Sauerstoff für alle
Die Ärzte im Interview
Die Ärzte verschreiben diesen Sommer allen Rockfans frische Luft und touren mit ihrer eigenen Festivalproduktion durchs Land. Am 29. Juni spielen Farin Urlaub, Bela B und Rod zum ersten Mal live in der Krieau Wien. VOLUME durfte mit dem jüngsten Bandmitglied, Rodrigo »Rod« Andrés González Espindola, gründlich untersuchen, was es mit der aktuellen Single von Die Ärzte auf sich hat, warum Ärztivals trotz Pferdephobie rocken und wie es mit der besten Band der Welt nach diesem Sommer weitergeht.
Midlife Crisis? Habe die Ehre! Warum bist du der Sohn der absoluten Leere?
Rod: Vorsicht, den Song bitte nicht auf mich beziehen – ich habe schon sehr viele hanebüchene Interpretationen und Tiefenanalysen zum ‚Sohn der Leere‘ gehört, über die ich mich allesamt kaputt lachen musste. Das Lied ist zwar kein Fetenhit oder Partykracher – aber mir geht’s super, keine Sorge!
Na dann: Was will uns Rod mit der aktuellen Single von Die Ärzte auf den Weg geben?
Rod: Nichts Bestimmtes, weil ich niemanden mit vermeintlichen Lebensweisheiten erschlagen will. Richtig gute Songtexte sind neutral gehalten und lassen dem Publikum genügend Spielraum für eigene Gefühle oder freie Assoziationen. Mein Paradebeispiel in diesem Zusammenhang: ‚Strawberry Fields Forever‘ von John Lennon bzw. den Beatles. Jeder soll sich seinen Teil dazu denken und ganz individuell persönliche Bedeutung darin finden – gerne auch in meinem ‚Sohn der Leere‘.
Wie gefällt dir der ‚Lohn der Lehre‘ vom Kollegen Bela B? Hast du als jüngster Arzt bei deinen Kollegen ein Vetorecht in solchen Remixangelegenheiten?
Rod: Da hinter dem Song keine private Lebensgeschichte von mir steckt, passt fast jede Form der musikalischen oder textlichen Änderung. Die Version von Bela ist sowieso köstlich geworden, auch wenn sie aus einer komplett anderen Geschmacksrichtung kommt. Genau darum geht es ja auch beim Remixen – einen spannenden, lustigen oder todernsten Kontrast zum Original darstellen. Das gehört zum Markenzeichen von Die Ärzte, Veto legt da keiner von uns ein.
Aber vielleicht bei anderen Neuinterpretationen: Was hat Heino bitte aus eurem ‚Junge‘ gemacht? Ist das zum Erbrechen oder eine musikalische Erleuchtung?
Rod: Ich habe mir die Scheibe tatsächlich angehört. Keine Frage, Heino ist nach wie vor mit einer beeindruckenden Stimme gesegnet und gibt den Songs damit einen ganz anderen Sinn. Das war’s dann aber auch schon, denn die Produktion klingt einfallslos und billig. Da hätte ich mir wesentlich mehr Wagnis und Qualität erwartet. Schade, vielleicht investiert Heino die verdienten Millionen aus den Plattenverkäufen und begleitender Medienkampagne der Bild-Zeitung beim nächsten Mal in fetteren Sound.
Eine noch bessere Wunschvorstellung: Er verschont uns mit einem weiteren Coveralbum und spendet die Kohle einer karitativen Einrichtung! Seit der Wiedervereinigung im Herbst 1993 bist du offizielles Mitglied bei Die Ärzte: Was wünschst du dir zu deinem 20jährigen Bandjubiläum?
Rod: Peinlich, das habe ich total übersehen! Die Antwort fällt mir trotzdem nicht schwer, Jubiläum hin oder her: Bescheiden wie ich bin, wünsche ich mir nur weiterhin eine super Zeit mit bzw. in der besten Band der Welt.
Amen! Bevor du dich gebührend feiern lassen kannst, geht ihr auf große Sommertournee. Was unterscheidet Ärztivals von herkömmlichen Freiluftveranstaltungen?
Rod: Kein Anzeichen von Größenwahn oder Arroganz, Die Ärzte haben einfach mehr Spaß unter freiem Himmel zu spielen, wenn sie das musikalische Rahmenprogramm dabei selbst bestimmen können. Darum laden wir zu den Ärztivals befreundete Musiker ein, die zu uns passen und deren Sound wir schätzen bzw. selbst gerne hören. Außerdem werden neue aufstrebende Bands präsentiert, die eindeutig mehr Aufmerksamkeit verdient haben. Denn es gibt Besseres zu tun, als nur die Die Ärzte zu hören! Ein weiterer Grund für uns, eigene Open Airs auf die Beine zu stellen: Ganz viele Festivalveranstalter nehmen ganz viel Geld in die Hand, um ganz viele tolle Headliner zu buchen, die vom Musikstil her ganz und gar nicht harmonieren. Vielleicht stehen die Besucher auf dieses ‚Kraut und Rüben‘-Prinzip, für wahre Rockfans sind Ärztivals genau das Richtige.
Ihr spielt das erste Mal auf der Trabrennbahn Krieau in Wien – welche Beziehung pflegst du zu Pferden?
Rod: Ein absolut gestörtes Verhältnis! Seit den ersten Reitversuchen in meiner Teenagerzeit habe ich großen Schiss bzw. Respekt vor diesen Viechern – mehr als vor Raubkatzen, Bären oder Elefanten. Von wegen ‚Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde‘! Schon alleine beim Gedanken an Superman Christopher Reeve und seinen Leidensweg nach dem Unfall wird mir ganz schlecht in der Magengegend. Dann doch lieber Pferd in der Lasagne…
Lecker! Bela B hat es bereits letztes Jahr erwischt, Farin Urlaub wird am 27. Oktober 50 Jahre alt bzw. jung: Wie viele Sauerstoffzelte brauchen Die Ärzte mittlerweile für ihre Shows?
Rod: Auf Sauerstoffflaschen oder -zelte können wir getrost verzichten, denn ein weiterer Vorteil unserer Ärztivals: Die Veranstaltungen finden im Freien statt, es gibt gratis Sauerstoff für alle – also ganz tief inhalieren und brav mitrocken!
Die Gerüchteküche um Die Ärzte brodelt: Angeblich steht eine künstlerische Pause bevor und laut Aussagen deiner Bandkollegen bist du viel zu talentiert für einfache Rockmusik. Stimmt es, dass du nach dem Sommer bei den Wiener Philharmonikern einsteigst?
Rod: Zeitungsente – so einen faulen Typen wie mich könnten die dort gar nicht gebrauchen! Ganz davon abgesehen, hätte ich auch überhaupt keinen Bock darauf, so viel zu üben wie meine Freunde aus der Abteilung ‚Klassik‘. Dazu gehört schon viel Fleiß, Leidensbereitschaft und Ausdauer, um in einem solchen Ensemble mitspielen zu können. Auch bei den Wiener Sängerknaben kann ich leider nicht mehr einsteigen. Schade! Aber ich finde sicherlich eine andere Möglichkeit, meine Zeit sinnvoll zu verschwenden.
Mit dir hat VOLUME jetzt mittlerweile schon alle drei Herren von Die Ärzte zum Gespräch gebeten – ihr könntet eure Auszeit also gleich in einen endgültigen Ruhestand ausdehnen!?
Rod: Den Gefallen können wir VOLUME leider nicht tun. Ich würde sagen, wir fangen unsere gemeinsame Interviewbeziehung nach der Bandpause wieder von null an – meinetwegen legen wir uns auch neue Pseudonyme zu, damit nicht auffällt, dass schon wieder die gleichen Pappnasen Lautstärke zum Lesen verbreiten. Die Ärzte sind auf jeden Fall noch viel zu jung für die endgültige Pensionierung!
Danke, genau das wollten wir hören – VOLUME freut sich auf ein frisches Ärztival in der Krieau Wien.