Perspektivenwechsel
MOTSA im Interview
MOTSA ist der Künstlername von Valerio Dittrich, der am 7. Juni sein Debütalbum“Perspectives“ veröffentlicht. Hier treffen hypnotisierende Synthesizermelodien auf gediegene Beats und wohl dosierte Gesangseinlagen. Dem in Wien lebenden Klangvirtuosen mit russischen Wurzeln gelingt hier ein ganz starkes Stück moderner Clubmusik. Mit VOLUME spricht MOTSA über die größte emotionale Herausforderung seiner Karriere, neue Wege und digitales Entgiften.
Um einmal die Rahmenbedingungen zu klären: Wie viel Schweiß, Blut und Tränen stecken in deinem Debütalbum?
Literweise! Es war bisher die größte musikalische und emotionale Herausforderung, auf die ich mich eingelassen habe.
Um genauer zu sein: Wo hast du an „Perspectives“ gearbeitet, in welchem Zeitraum ist dein Werk entstanden und wann warst du endgültig dazu bereit, das Ganze endgültig abzugeben?
Abgeschlossen habe ich „Perspectives“ in meinem jetzigen Studio, welches ich von Soap & Skin Ende 2017 übernommen habe. Danke an dieser Stelle, liebe Anja! Es war ein intensiver Prozess, der viel Zeit meiner letzten eineinerhalb Jahre in Anspruch genommen hat. Grundideen einiger Nummern sind schon vor drei Jahren entstanden, hatten aber bis zum Album noch keinen Platz gefunden. Abgeschlossen habe ich dann alles, als ich wusste, welche Songs es aufs Album schaffen. Ich denke, es waren circa zwei Jahre, in denen ich mich dem Album konsequent gewidmet habe – in der Zeit sind auch viele Nummern entstanden, die es nicht drauf geschafft haben. Ich kann schwer sagen, was der finale Impuls letztendlich war. Es ist ein intuitives Gefühl, das einen überkommt. Man weiß dann einfach, jetzt ist es fertig!
Wer waren die wichtigsten Wegbegleiter beim Entstehungsprozess deines Albums? Und wo hast du die größte Inspiration beim Produzieren deines Sounds gefunden?
Meine Freundin und Freunde haben mich immer unterstützt. Während eines solchen Prozesses überkommen einen immer wieder Zweifel und da ist es gut, wenn man Menschen um sich hat, die einen wieder bestärken. Inspirationenquellen habe ich unterschiedliche: Weltgeschehnisse, Reisen, Erlebnisse, Gespräche und Spaziergänge in der Natur und so weiter. Auch ein gutes Essen kann mich inspirieren!
Wie kam es zu den Gastbeiträgen von David Österle, Madeline Kenney und Sophie Lindinger, Frontfrau von Leyya?
Mit Sophie und David hatte ich schon an anderen Nummern gearbeitet und es war immer ein sehr angenehmer Prozess. Daher war für mich klar, dass ich sie gerne wieder featuren würde. Madeline war ein Vorschlag meines Managers, kurz vor dem abschließenden Mastering des Albums. Ich fand ihre Musik super, wir haben uns per Skype kennengelernt und sie fand die Themen des Lieds bzw. des Albums auch super. Sie hat dann großartige Stimmaufnahmen geliefert, die ich für den Track arrangiert habe. Es war ein interessanter Prozess, der trotz großer Distanz perfekt hingehaut hat.
Mit welchen Künstlern bzw. welchem Interpreten würdest du gerne einmal arbeiten?
Hierzulande würde ich sehr gerne mal mit Anja Plaschg arbeiten und auch weiterhin Projekte mit David Österle angehen. Sonst würde ich gerne wieder mit diversen elektronischen Musikern jammen und schauen, was dabei rauskommt – wenn ich jetzt mal ausholen würde, wären zum Beispiel Rival Consoles, Christian Löffler oder Apparat sehr spannend. Ich würde es auch interessant finden, weiter mit visuellen Künstlern zu arbeiten, um meine Musik mit Bildern zu versehen bzw. umgekehrt.
Welcher Sound läuft privat in deinen eigenen vier Wänden?
Ich genieße nach einem langen Studiotag ehrlich gesagt die Stille. Allerdings gibt es schon viele Momente, in denen ich natürlich auch Musik gerne höre, nur bin ich dann immer so schnell abgelenkt von anderen Tätigkeiten und kann mich nur auf die Musik konzentrieren. Ich habe zwei Spotify Playlisten erstellt (MOTSA’s Living Room & Perspective Shift), die einen kleinen Einblick in meinen persönlichen Geschmack geben: Einerseits elektronische Musik aber auch Instrumental Musik: Soul, Funk, Jazz, Afrobeat, Dub, Reggae, Hip Hop, House, Disco, Electronica usw…
Wann und wie entscheidest du, in eins deiner Stücke einen Gesangspart zu integrieren?
Das ist auch ein sehr intuitiver Prozess – bei manchen Liedern spüre ich, dass sie noch diese zusätzliche Ebene vertragen könnten. Andere Songs funktionieren für mich bereits als Instrumental und brauchen nicht noch einen zusätzlichen Text. Die Melodien sprechen für sich!
Welche Vorteile bringt dir die Veröffentlichung auf deinem eigenen Label Petricolour Records? Wie kam es zu dieser Labelgründung?
Der Vorteil ist die volle Kontrolle der eigenen Vision, die Unabhängigkeit – das war auch der Grund, warum es 2016 zur Gründung gekommen ist. Ich wollte mich von den klassischen Labelstrukturen lösen und es selbst ausprobieren. Ich muss aber sagen, dass sehr viel Arbeit auf einen zukommt und das auch einen das Ganze vom Musikmachen abhalten kann. Man muss eine gute Balance finden und ein gutes Team haben!
Musikjournalisten neigen dazu, dass Gehörte in Schubladen zu stecken oder mit anderen Künstlern zu vergleichen. Wie würdest du deinen Stil kategorisieren bzw. einordnen und welcher Vergleich in Zusammenhang mit MOTSA macht tatsächlich Sinn?
Sehr schwierig – wenn ich gefragt werde, was ich für Musik mache, sage ich meistens: „Elektronische, melodische Hör- und Tanzmusik mit gebrochenen Rhythmen“. Allerdings kann das alles Mögliche auslösen in der Fantasie des Gegenübers. Deshalb fordere ich meistens auf, sich die Musik anzuhören und ein eigenes Bild zu machen, da es mir nicht möglich ist, sie zu kategorisieren – ich denke, das ist auch wirklich nicht wichtig.
Ist „Perspectives“ auch so etwas wie eine Empfehlung bzw. eine musikalische Empfehlung zum digitalen Entgiften?
Ja, unter anderem! Jeder Song erzählt seine eigene kleine Geschichte. Der Titel „Perspectives“ bezieht sich auf die Tendenz, die wir Menschen haben, alles nur aus der eigenen Perspektive zu sehen und zu vergleichen, anstatt sich in andere Meinungen und Sichtweisen hineinzufühlen. Dadurch entsteht sehr viel Konfliktpotenzial – auf globaler und politischer Ebene, in Beziehungen, innerhalb Familien. Das war ein großes Thema für mich, als ich das Album geschrieben habe, und hat sich daher als passendes Über-Thema herauskristallisiert.
Wie stehst du zur Allgegenwärtigkeit von sozialen Medien? Auch aus der Perspektive eines modernen Künstlers…
Ich finde es leider echt furchtbar. Viele von uns befinden die meiste Tageszeit in einer digitalen Blase, die uns von wahren Emotionen und Gefühlen trennt. Zwischenmenschliche Beziehungen leiden darunter, kein Mensch lacht sich mehr auf der Straße oder in der U-Bahn an, alle starren ins Handy. Auch die oben genannten Themen werden durch soziale Medien gefüttert. Leider gehört es aber zum Beruf dazu, da man ja auch irgendwie die Leute erreichen muss. Am liebsten würde ich darauf verzichten können, aber das scheint im Moment keine Option zu sein.
Wo, wann und wie können wir MOTSA live erleben?
Mein nächster Gig ist am 20. Juni – Springfestival Graz. Hier gibt’s alle Infos zu „Perspectives“!