Seeed im Interview
Ärsche von Herzen
Das elfköpfige Musikerkollektiv Seeed gehört international zu den beliebtesten und gefragtesten Bands aus Deutschland. Erfolgsrezept der Berliner Schnauzen: Eine poppige Mischung aus Dub, Reggae und Dancehall, garniert mit frech frivolen Texten. Mit dem neuen Album ‚Seeed‘ kommen Peter Fox und seine Kumpanen im November bzw. Dezember nach Österreich. Was die Herrschaften von Erfolgsdruck, Clubs und Ärschen halten? VOLUME hat die Antworten!
Seeed haben sich eine lange Veröffentlichungspause gegönnt: ‚Next!‘ ist im Jahr 2005 erschienen – seit diesem September gibt es endlich ein neues, selbstbetiteltes Album. Waren die Studioaufnahmen für euch wie ’nach Hause‘ zu kommen?
Dubmaster Reibold: Eher wie in so einem miefigen Turnsaal zu landen. Aber den liebt man halt trotzdem.
Pierre: Wir sind eigentlich nie alle zusammen in einem Raum – irgendeiner ist immer vor der Tür und raucht.
Jerome: Es ist ein bisschen wie Fahrradfahren. Ihr könntet mich vermutlich auch in 20 Jahren morgens um 3 Uhr mit einem Drum Fill wecken, und ich würde noch im Halbschlaf den dazugehörigen Hornsatz spielen.
Vor eurer Pause seid ihr eine der innovativsten und erfolgreichsten deutschen Bands gewesen. Spürt ihr jetzt einen gewissen Erfolgsdruck?
Dubmaster Reibold: Der hat sich im Laufe der Produktion schnell wieder verflüchtigt.
Pierre: Ein bisschen Druck gibt’s immer. Wir wollen uns ja nicht einfach wiederholen, sondern weiter Songs schreiben und Shows live spielen, die uns selber gefallen – und mich zumindest begeistert immer eher etwas Frisches, als etwas tausend Mal Gehörtes. Andererseits ist es gut, wenn wir irgendwie wiedererkennbar sind und nicht plötzlich eine riesige 180-Grad-Wende vollziehen. Es geht weiterhin darum, gute Songs in die Tanzhalle zu bringen.
Gab es einen Moment, in dem das Bandkollektiv Seeed auf der Kippe stand?
Jerome: Klar, manchmal läuft es einfach nicht und man denkt, dass das Ganze auseinanderfällt. Deswegen muss man ständig in Bewegung bleiben und sich weiterentwickeln – denn neue Ziele schweißen zusammen. Und wenn ich ab und zu einen Blick in den Rückspiegel werfe, denke ich: Yeah!!! Das alles haben wir gemacht. Nicht schlecht!
Geht ihr noch oft in Clubs? Wann habt ihr das letzte Mal getanzt?
Pierre: Feiernd unterwegs bin ich fast nur noch, wenn ich selber auflege. Jetzt habe ich aber meinen eigenen Garten mit Garage. Da wird dann ‚in the club‘ gegrillt – mit Les Baxter, Duke Ellington oder Etta James aus der Boombox. Dabei trinken wir guten Rum. Den konnte ich mir, als ich 25 war, gar nicht leisten – für mich bedeutet Älterwerden, dass alles viel geiler und entspannter ist als früher.
Demba: Meine Nachbarn haben vor kurzem gefeiert, da habe ich getanzt.
Based: Das Schwierige am Älterwerden ist nicht das Tanzen und Feiern, sondern am nächsten Morgen gut gelaunt den Kindern das Müsli zu mixen. Verdammt!
Was sind dagegen die Vorzüge an einem Job bei Seeed?
Dubmaster Reibold: Schleppen lassen, Massage beim Warten, schleppen lassen.
Based: Gigs spielen, abbauen lassen und auf Aftershow-Partys abshaken.
Pierre: Dass sich einem Türen öffnen, die sich vorher nicht geöffnet haben. Das ist natürlich auch ein bisschen schweinisch – der-Teufel-scheißt-auf-den-größten-Haufen-mäßig. Jetzt, wo ich mir viel mehr leisten kann als früher, werden mir eher Dinge geschenkt. Bescheuert in Wahrheit und manchmal auch unangenehm!
Hattet ihr einen thematischen Ansatz, den ihr auf dem neuen Album verfolgen wolltet? Zum Beispiel bestimmte Wörter nicht zu benutzen?
Dubmaster Reibold: Ja, ich glaube mich zu erinnern, dass sich Pierre mal gegen die Begriffe ‚SMS‘, ‚Facebook‘ und ‚Kreditkarte‘ ausgesprochen hat.
Pierre: Den riesen Plan haben wir uns vorher nicht zurecht gelegt, letztendlich steht und fällt alles mit den Songs, die jemand schreibt – aber dass wir, wenn möglich, versuchen sollten, wie eine Band zu klingen, weil wir eben auch eine sind, war schon klar. Also haben wir auch viel live eingespielt. Ist nicht bei jedem Song die optimale Lösung, aber bei vielen eben doch.
Frank: Ich erinnere mich, dass Pierre, Demba und ich ein längeres Gespräch darüber hatten, wie das neue Album werden sollte. Der gemeinsame Nenner war auf jeden Fall ‚gut abgehangen‘, um nicht zu sagen: ‚erwachsen‘.
Welcher Song war die härteste Nuss, von der Idee im Kopf auf Platte zu kriegen?
Pierre & Alfie: ‚Beautiful!‘
‚Beautiful‘ ist ein gutes Stichwort. Es ist auffällig, dass ihr in vielen Songs den weiblichen Hintern erwähnt…
Pierre: Gut erkannt! Klar, es macht Spaß, darüber zu texten und zu singen. Mehr Spaß, als ein Song über die Bankenkrise. Einen gelungenen Krisensong zu produzieren, ist viel mehr Arbeit – oder vielleicht sogar unmöglich. Aber Ärsche sind ein dankbares, schnell und vielseitig zu bearbeitendes Thema! Das kommt auch echt von Herzen! Vielleicht sind wir auch nur simpel gestrickt oder einfach etwas spätpubertär. Ich weiß aber, dass wir zumindest den meisten Jungs aus dem Herz sprechen – also kann es nichts besonders Kaputtes sein…
Absolut nicht! Wir freuen uns aufs Ärsche bewegen im November bzw. im Dezember mit Seeed.