Mi, 21. Aug 2024
Third Culture: Graz kriegt ein neues Event

Third Culture: Graz kriegt ein neues Event

"Aber woher kommst du wirklich?" Drittkultur als Identität

Graz steht vor einer Bereicherung seines Veranstaltungskalenders. Unter dem Titel „Third Culture“ entsteht ein Event, um auf ein allgegenwärtiges Phänomen aufmerksam zu machen. Ein Phänomen, das Identitäten prägt und Lebensweisen formt: die Drittkultur.

Sich diesem Thema auf kreative Weise zu widmen, klingt nicht nur interessant, sondern auch sinnvoll – und soll der Start einer Reihe werden. Wir haben uns mit einer der vier Organisator*innen getroffen.

(c) Elena Laaha

„Third Culture“ ist ein Begriff, der viele Assoziationen weckt. Könntest du uns mehr über die Intention hinter dem Event erzählen?

N: Viele von uns, die nach Österreich immigriert sind oder hier als Kinder von Migrant*innen geboren wurden, teilen die gleichen Erfahrungen. Wir alle kennen diese Fragen: „Aber woher kommst du wirklich?“ oder die Bemerkung „Dafür kannst du eh gut Deutsch.“ So etwas ist ein Ausdruck unseres Verlorenseins – und genauso unserer enormen Anpassungsfähigkeit. Man schafft eine eigene Kultur zwischen Familie und dem Land, in dem man seine prägenden Jahre verbringt – eben die dritte Kultur.

„Dafür kannst du eh gut Deutsch.“

Vielleicht schaffen wir es, eine neu empfundene Gemeinschaft zu bilden, die auf individuellen, aber vor allem geteilten Wahrnehmungen basiert. Unser Event soll diesem Phänomen Raum geben. Mit „Third Culture“ möchten wir als Kollektiv einen Raum schaffen, der den interkulturellen Austausch und gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Drittkultur“ ´fördert. Tickets sind bei uns erhältlich.

Warum habt ihr euch entschieden, bei der Veranstaltung „Third Culture“ nicht namentlich aufzutreten?

N: Wir sehen „Third Culture“ als ein kollektives Erlebnis, das die Geschichten und Erfahrungen vieler Menschen erzählt. Es ist uns wichtig, dass sich das Event nicht um einzelne Personen dreht, sondern um die Idee und die Bewegung, die wir gemeinsam vorantreiben.

Was erwartet Besucher*innen am 7. September im Jugend- und Kulturzentrum Explosiv?

N: Am 7. September wollen wir im Explosiv in Graz genannte Erfahrungen anerkennen und gleichzeitig unsere Gemeinsamkeiten feiern. Wir beginnen um 18:00 Uhr mit einem Screening in der Veranstaltungshalle, bei dem Künstler*innen eingeladen sind, ihre Sicht auf das Thema Third Culture durch Fotografie und Videokunst zu teilen – wenn wer mitmachen will, gerne bei uns melden! Es gibt auch ein kulinarisches Angebot, das unsere verschiedenen Wurzeln widerspiegelt. Wir haben Köche und Köchinnen eingeladen, die Gerichte aus ihren Heimatländern zubereiten und mitbringen werden – vom Balkan bis Nigeria.

„…wenn wer mitmachen will, gerne bei uns melden!“

Im Außenbereich des Explosiv wird es dann einen interaktiven Austausch geben, wo wir durch Interviews und Collagenarbeit die wahrnehmbarsten Bereiche einer Drittkultur beleuchten möchten. Als Höhepunkt des Abends gibt es im Innenbereich ab 22:00 Konzerte von den Rappern Sesa, Kizmet und Al Pone.

(c) Elena Laaha

Musik nimmt bei „Third Culture“ also eine zentrale Rolle ein. Was können wir erwarten, und welche Bedeutung hat Musik für das Event?

N: Sesa, Kizmet und Al Pone sind allesamt talentierte Künstler, die ihre eigenen Erfahrungen als Third Culture Kids in ihrer Musik verarbeiten. Sie bringen nicht nur ihre persönlichen Geschichten ein, sondern repräsentieren auch die Vielfalt kultureller Einflüsse, die sie geprägt haben.

Die Bühne wird also zu einer Plattform, auf der wir die verbindende Kraft der Musik erleben können, quer durch alle Kulturen hinweg. Wir glauben, dass jeder im Publikum etwas aus der Musik mitnehmen kann, egal ob man direkt Teil einer Drittkultur ist oder nicht. Musik ist immerhin eine universelle Sprache, die das Potenzial hat, Brücken zu bauen und den Blick aus anderen Perspektiven zu eröffnen.

Du hast erwähnt, dass sich im Laufe des Aufwachsens und Lebens hier gewisse Fragen gestellt haben. Welche Fragen sind das und wie beeinflussen sie euer Projekt?

N: Wir alle, die wir uns als Teil der „Third Culture“ sehen, stehen oft vor ähnlichen Fragen: Wo gehöre ich hin? Wie verbinde ich die verschiedenen Teile meiner Identität? Diese Fragen begleiten uns und formen unsere Perspektive auf die Welt. Im Laufe unseres Lebens suchen wir nach Antworten, die nicht immer leicht zu finden sind. Es geht um Zugehörigkeit, um das Verständnis unserer eigenen Geschichte und darum, wie wir uns in der Gesellschaft positionieren. Diese Auseinandersetzung prägt uns und lässt uns manchmal zwischen den Stühlen sitzen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, „Third Culture“ ins Leben zu rufen?

 

N: Die Idee für das Event entstand in etwa 10 Minuten. Wir haben über unsere eigenen Erfahrungen gesprochen und festgestellt, dass wir uns in den bestehenden kulturellen Angeboten in Graz nicht wirklich wiederfinden. Wir wollten etwas schaffen, das uns repräsentiert und gleichzeitig anderen die Möglichkeit gibt, ihre Geschichten zu erzählen. Wir wissen ja, dass wir damit nicht alleine sind.

(c) Elena Laaha

Wie ist das Feedback bisher?

N: Die Resonanz ist sehr positiv. Viele Menschen, die sich akademisch oder persönlich mit Interkulturalität beschäftigen, finden die Idee spannend. Und auch Leute, die selbst Teil dieser „Dritten Kultur“ sind, fühlen sich angesprochen. Das freut uns und wir hoffen, viele von ihnen schauen vorbei.

Guter Punkt: Das „Third Culture“ Event scheint sich stark auf die Erfahrungen von Menschen zu konzentrieren, die zwischen den Kulturen aufgewachsen sind. Ist das Event auch für jene gedacht, die sich nicht direkt mit dem Begriff identifizieren können?

N: Klares JA. Obwohl „Third Culture“ aus den Wahrnehmungen derjenigen entstanden ist, die in mehr als einer Kultur groß geworden sind, ist unser Event definitiv für alle offen. Jeder Mensch hat eine Beziehung zu Kultur und Identität – sei es durch persönliche Geschichten oder durch Beobachtungen im eigenen Umfeld. Zum Beispiel hat unsere Fotografin, die die Pressebilder gemacht hat, sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und es auf ihre eigene Weise interpretiert, obwohl sie selbst nicht direkt aus einer Drittkultur stammt. Wir laden explizit alle ein, der Interesse haben, mehr über diese Thematik zu erfahren und sich damit auseinanderzusetzen.

„Jeder Mensch hat eine Beziehung zu Kultur und Identität – sei es durch persönliche Geschichten oder durch Beobachtungen im eigenen Umfeld.“

Wie sieht es mit der Organisation aus? Ist es schwierig, so ein Event auf die Beine zu stellen?

N: Es ist definitiv eine Herausforderung. Man unterschätzt leicht, wie viel Arbeit in der Planung und Koordination steckt. Aber es ist auch unglaublich bereichernd. Wir lernen jeden Tag dazu, wie wir unsere Ideen am besten umsetzen können. Und trotz des Stresses ist es eine Freude zu sehen, wie das Projekt Form annimmt. Es ist, als würden wir ein Ei ausbrüten – und wir sind extrem gespannt darauf, was daraus schlüpfen wird.

Zum Abschluss: Was erhoffst du dir für die Zukunft von „Third Culture“?

N: Ich hoffe, dass „Third Culture“ zu einer festen Institution wird. Genau die genannten Fragen und die Suche nach Antworten sind es, die das Leben in einer Drittkultur ausmachen. Sie treiben uns an, sie inspirieren uns und sie bringen uns dazu, kreativ zu sein. Unser Event ist eine Repräsentation dieser Suche. Es ist ein Prozess des Teilens und des Wachstums, der uns allen hilft, unsere vielschichtigen Identitäten besser zu verstehen und zu feiern.

Danke fürs Gespräch – und wir sehen uns am 07.09. im Explosiv!