Mi., 9. Apr. 2025

"Uns war klar: Wir haben nur drei Songs – also drei Chancen, zu zeigen, was wir sind."

Interview mit Afik von Kipod

Auf den Flügeln der Yellow Butterflies von Tel Aviv nach Graz und Wien: Afik Eshel und seine Band Kipod bringen das heimische Parkett mit Pop, Experiment und orientalischen Motiven zum Trance-Tanzen und Mitsingen – sogar in Hebräisch. Beim Local Heroes-Contest Styria überzeugten sie mit Sound, Stil und musikalischen Twists – und stehen jetzt, im Finale der Planet Festival Tour, kurz vor dem nächsten Level Up. Ein Gespräch mit VOLUME über musikalisches Nomadentum, Secondhand-Hemden, bewussten Kontrollverlust auf der Bühne und therapeutische Songs.

(c) Vanessa Hechenberger

Afik, ihr habt im November mit Kipod den Local Heroes Contest in der Steiermark gewonnen. Wie habt ihr das geschafft?

Uns war klar: Wir haben nur drei Songs – also drei Chancen, zu zeigen, was wir sind. Nicht nur musikalisch, sondern auch als Idee, als Energie. Unser Drummer Daniel hat gesagt: „Do it 100%“ – und das haben wir ernst genommen. Es war unser erster Auftritt vor einem größeren Publikum, mit professioneller Jury und hosted by Soundportal, und wir wollten zeigen: Das ist Kipod. Das ist unsere Welt. In diesen 15 Minuten sollte man uns als Band verstehen können.Jetzt stehen wir im Final Big Bang der Planet Festival Tour und spielen am 17. Mai. Dazu laden wir herzlich ein.

Was bedeutet das konkret – was habt ihr gezeigt?

Unsere Songs sind sehr unterschiedlich, aber sie folgen alle einer inneren Logik. Einer war eher verspielt, fast experimentell. Einer hatte diese orientalischen Harmonien, die mich geprägt haben. Und einer war einfach catchy – aber mit einer doppelten Ebene. Wir wollten das gesamte Spannungsfeld zeigen, zwischen Pop und Tiefe, zwischen Eingängigkeit und Ausgefallenem. Wir haben uns auch dementsprechend gestylt: Ich persönlich trage gerne Kleidung, die mir hilft, die Energie und Farbigkeit meiner Musik auszudrücken. Meistens sind es dann Vintage oder Second Hand-Frauen-Shirts. Stephanie, meine Freundin, hat die gesamte Band auch sehr unterstützt, was den Kleidungsstil und den allgemeinen Look angeht, um die Identität der Band visuell klarer zu machen.

(c) Vanessa Hechenberger

Was bedeutet Erfolg für dich – und was macht Kipod aus deiner Sicht besonders?

Ich konzentriere mich nicht auf Erwartungen, sondern auf das, was ich beeinflussen kann. Für mich ist jedes Element – vom Song über die Performance bis zum Styling – eine Möglichkeit, etwas besser, klarer, ehrlicher zu machen. Ich denke in Entwicklung, nicht in Bewertung. Kipod ist für mich ein Projekt mit echtem Wachstumspotenzial – als Band, aber auch als Individuen. Wir sind international, wir mixen Ost und West, wir schreiben Pop-Melodien, die zugänglich sind – aber immer mit einem Twist. Kein Sample-Sound, keine Konfektionsware – alles echt, quirky und verspielt. 

Du singst auch in deiner Muttersprache?

Ich liebe es, einige Lieder auf Hebräisch zu singen, eine Sprache, die die meisten meiner Zuhörenden nicht verstehen. Vor allem ein Lied, mit dem ich meine Auftritte oft beende, ist zu einem Fan-Liebling geworden (es wird diese Tage aufgenommen) und heißt „En A’lea“, was so viel bedeutet wie „Sie ist die Beste“. Diesen Satz in meiner Muttersprache mit dem Publikum mitzusingen, ist eine wirklich kraftvolle und verbindende Erfahrung – die Leute verstehen nicht jedes Wort, aber sie spüren die Energie und die Stimmung. So etwas berührt mich, weil es mich daran erinnert, mich nicht selbst zu begrenzen. Früher war ich kontrollierter, analytischer – war mehr Actor als echter Musiker. Heute lass ich mich fallen. Ich bin vorm Auftritt nicht nervös, ich bin ekstatisch. Dann weiß ich: Ich bin genau richtig hier. Im besten Fall entsteht für alle Anwesenden dieser tranceartige Zustand, der alles besonders macht. Genau das suche ich – immer wieder.

(c) Clarissa Sopper

Eure Single „Yellow Butterflies“ – was steckt dahinter?

Zuerst möchte ich mich bei Nikolaus Waltersdorfer von Candlelight Ficus und Michael Gamweger bedanken, die der Band und mir wirklich geholfen haben, unsere Vision des Songs zum Leben zu erwecken“. Der Text basiert eigentlich auf einem Lied, das ich zuerst auf Hebräisch geschrieben habe und das sich durch den Prozess der Übersetzung ins Englische zu etwas Tieferem und Universellerem entwickelt hat. In dem Lied geht es wirklich um den Kampf, herauszufinden, was wahr ist oder nicht, wem man vertrauen kann oder nicht. Ein Weckruf UND eine Aufforderung zum Handeln. Obwohl er also ein ziemlich schweres Thema und einen schweren Groove hat, finde ich, dass er ein hoffnungsvoller und ermutigender Song ist. Max beschreibt ihn als seinen „therapeutischen“ Song – was bedeutet, dass er hilft, eine Menge aufgestauter Energie auf gesunde Weise loszulassen. Auch wenn der Text ziemlich abstrakt ist, was ihn für mich leichter nachvollziehbar macht – jeder kann ihn auf seine eigenen Lebensherausforderungen beziehen.

Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

Ich bin in Israel aufgewachsen, nahe Tel Aviv. Musik war immer da, aber ich hab lange gebraucht, um meine Form zu finden. Ich hab mit dem Horn angefangen, aber nie wirklich Zugang gefunden. Dann ein paar Gitarrenstunden, irgendwann hab ich einfach selbst begonnen, Songs zu schreiben. Viel aus dem Kopf raus – Selbstzweifel, innere Dialoge, Geschichten. Meine Mutter hat mich da sehr unterstützt. Sie hat mich motiviert, mich künstlerisch auszudrücken, ohne mich zu verstecken. Das Schreiben war wie ein Selbstgespräch – aber irgendwann wurde klar: Das reicht mir nicht. Ich wollte, dass andere mitdenken, mithören, mitfühlen.

Wie wurde daraus Kipod?

Ich bin 2017 nach Graz gezogen, hab anfangs viel im Hintergrund gearbeitet, zum Beispiel für Musikprojekte Kamera gemacht. Ich war immer nah dran an Künstler:innen, aber nicht mittendrin. Irgendwann hat Robin, unser Percussionist, ein Instagram-Reel von mir gesehen und gesagt: „Daraus muss was entstehen.“ Und so hat sich alles gefügt. Heute sind wir fünf: Daniel aus Österreich, Eren aus der Türkei, Maximilian aus Südtirol, Robin aus Liechtenstein – und ich. Alle bringen ihre eigene Geschichte mit, ihre Sounds, ihre Perspektiven. Es ist ein bisschen wie kulturelle Alchemie. Wir basteln nicht an einem Sound – wir leben ihn.

Du beschreibst dich als Nomaden. Was bedeutet das in Bezug auf die Musik?

Ich fühl mich zu Menschen hingezogen, die unterwegs sind – nicht nur geografisch, auch innerlich. Die offen sind, sich zu verändern. Unsere Musik ist ein bisschen wie so eine Reise: Du weißt nicht genau, wo du landest, aber du willst mitgehen. Es gibt keine starre Struktur, keine Schublade. Kipod ist organisch. Und diese Offenheit spüre ich auch gern vom Publikum – weil wir vieles mischen, eben auch Sprachen. 

(c) Markus Pawlata

Wie gehst du kreativ vor? Gibt es eine Vision?

Ja, ganz klar. Ich bin kein Spezialist, aber ich sehe Potenzial – in Menschen, in Ideen, in Gefühlen. Ich geb oft ein Bild und eine Idee vor, wie bei „Yellow Butterflies“, und die Band – mit musikalischer Expertise – entwickelt daraus einen ganzen Song. Ich bin sehr direkt mit meinem Feedback, aber offen für alles, was daraus wird. Für mich ist Musik ein Spielplatz, aber kein beliebiger. Ich liebe Melodien, die man sofort mitsingen kann – aber sie sollen nie platt sein. Wir arbeiten ohne Samples – das macht es manchmal anstrengender – aber auch echter.

Euer nächster großer Auftritt steht bevor – worum geht’s bei der Planet Festival Tour?

Am 17. Mai spielen wir im Wiener Gasometer – gemeinsam mit zwölf anderen Bands, die in anderen Teilen Österreichs Playoffs für die Planet Festival Tour gewonnen haben. Es ist für uns das nächste Level. Und wir wollen, dass möglichst viele Leute das miterleben. Deshalb organisieren wir Busse – aus Graz, aus Ybbsitz, mit einem Zwischenstopp in Wieselburg. Wir verdienen nichts dran, das ist nicht der Punkt. Wir wollen verbinden. KIPOD ist für uns eine Reise – und je mehr Leute mitfahren, desto schöner wird sie.

(c) Vanessa Hechenberger

Wer Kipod live erleben will, klicke hier:

Planet Festival Tour– 17.05., Gasometer Wien
Tickets: 18 €, Bus + Ticket im Kombipaket bis 17.4 early bird für 39 € (danach 48 €)
Busse ab Graz & Ybbsitz (mit Stopp in Wieselburg)
Tickets online bis 11.5.