein Veranstalter gut strukturiert arbeiten muss. Wenn er oder sie wirklich erfolgreich sein will, muss man in gewisser Weise ein Perfektionist sein.
Dein Tipp an alle, die im Musikbusiness durchstarten wollen?
Vorsichtig sein. Man kann sehr schnell sehr viel Geld verlieren.
Teil 2 – Ewald Tatar im Portrait
Wenn jemand so etwas beurteilen kann, dann unter anderem du: Welcher Band würde Ewald Tatar den Preis für den besten Festivalauftritt auf einer österreichischen Freiluftbühne verleihen?
Schwierig und natürlich subjektiv, hier nur eine Show hervorzuheben. Unvergessen bleiben diese drei Festivalmomente für mich: Metallica haben mir 2006 – und mit Sicherheit den fünfzigtausend anderen Fans am Nova Rock ebenfalls – ein ganz besonderes Gänsehautgefühl gegeben. Beim letztjährigen Frequency war es für mich eindeutig Macklemore, der die von vorne bis hinten perfekte Show abgeliefert hat. Da ist alles dabei gewesen, was man von einem Headliner erwartet! Ein persönliches Highlight und prägendes Erlebnis bleibt für mich der Auftritt von Manu Chao 2001 in Wiesen beim Groove Quake. Bis heute habe ich nichts Vergleichbares gesehen, was Kraft, Energie und vor allem Länge einer Festivalshow betrifft.
Wie fühlt es sich an, auf der Bühne seines eigenen Festivals zu stehen, in die glücklichen Gesichter zu blicken und zu wissen, ich bin dafür verantwortlich?
Dankbarkeit und Demut sind meine zwei wichtigsten Gefühlsbegleiter während des Festivalbetriebs. Auch wenn bei solchen Veranstaltungen die ganz großen Glücks- bzw. Musikmomente im Vordergrund stehen, zählt für mich in erster Linie, dass alles gut und vor allem sicher über die sprichwörtliche Bühne geht. Diese innere Anspannung lässt das erste Mal so richtig nach, wenn der letzte Headliner angefangen hat zu spielen. Dann kann ich das Ganze auch ein stückweit genießen. Richtig entspannen und runterkommen geht aber erst am Montag danach beim Mittagessen, wenn alle Besucher und Besucherinnen das Gelände wieder heil verlassen haben.
Konzerte und Festivals haben sich in den vergangenen Jahren zu wirtschaftlich sehr attraktiven Geschäftsfeldern entwickelt, der österreichische Markt ist von in- und ausländischen Unternehmen heiß umkämpft. Wie nimmst du die Entwicklungen wahr?
Aus Konsumentensicht kann es prinzipiell nur gut sein, wenn viele verschiedene Anbieter um die Gunst des Publikums bemüht sind. Wobei der Festivalmarkt in Österreich per se
vor ein paar Jahren mit Angeboten überstrapaziert wurde. Davon konnten weder die Konsumenten so richtig – und schon gar nicht
die Veranstalter selbst – profitieren. Jetzt lichtet sich dieses Marktsegment wieder in eine positive, stabile Zukunft.
Verdient man heute mit Festivals besser oder schlechter als noch vor 10 Jahren?
Sowohl als auch! Es gab in den vergangenen Jahren einige Veranstaltungen, die sehr gut verdient haben. Dann sind aber auch immer wieder Festivalsaisonen dabei, bei denen Geld
verloren wird. Ich glaube nicht, dass der Zeitfaktor einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Festivals hat, sondern eher die Verfügbarkeiten von Headlinern und die Gesamtattraktivität
des jeweiligen Line-Ups den Erfolg bestimmen. Aktuell schauen die wirtschaftlichen Prognosen für unser Unternehmen gut
aus, da sich der Markt, wie bereits erwähnt, stabilisiert.
Sind die Besucher und Besucherinnen heutzutage anspruchsvoller geworden im Vergleich zu früher?
Definitiv! Ich habe Anfang der Achtziger meine ersten Festivalerfahrungen gemacht. Damals waren die wichtigsten und zum Teil auch einzigen Utensilien eine Rolle Klopapier und ein Doppler Wein. Das kann sich heute niemand mehr vorstellen! Muss aber auch zum Glück niemand. Wir legen bei unseren Festivals großen Wert auf Innovationen. Dabei spielt Komfort für unser Publikum eine ganz wichtige Rolle, die Nachfrage nach adäquaten Angeboten wie unter anderem Glamping steigt.
Beim Nova Rock gibt’s 2019 erstmals einen eigenen Campingplatz nur für Frauen. Warum?
Warum nicht? Wir setzen einen gewissen Respekt untereinander bei unseren Festivals voraus. Der Campingbereich namens „grrrls Camping“ ist die einfache Antwort auf Feedback unserer Besucherinnen – nicht mehr und nicht weniger! Es gab ja nach unserer Ankündigung, diesen eigenen Bereich zu schaffen, durchaus angeregte Diskussionen über die Sinnhaftigkeit der Maßnahme. Danke dafür! Aber uns geht es hier nicht um Geschlechtertrennung oder Hochsicherheitsanlagen,
sondern um gewünschten Wohlfühlkomfort. Darum probieren wir das Ganze jetzt einfach mal aus.
Beim 15-jährigen Jubiläum vom Nova Rock spielen sowohl Die Ärzte als auch Die Toten Hosen – ein einzigartiges Phänomen im deutschsprachigen Festivalraum. In welchem Team spielt Ewald Tatar? Hosen oder Ärzte?
Definitiv in beiden! Ich habe in der Historie des Nova Rock Festivals sowohl Die Toten Hosen als auch Die Ärzte unabhängig voneinander präsentieren dürfen. Dass diese Legenden jetzt gemeinsam im Line-Up stehen, wird definitiv in die Geschichtsbücher eingehen.
Wir freuen uns auf ein legendäres Jubiläum am Nova Rock. Danke für das Gespräch!