Mo, 23. Jan 2017

Stefan Ruzowitzky über 'Die Hölle'

VOLUME Interview

Der Regisseur und Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky im VOLUME-Gespräch über „Die Hölle“, europäische Actionfilme und Wien als moderne Großstadt.

Gleich am Anfang: Super Film! Warum macht sonst niemand so gute Actionfilme in Europa oder Österreich? 

Das frage ich mich auch. Wir sind in den letzten 30-40 Jahren irgendwie abgerutscht. Ich gehöre ja noch einer Generation an, in der es europäisches Genrekino gab. Heute ist es kulturpolitisch eine traurige Sache, dass gutes Entertainment für junge Leute praktisch ausschließlich aus Hollywood kommt. Europäische Filme sind oft gut gemeint und eh interessant – aber meistens ein bissi hatschert. Wenn man einen guten Abend mit Freunden haben will, dann möchte man etwas Anderes sehen.

Und dafür muss man erst wissen, dass „Die Hölle“ wirklich anderes ist …

Genau, das ist die große Herausforderung. Selbst wenn man den Leuten sagt: „Oida, mein Film ist wirklich etwas Anderes, ich verspreche dir, dass du dich in den 90 Minuten keine Sekunde langweilen wirst und auf dein gewohntes Level an Härte, Gewalt und Schnelligkeit kommst“, ist die Frage, ob sie es annehmen. Aber ganz uneigennützig sollten wir uns alle wünschen, dass der Film erfolgreich wird, damit er beweisen kann, dass gutes Actionkino auch aus Österreich kommen kann. Und außerdem wird es dann einen Nachfolger geben.

Tobias Moretti spielt in diesem Film sehr überzeugend. Liegt das an der Regie, am Drehbuch oder wirklich an ihm? 

Eine Figur ist immer ein Konglomerat. Ich gebe meinen Schauspielern Rückhalt. Sie sollen wissen, dass ich zwar den Überblick habe, sie aber nicht frotzeln will und nur als Marionette benutze. Und da haben wir uns gegenseitig hochgeschaukelt, um diese Figur zu entwickeln.

Er spielt da ja irgendwie einen „Weana Bazi“, wie man so schön sagt. 

Ja, er ist ein Bazi, aber er entwickelt sich dann doch zum Sympathieträger. Es gehört schauspielerischer Mut dazu, sich nicht immer als der Lieblingsschwiegersohn zu präsentieren …

Wien spielt eine große Rolle, aber es ist glücklicherweise keine Kitschversion, nach dem Motto: „Ich fahre jetzt mit dem Fiaker zur Polizei …“

Das war auch der Anspruch. Weder „Ich fahr mit dem Fiaker zur Polizei“, noch dieses „alles ist Bassena, grindig und Ausländerghetto“. Einfach eine moderne Großstadt, Lichter, Energie. Eine Mischung aus Wien, wie ich es erlebe und wie ich es mir wünsche.

Die Geschichte behandelt auch brisantere Themen, wie zum Beispiel die türkische Community. Ist das Absicht oder einfach ein Vehikel, um die Story zu transportieren? 

Beides. Du hast einen Actionfilm und als Grundlage eine Geschichte. Die soll einerseits sinnvoll sein, andererseits auch authentisches Wiener Leben reflektieren. Und warum nicht Wiener Leben in solchen migrantischen Kreisen? Diese werden ja, und das ist mir wichtig, nicht als ein Jammertal gezeigt, wo alle frustriert und deprimiert herumrennen, sondern du hast ein breites Spektrum. Das politischste Statement ist, dass die Heldin eine starke muslimische Frau ist, die keine Hilfe von Männern braucht.

Eine doppelte Außenseiterin. 

Ja, aber Helden funktionieren immer am besten, wenn sie irgendwelche Nachteile haben. Helden, die Strahlemänner sind, denen alles zufällt, sind ein bissi fad … Der Underdog, der nicht irgendwo deprimiert herumhängt, sondern auch noch ein Kämpfer ist – ein zugegeben sehr amerikanisches Konzept – funktioniert da schon besser. 

Die blöde Frage zum Schluss: Wo steht der Oscar? 

Nicht am Häusl. Dazu ist er viel zu wichtig. Ehrenvoll, aber auch nicht mit Scheinwerfern beleuchtet.