The Prodigy im Interview
The Prodigy haben sich versöhnt und stehen kurz vor einem transkontinentalen Konzertmarathon. Auf ihrem neuen Album müssen alle Angreifer sterben. Paranoia oder gesunder Selbstschutz? Das Wunderkind Liam Howlett über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Musikinstitution The Prodigy.
Ein neues Album von The Prodigy – womit haben wir dieses Comback verdient? Waren die drei Herren etwa gelangweilt, inspiriert oder am Ende sogar pleite?
Liam: Wir sehen das nicht als Comeback, denn wir waren nie weg vom Fenster. Vor ein paar Jahren mussten drei Freunde eine schwierige Lebensphase überwinden. Keith, Maxim und ich sind jetzt aber wieder auf Augenhöhe, haben gute Musikideen und wollen sie auf die tanzende Meute loslassen.
Was war der konkrete Auslöser für die neuen Aufnahmen?
Unsere Versöhnung. Zwischen 2002 und 2003 war The Prodigy am Tiefpunkt, ich habe ein ganzes Jahr lang nicht mit Keith gesprochen. An das endgültige Aus habe ich aber keinen Gedanken verschwendet – wir sind wie Brüder, Streit gehört eben dazu. Weil wir alle wieder im Reinen miteinander sind, wollen wir jetzt neue Sounds veröffentlichen. Nicht, weil irgendein Label meint, es wäre mal wieder Zeit für The Prodigy, ihren Pflichten nach zu kommen.
Das Resultat eurer Versöhnung heißt ‚Invaders Must Die‘ – wer sind die Angreifer und warum müssen sie sterben?
Der Albumtitel spielt auf unsere Streitigkeiten aus der Vergangenheit an. In dieser Zeit ist es vielen Leuten egal gewesen, dass die Band auseinander bricht. Darunter waren auch vermeintlich ‚gute Freunde‘, das hat uns sehr enttäuscht. Wenn alles super läuft, kannst du die Parasiten um dich herum gar nicht mehr zählen, die dir in den Arsch kriechen wollen. Das Bandleben bringt aber über kurz oder lang Probleme mit sich – nur ist dann keiner mehr da, der mit dir kämpft. Keith hat irgendwann die Bezeichnung „Invader“ für die Menschen gewählt, die uns aussaugen und unsere Kräfte rauben. Der Albumname ist eine deutliche Warnung und bedeutet uns von allen bisherigen Veröffentlichungen am meisten.
Welche Inspirationsquellen habt ihr bei der Albumproduktion angezapft?
Wir wollten ein harmonisches Album veröffentlichen, mit jedem Song Einigkeit repräsentieren. Keine Experimente, dafür in auf die Fresse.
Ein Song auf dem Album heißt ‚Take Me To The Hospital‘. Wer von euch muss ins Spital?
Dieses Lied symbolisiert den Zusammenstoß aller unserer Ideen und Inputs während der gemeinsamen Arbeit. ‚Take Me To The Hospital‘ kombiniert Maxims starken Bezug zur Reggae-Kultur in East London, Keiths verrücktes Geschreie und meinen individuellen Produktionsstil. Auch hier war es wieder Keith, der als Namensgeber fungiert hat. Für ihn war das Aufeinanderprallen unserer künstlerischen Energie so etwas wir eine große Massenkarambolage, nach der alle Beteiligten schleunigst ein Krankenhaus aufsuchen sollten – rein metaphorisch.
Vielleicht meint er ja auch Irrenhaus – abgesehen davon: Welche Aktivitäten dürfen wir von euch in der nächsten Zeit erwarten?
Konzerte spielen, bis wir allen auf die Nerven gehen. Wenn wir unterwegs sind, produziere ich nebenbei ein paar Sachen. Jetzt habe ich zum Beispiel den Remix für die neue Oasis-Single ‚Falling Down‘ fertig gestellt. Außerdem haben wir ein Label gegründet, für das wir neue Künstler suchen.
The Prodigy gehören schon seit Jahren zu den großen Namen im elektronischen Musikgeschäft. Wer ist jetzt das Wunderkind in der Szene?
Ich stehe voll auf Noisia, ein Drum-’n’-Bass-Trio aus Holland. Für mich sind die Jungs kurz davor, richtig erfolgreich durchzustarten – nicht nur, weil sie gerade einen Remix von unserem Song ‚Omen‘ produziert haben.
Für euch geht es im Frühling und im Sommer einmal um den halben Erdball. Schon irgendwelche Pläne, abseits der Konzerte Sehenswürdigkeiten und Städte zu besichtigen?
Touristenprogramm, nein Danke! Ich bin wie eine Fledermaus und nehme nur in der Nacht am Leben teil. Ein großer Clubgänger war ich aber auch nie, damit habe ich nach dem Start von The Prodigy relativ schnell aufgehört.
Hängt ihr drei in eurer Freizeit auch zusammen rum?
Was, mit Keith, der alten Nervensäge? Hilfe, nein! Wenn wir touren, kleben wir sowieso die ganze Zeit aufeinander, in meiner Freizeit brauche ich ihn nicht auch noch.
Wieso? Braucht Keith Flint auf Tour einen Babysitter?
Ja, schon noch manchmal, früher dafür die ganze Zeit. Aber ich liebe Keith. Er ist heute auch ganz anders als in seiner wilden Zeit, hat aufgehört zu trinken und Drogen zu nehmen. Das war wichtig für uns alle.
Das Kapitel Aftershowparty ist für euch also abgeschlossen?
Von wegen! Zeigt uns, dass ihr gute Gastgeber seid und wir zeigen euch, was Party bedeutet – wenn ihr wollt, auch noch Stunden nach der Show. Wenn wir etwas in unserem Leben gelernt haben, dann das: feiern!
Einverstanden, bis dahin: sauber bleiben und auf bald in Wien! Seid unsere Gäste!