St. Patrick's Day with Fall Out Boy
Zugegeben, Bassist und Frontsau Pete Wentz hätte in 15 Minuten mehr über seine Band Fall Out Boy ausgeplaudert, als die restlichen drei Mitglieder zusammen. Aber am feierlichen St. Patrick’s Day mit Sänger Patrick und Drummer Andy zu quatschen, war dann auch sehr ergiebig. Ihre Devise: Zum Showgeschäft gehört eine gute Portion Gleichgültigkeit genauso wie Toleranz, manchmal aber bitte eine experimentelle Mischung aus beidem.
Happy St. Patrick’s Day!
Patrick: Yaaay, genau! Happy St. Patrick’s Day! Aber ich verrate jetzt mal was. Ich hab nicht nur irische Vorfahren. Obwohl ich kein bisschen Deutsch spreche, hab ich auch österreichische Wurzeln!
Und trotzdem wart ihr bis jetzt nur mal kurz am Frequency vertreten? Egal, heute steht das erste richtige Österreich-Konzert an. Europa generell ist euch aber nicht wirklich fremd. Allein auf der jetzigen Tour wart ihr schon in England, Frankreich und Italien. Sind europäische Konzerte anders für euch?
Patrick: Nicht wirklich. Jede Show in jeder Stadt in jedem Land ist anders. Das hängt nicht nur von Staaten ab. Wir können in Tokyo sein und plötzlich das Gefühl haben, wir wären in Spanien. Jedes Konzert entwickelt sein eigenes Leben! Alles verschwimmt ein wenig.
Andy: Ich glaube, Europa als Ganzes ist von der Art her gar nicht so anders als der Rest der Welt. Nicht wenn es um Musik geht.
Mit ‚Folie à Deux‘, eurem neuen Album, ist es euch gelungen, eine Sammlung Songs zu schaffen, die im Ohr bleiben. Ihr habt auch großartige Mithelfer wie etwa Elvis Costello, Debbie Harry oder Pharrell Williams vorzuweisen. Und trotzdem hat sich an einem nichts geändert: Die Leute reden trotzdem ständig nur darüber, dass euer Bassist Pete zuviel quatscht und du ständig Hüte trägst Patrick. Gewöhnt man sich jemals dran, dass es eigentlich fast nie um die Musik geht?
Patrick: Da bin ich erst letzthin wieder über ein extremes Beispiel gestolpert. Die Tochter von John McCain, der bei der letzten US-Wahl unserem neuen Präsidenten Barack Obama unterlegen ist, hat einen eigenen Blog. Dort hat sie einen Eintrag gepostet, in dem sie sagt, dass die zwei politischen Parteien zusammenarbeiten sollen. Einfaches Statement und doch wirklich nicht zuviel verlangt, oder? Aber dann geht einer dieser US-Radiomoderatoren in seiner Show on air und sagt: ‚Oh, sie ist so fett!‘ Einerseits ist das natürlich abscheulich und ignorant. Andererseits ist Megan McCain mutig, ihre Ansichten zu äußern, denn sie weiß, dass irgendwann irgendwer etwas Boshaftes sagen wird. Und das ist bei uns auch so, wir gehen da raus, also wird jemand etwas Schlechtes sagen. Die Öffentlichkeit ist nicht das Höflichste, was dir je unterkommen wird. Du musst wissen, dass du an das glaubst was du tust, dann weißt du, wohinter du stehst. Ich habe kein Problem mit Leuten die über Pete reden oder sagen, dass ich übergewichtig bin.
Andy: Auch wenn die Leute mehr über so etwas reden … denjenigen, die zu unseren Shows kommen, ist die Musik wichtiger. Die paar die blöd reden wollen, sollen reden.
Patrick: Es können durchaus viele sein, aber das sind Menschen, die so weit von mir weg sind, dass es mir egal ist. Solche Kommentare sind viel zu billig. Perez Hilton hat ein paar Mal in seinem Gossip Blog über mich gepostet. Die Kommentare unter diesen Posts waren einfach fies. Und weißt du was? Ich lese Perez Hiltons Seite nicht mehr, darum ist es mir vollkommen egal. (lacht)
Andy: Nochmal zur Megan McCain Sache … diese Radiomoderatoren wollten sich gar nicht zu dem äußern was sie zu sagen hatte. Sie umgehen Argumente und machen es sich leicht, indem sie sie fett nennen. Das ist viel zu billig.
Patrick: (zu Andy) Also ich sage du hast Unrecht, weil du hässlich bist! (lacht)
Ah so funktioniert das. Gut, Themenwechsel! Euer drittes Album, Infinity on High, hat es eine ganze Weile vor dem Veröffentlichungsdatum ins Netz geschafft. Ich hab gelesen, dass du es noch gar nicht gehört hattest Patrick und es dir deshalb selbst runtergeladen hast.
Patrick: Stimmt, ich hatte das fertige Produkt noch nicht gehört. Natürlich haben wir alle das Album aufgenommen und ich wusste, wie es klingen würde. Aber das Endprodukt hatte ich nicht gehört.
Andy: Wir kriegen ja für eine ganze Weile keine Kopien von den Alben, weil die ganze Situation so verrückt geworden ist.
Das heißt ihr kriegt euer eigenes Album nicht, aber der, der es dann schließlich hochlädt schon?
Patrick: Naja, es ist so: Sobald die CD gepresst wird und an die Presse geht, wird es jemanden geben, der das Ding ins Netz stellt. Panic at the Disco haben zum Beispiel nur eine einzige CD gepresst und die dann abwechselnd weitergegeben um sicher zu gehen. Radiohead hatten zum Teil eine einzige Pressekonferenz zu der alle Journalisten kamen. Nur dort konnte man sich das Album anhören. Sie haben es von einer Musikkassette abgespielt, die anschließend zerstört wurde.
Andy: Das ist eigentlich ziemlich genial.
Hattet ihr Bedenken, dass es beim neuen Album wieder passieren könnte?
Andy: Das ist schon Teil des Spiels heutzutage.
Patrick: Die Musikindustrie hat sich so sehr verändert, dass es fast egal ist. Dein Album wird wahrscheinlich frühzeitig ins Netz kommen. Ich glaube nicht an intellektuellen Besitz, also jammere ich nicht, wenn Leute unsere Musik stehlen. Ich bin froh, wenn sie jemand hören will. Was mich eher stört, ist was die ganze Sache über das Wesen der Leute aussagt. Du hast die Möglichkeit dieses Album als ganzes Kunstwerk zu besitzen, mit liebevoll gestaltetem Booklet und den Lyrics – und stattdessen willst du es sobald wie möglich um etwas Besonderes zu sein? Was das über Menschen verrät, macht mich nicht sehr glücklich.
Wer euch wahrscheinlich glücklich macht, ist Petes kleiner Sohn Bronx, der ja das jüngste Mitglied der Fall Out Boy Familie ist. Was hat sich seit seiner Geburt im November für euch verändert? Habt ihr euch gedacht: Okay, einer von uns hat ein Kind, wir sollten langsam erwachsen werden?
Andy: Hahaha, verdammt nein. Wenn überhaupt, dann bin ich kindischer geworden. Ich rede mit ihm über Pipi und wie man die Windel voll macht. Das ist auch das einzige, woran ich dann denke! (lacht)
Patrick: Ich habe ihm alles beigebracht, was er bis jetzt weiß. (lacht) Aber ganz im Ernst. Es fühlt sich nicht wirklich anders an. Wir sind seit knapp acht Jahren in dieser Band. Wenn ich andere Bands treffe, dann reden viele darüber, wie sehr sie sich gegenseitig hassen. Und zwar nicht scherzhaft! Die sagen richtig grauenvolle Dinge zueinander. Mich überrascht das immer, weil wir lieben uns wirklich alle. Wir sind gute Freunde.
Andy: Wir haben gelernt, wie wir am besten miteinander umgehen.
Patrick: Genau. Zum Beispiel: Pete ist der bekannteste von uns allen. Ich kenne Bands, die sich wegen so einer Situation getrennt haben. Oder weil einer von ihnen geheiratet und ein Kind gekriegt hat. Oder weil ihr Album vor Veröffentlichung ins Netz kam. Ich glaube wir haben das Glück, an einem Punkt angelangt zu sein, an dem uns wahrscheinlich nichts mehr auseinanderbringt.
Andy: Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass uns all diese Dinge näher zusammengebracht haben.
Ihr habt gerade bekannt gegeben, dass 50 Cent an fünf Abenden eurer nächsten Nordamerikatour für euch aufmachen wird. Die Mischung Fall Out Boy und 50 Cent ist ja eher ungewöhnlich, was hat euch dazu gebracht ihn mitzunehmen?
Patrick: Wir kennen ihn seit einer Weile und er hat anklingen lassen, dass er etwas mit uns machen will. Da waren diese fünf Tourdaten die erste Möglichkeit. Außerdem macht es mir Spaß, mit den Gesetzen der Musikgenres zu spielen. Die Leute glauben immer, Rockbands mögen nur Rockmusik.
Andy: Was ja eigentlich ein wenig rassistisch ist.
Patrick: Stimmt. Es ist nicht so, dass bestimmte Leute nur Rock, Pop oder Hip Hop hören. Wir mögen Hip Hop und 50 Cent ist ein interessanter Typ.
Was man so an Reaktionen eurer Fans im Netz mitkriegt, sind die weniger begeistert von der Nachricht. Viele sind enttäuscht, da ihr zwar als sehr tolerante Band geltet, aber mit jemanden wie 50 Cent autreten werdet, der gerne schwulenfeindliche Kommentare fallen lässt. Was sagt ihr ihnen?
Patrick: Das ist ziemlich schwer. Ich habe nie in einer ähnlichen Situation wie 50 Cent gelebt, darum kann ich nicht sagen, wie er manche Dinge sieht. Dafür habe ich andere Bands in unserer Szene gesehen, die wirklich schwulenfeindliche Dinge auf der Bühne gesagt haben und das Publikum hat gar nicht reagiert. Und diese Bands sind in ähnlichen Verhältnissen aufgewachsen wie wir, darum kann ich bei denen wirklich sagen: Ich widerspreche dem Mist, den ihr erzählt. Ganz ehrlich, ich würde eher mit 50 Cent über das Thema Schwulenfeindlichkeit reden als mit diesen Kinder. Ich würde mir mehr davon versprechen.
Andy: Aber ich muss schon sagen, dass das natürlich ein guter Grund ist, wegen der Neuigkeit Bedenken zu haben. Ich hoffe, dass die Leute nicht nur Berührungsängste mit Hip Hop und 50 Cent haben, das wäre schade.
Patrick: Außerdem … meiner Erfahrung nach ist 50 Cent ein wirklich kluger Kerl. Er ist viel schlauer als es ihm die Leute zugestehen. Ich würde eher annehmen, dass er ein Statement über Schwulenfeindlichkeit in Amerika machen will als der kleine Junge in skinny Jeans, der auf der Bühne Schwuchtel sagt. Der ist wirklich schwulenfeindlich.
Alles klar. Und auch schon die letzte Frage. Ihr habt auch einen Karaoke Contest auf eurer Website ausgeschrieben. Jetzt wissen wir natürlich, dass du singen kannst Patrick. Aber wie schaut es bei dir aus Andy?
Patrick: Oh! Oh! Andy kann singen, er hat schon mal auf einem Fall Out Boy Album gesungen.
Andy: Naja, ich hab auch mit Freunden Karaoke gesungen, aber ich glaube nicht, dass ich mich überwinden könnte, bei einem Wettbewerb mitzumachen. Viel zu schüchtern.
Patrick: Darf ich noch kurz was sagen? Ich freue mich wirklich, dass du erwähnt hast wie unsere Fans sich für Toleranz einsetzen und sich über beleidigende Kommentare aufregen. Gerade weil ich bis vor kurzem so enttäuscht war, wie akzeptabel es in unserem Land wieder war, engstirnig und intolerant zu sein.
Andy: Und ich will noch loswerden, dass eine falsche Aussage sehr rasch passieren kann. Ich hab letzthin auf Twitter (Andys Account: http://twitter.com/FUCKCITY) einen Kommentar über die Chris Brown/Rihanna Situation losgelassen. Daraufhin habe ich viele Postings bekommen, die mich darauf hinwiesen, dass das was ich da geschrieben hatte, nicht okay war. Jetzt im Nachhinein betrachtet, fällt mir auch auf, dass meine Wortwahl nicht die beste war. Solche Dinge passieren schneller als man denkt. Und ich bin froh, dass meine Fans mir sofort den Kopf gewaschen haben.
Dann werden wir euch hoffentlich hiermit noch ein paar mehr follower auf Twitter verschaffen, die auch in Zukunft aufpassen. Danke für’s Gespräch!