Robbie Williams im Interview
Back for Good
Schelmisch, charmant und immer bereit die eigenen Neurosen – mit jeder Menge Selbstironie – in die Öffentlichkeit zu tragen. So kannte man Superstar Robbie Williams, bis er nach der Tour 2006 einen Nervenzusammenbruch hatte und seinen unverschämt poppigen Hymnen den Rücken kehren wollte. Jetzt geht er auf die erste große Tournee seit der Krise: Robbie Williams erklärt VOLUME, warum er wieder der größte Popstar des Planeten werden will. Aber auch, warum es ihm wurscht ist, wenn das doch nicht klappen sollte.
Dein neues Album heißt ‚Take The Crown‘, weil du dir damit die Krone im Popgeschäft zurückholen willst. Wann und wieso hast du sie denn verloren?
Mit ‚Rudebox‘ (Anm. d. Red: erschienen 2006) und „Reality Killed The Video Star“ (Anm. d. Red: erschienen 2009). Wenn ich etwas in meiner Karriere überdenken würde, dann diese beiden Alben. Aber ich habe damit ein paar wichtige Dinge in meiner Seele abgehakt, musste diese Platten so machen, um Ballast loszuwerden. ‚Take The Crown‘ sehe ich als mein bisher kommerziellstes Album. Da habe ich wirklich jeden Song so geschrieben, dass er eine Hitsingle sein kann. Denn ich will wieder der Größte sein, in den größten Stadien auftreten – weil sich das einfach saugeil anfühlt.
Robbie Williams hat einmal gesagt, er will in seiner Musikzukunft nur noch ‚künstlerisch interessant sein und keine Hits schreiben‘.
Typisch ich und mein schnippisches Großmaul. Mit dieser Aussage wollte ich mir damals den Druck nehmen, ständig Hits schreiben zu müssen. Als ‚Reality Killed The Video Star‘ rauskam, ging es mir nicht gut. Ich war okay, aber ich wollte keine Promotion dafür machen. Ich liebe dieses Album, habe ihm aber keine faire Chance gegeben.
Überhaupt nicht okay warst du vorher beim Album ‚Rudebox‘ – Stichwort Tablettensucht. Wie bist du da reingerutscht?
Offen und ehrlich: Nach der Tour 2006 bin ich depressiv geworden. Das Leben des Robbie Williams lief bis dahin ungefähr so ab: Ich habe ein Album produziert und anschließend die Promomaschinerie angeworfen, um allen zu sagen ‚Hallo, ich bin der Größte‘. Dann bin ich auf Tour gegangen, hatte einen Nervenzusammenbruch und endete in der Entzugsklinik. Klar, ich habe es damals so rüberbringen können, als wäre die Show auf der Bühne eine Leichtigkeit für mich. Aber der Gedanke an 80.000 wartende Leute, die ich zwei Stunden unterhalten und mitreißen soll, hat mir Angstzustände bereitet. Die Tour 2006 artete in einem richtigen Terror aus, ich griff immer wieder zu Tabletten und verlor die Kontrolle. Damals war mir nicht bewusst, dass ich krank bin. Anfang 2010 bekam ich die Diagnose über eine Hormonstörung, wurde behandelt und jetzt bin ich wieder mehr als okay.
Was ist aus der Angst vor der großen Bühne geworden?
Jetzt muss die Bühne Angst vor mir haben, denn meine ganz dunklen Tage sind endgültig vorbei. Ich habe eine großartige Frau, Verantwortung für eine bezaubernde Tochter und bin tagtäglich froh, auf diesem Planeten zu sein. Es ist ein verdammt großartiger Trip, als rundum zufriedener Vater große Konzerte zu spielen und mit seiner Band eine fette Party zu feiern.
Stimmt es, dass dir erst die Versöhnung mit Take That und Gary Barlow die Freude an der Musik wiedergegeben hat?
Gary und die Jungs kamen 2008 in mein Haus nach Los Angeles, um mir ihr brandneues Album ‚Circus‘ vorzuspielen. Damals war ich gerade in dieser schwierigen Phase, wollte nicht mehr Robbie sein, nichts mehr mit dem Business zu tun haben. Ich war ausgebrannt, krank, auf Entzug und dachte, ’schau, was dir diese böse Musikmaschinerie antut‘. Dann habe ich ‚Circus‘ gehört. Der Sound war so fröhlich, so ungeniert poppig, so kommerziell – großartig. Da wusste ich, ‚verdammt, das bin ich, das ist mein Stil, ich bin Pop!‘.
Die Versöhnung mit Take That ging doch relativ schnell. Davor hast du noch rumposaunt, dass es noch sehr lange dauern wird, bis du Gary verzeihen kannst. Was war der entscheidende Auslöser?
Kein ausschlaggebendes Ereignis, sondern eine gewisse Reife! Mit den Witzen, die ich in Interviews und während meiner Shows über Take That gerissen habe, waren Fans und Presse sehr leicht zu unterhalten. Gary hat das sehr, sehr wehgetan – was mir wirklich aufrichtig Leid tut. Beim Treffen in L.A. haben wir uns an einen Tisch gesetzt, um Tacheles zu reden. Wir haben die Verantwortung für die gegenseitigen Beleidigungen übernommen, gesagt, „es tut mir leid“ und es auch tatsächlich genau so gemeint. Am selben Abend habe ich mir das Logo von Take That als Tattoo stechen lassen. Als ich damit zurückkam, sagten die Jungs: Du bist ein Depp!
Ein sehr erfolgreicher Depp: Die neuen Hits ‚Candy‘ und ‚Different‘ hast du mit Gary geschrieben. Wie ist euer Verhältnis mittlerweile?
Bestens! Er kommt zu mir nach Hause, nistet sich in meinem Dachboden ein, ich hocke mit ihm im Studio und wir scherzen die ganze Zeit darüber, was man in Popsongs sagen darf und was nicht. Es ist großartig, denn Gary ist der Prototyp eines perfekten Hitschreibers. So lange ich bei Take That war und auch während meiner Solokarriere: Alles, was ich wollte, war Garys Anerkennung. Jetzt habe ich sie mir endlich verdient. Ich sehe mich jetzt auch wieder als Bandmitglied von Take That und kann es nicht erwarten, dass wir wieder etwas zusammen auf die Beine stellen.
Du bist kürzlich wieder mit Guy Chambers aufgetreten, mit dem du ‚Angels‘ und viele andere deiner Chartkracher geschrieben hast. Wann hast du dich mit ihm ausgesprochen?
Guy und ich, wir hatten nie wirklich ein Problem. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit ihm alles erreicht habe, wollte einfach andere Stile und andere Produzenten ausprobieren. Er hingegen hat das als extrem verstörend empfunden. Aber ich habe immer gesagt, ich werde irgendwann wieder mit ihm schreiben. Und dieses Irgendwann ist sehr bald.
Angeblich warst du vor der Veröffentlichung von ‚Take The Crown‘ im vergangenen Herbst sehr nervös. Hat sich das mit dem Erfolg jetzt wieder gelegt?
Ich bin immer schon aufgeregt gewesen, bevor ich etwas veröffentlicht habe – ganz normale Musikerkrankheit. Doch von diesem Album hängt ab, was ich in Zukunft machen werde. Ich will einfach wissen, wo ich stehe, ob meine Zeit auf dem Pop-Thron vorbei ist. Deshalb hat es sicher einige schlaflose Nächte gegeben. Unnötig, denn in Wahrheit ist dieser oberflächliche Erfolg im Musikgeschäft vollkommen belanglos. Mein Ego will zwar die Bestätigung und einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber auch wenn das nicht gelingt, kann ich damit umgehen, denn alles ist gerade richtig cool und echt. Ich bin jetzt mit Leib und Seele ein fürsorgender Vater, genieße das Leben mehr denn je.
Dann dürfen wir uns ja ebenfalls sehr glücklich schätzen, dass du 2013 dennoch auf Tour gehst. Wir freuen uns auf Robbie Williams am 17. Juli in der Wiener Krieau.