Sag niemals nie
Slipknot im Interview
Es wird als das Comeback des Jahres gehandelt: Ihren Fans – den sogenannten Maggots – springt das Herz im Dreieck und die positiven Kritiken über das aktuelle Album überschlagen sich. Die Maskenmänner aus Iowa sind zurück, neu formiert und geben sich in alter Frische, so hart wie gewohnt. Mit „.5: The Gray Chapter“ schlagen Slipknot ihr dunkelstes Kapitel auf, verabschieden sich von alten Freunden und heißen neue Familienmitglieder willkommen. Der nach seiner Trennung von Stone Sour gefühlsgebeutelte Gitarrist und Songwriter Jim Root erzählt vom Casting der neuen Bandmitglieder – in dem sie durchaus auch Frauen in Erwägung gezogen haben – seiner Freundschaft mit Sänger Corey Taylor und erinnert sich an einen Aufritt beim Nova Rock …
Wenn du das neue Werk – gemessen an seiner Kraft und Härte – in eurer Diskografie einordnest, wo steht es?
Meiner Meinung nach tanzt „All Hope is Gone“ aus der Reihe. Ich würde „Gray Chapter“ als Fortsetzung von „Subliminal Verses“ sehen. Wir gehen jetzt den Weg, den wir damals schon einschlagen wollten. Manchmal muss man scheinbar ein paar Schritte zurückgehen, um einen nach vorne machen zu können.
Neues Album, neue Tour. 2015 erwartet die Österreicher endlich wieder ein Konzert von Slipknot. Wisst ihr überhaupt noch, wo unser Land liegt?
Nova Rock ist doch in Österreich, oder? Ich bin mir sicher, dass wir da gespielt haben.
Hast du, ja. Mit Stone Sour …
Na, wenn das der Fall ist, dann kann ich es kaum erwarten, mit Slipknot dort aufzutreten. Es wird auf jeden Fall anspruchsvoller. (lacht)
Hast du den Split schon verdaut? Ist es nicht seltsam, mit Corey gemeinsam jetzt in einer Art „Zwangsgemeinschaft“ zu arbeiten?
Ach, wir verstehen uns besser denn je! Mit Corey gab’s auch nie Probleme. Die Trennung von Stone Sour war eine gute Entscheidung, ich habe einen freien Kopf und kann mich auf Projekte konzentrieren, die wirklich zählen.
So wie eure Club Shows und Open Airs. Was bevorzugst du?
Das ist wie wenn jemand einen Vater fragt, welches Kind er lieber hat. Ich mag beides, solange wir nicht zur Mittagszeit in der Sonne brutzeln müssen. (lacht) Bei Clubshows kommen die Leute wegen deiner Band und geben 100 %. Auf einem Festival kannst du vor einem gigantischen Publikum spielen und auch Leute erreichen, die dich sonst nur vom Hörensagen kennen.
Dein Highlight im neuen Set?
Wir kommen auf jeden Fall mit dem größten Aufgebot an Songs überhaupt und die Bühnenshow hat sich auch verfeinert. Wir legen direkt mit zwei neuen Songs los, schaffen zu Beginn eine düstere Atmosphäre und dann geht’s weiter mitten in die Fresse!
Was ihr bei eurem Comeback am KnotFestival eindrucksvoll unter Beweis gestellt habt!
Das war abnormal!
Corey hatte aber sichtlich seine Probleme mit der neuen Maske …
(lacht) Er war richtig sauer. Das Erste, was er nach dem Auftritt sagte, war „Meine verdammte neue Maske ist scheißanstrengend. Ich hab’ das Mikro nicht zu meinem Mund bekommen!“
Er hat sich ja wirklich alle paar Minuten im Gesicht herumgefummelt – die ganze Show über!
Deswegen ändere ich meine Maske immer nur leicht optisch. Ich weiß ja, dass sie funktioniert (lacht)
Stichwort Masken. Das schießt wohl jedem als Erstes in den Kopf, wenn er Slipknot hört. Steckt da eine Metapher dahinter, wechselt ihr quasi eure Persönlichkeiten, oder schnallt ihr euch mit jedem neuen Album einfach nur ein neues Stück Plastik ins Gesicht?
Richtig, wir lassen mit jeder Maske ein altes Leben zurück und gehen weiter zum nächsten Album. Hinzu kommt, dass sich halt auch unser Aussehen ändert, Haare wachsen oder werden weniger, genauso wie Bärte. Da braucht’s manchmal Modifikationen.
Überhaupt bei so epischen Bärten wie bei dir und Mick Thompson.
(lacht) Ich war ziemlich faul in letzter Zeit, könnte mich mal wieder rasieren. Was ich aber noch anbringen will: Die Vergangenheit ist mir wichtig, ich streiche sie nie ganz aus meinem Gedächtnis. Ich habe auch meine ganzen alten Masken Zuhause, falls ich einmal zeitreisen möchte und mich an alte Kapitel zurückerinnern will.
Apropos Kapitel: The Gray Chapter umschreibt nicht gerade eure schönste Zeit. War es schwer, sich – trotz des Verlustes von Paul Gray und Joey Jordison – neu zu formieren?
Wir wussten immer, dass wir noch ein Album rausbringen wollen, nur der genaue Zeitpunkt stand nicht fest. Manchmal lassen dich Umstände wissen, wann es an der Zeit ist, sich hinzusetzen und an neuem Material zu schreiben. Bei mir war einer dieser Umstände, die Scheiße, die ich mit Stone Sour durchmachte und Gespräche, die ich mit Clown und Corey geführt habe. So kam der Stein ins Rollen. Als wir uns zum ersten Mal trafen, wussten wir, dass die Motivation groß ist. Es läuft momentan so gut, wie schon lange nicht mehr, aber wer weiß, vielleicht gehen wir uns in einem halben Jahr wieder an die Gurgel.
Und in all dieses Kuddelmuddel aus Emotionen und Motivation involviert ihr zwei komplett neue Mitglieder. War das nicht extrem stressig für alle Beteiligten?
Für den Drummer definitiv! Er hat sich den Arsch abgearbeitet und wir haben ihn durch die Hölle gehen lassen. (lacht) Aber gut, er steigt in große Fußstapfen. Der Basser hatte es da schon einfacher.
Wie lief dieses „Casting“ ab – waren alle von euch involviert?
Klar, das war ja keine lapidare Entscheidung! Wir mussten gemeinsam spielen und uns dann entscheiden. Bei Donnie Steele, unserem bisherigen Ersatzmann für Bassspieler Paul, haben wir aber im Studio gemerkt, dass wir in unterschiedliche Richtungen gehen. Ein Freund von mir hat dann gefragt, ob er es nicht probieren darf. Wir haben uns auf das Experiment eingelassen und es hat geklappt. An und für sich ist er Gitarrist, hat aber einen tighten Stil. Er hat so seine Ähnlichkeiten mit Paul, der ja auch von der Gitarre auf den Bass umgestiegen ist. Außerdem motiviert er uns andere mit seinem Engagement total! Hey, sogar ich habe mich extra hingesetzt und mein Gitarrenspiel verfeinert. (lacht)
Wären für die neuen Positionen auch Frauen infrage gekommen?
Definitiv! Das haben wir in Erwägung gezogen, aber wir kennen keine weiblichen Bass- und Schlagzeugspielerinnen, die sich um die Stelle beworben hätten. (lacht)
Mit dem Verlust von Paul und Joey blieb das Songwriting diesmal an dir hängen. Wie ist „The Gray Chapter“ zum Leben erweckt worden?
Ich habe zirka 18 Demos in meiner Garage geschrieben, davon haben es 11 auf das Album geschafft. Wir haben natürlich verfeinert und jeder hat seine Ideen eingebracht. Corey hatte seine Texte, Shawn hatte auch Songfragmente – so hat sich alles Teil für Teil zusammengesetzt. Der Song „If Rain is what you want“ ist übrigens im Studio entstanden und wir haben alle zusammen daran gearbeitet. Für das nächste Album würde ich mir gerne noch mehr von dieser Art der Zusammenarbeit wünschen.
Ein nächstes Album also …
Sag niemals nie (lacht)
Richtig! Bis bald am Nova Rock!