Parov Stelar im Interview
Der Alchimist
Austria’s most wanted: Marcus Füreder alias Parov Stelar zählt aktuell zu den begehrtesten Musikexporten aus Österreich. Mit Band plus seiner einzigartigen Mischung aus Swing, House, Soul oder Downbeat erobert der Linzer Beatbastler gerade die Charts und Bühnen dieser Erde. Am 18. August spielt die Parov Stelar Band live beim Frequency Festival. Mastermind und Pionier des Electroswing Marcus Füreder spricht Klartext über seinen Heimatbezug, leidenschaftliche Klotapeten, kaltes Bier und Paulo Coelho.
Wann hat sich Marcus Füreder endgültig in Parov Stelar verwandelt?
Eine schicksalshafte Symbiose in meinem Leben wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Weder Marcus Füreder noch Parov Stelar können getrennt voneinander existieren. Ich weiß bloß noch nicht genau, wer von den beiden der wichtigere Part ist. Generell sind die Übergänge zwischen Privatleben und Business fließend – zumindest in meiner Wahrnehmung.
Ausnahmezustand: Im Frühsommer hast du in deiner Heimat Linz vor 5000 begeisterten Menschen bzw. Freunden gerockt. Welches Verhältnis pflegt Parov Stelar zu seiner Stahlstadt?
Heimat ist Heimat, darum war das Tabakfabrik Open Air eine große Ehre und Freude. Hier bin ich viel aufgeregter gewesen als zwei Tage vorher bei unserem Gig im legendären Konzerthaus Koko. Zwar hatte dieses Auswärtsspiel in London sicherlich große Bedeutung für unsere weitere Karriere, immerhin waren einflussreiche Künstleragenten dort. Aber es kann nichts Schöneres geben, als daheim für die Familie zu spielen. Jeder Musiker mag zu einem gewissen Grad gefallen und bewundert werden – und das am liebsten von den eigenen Leuten.
Welche österreichischen Musiker hast du in deiner Jugend bewundert?
Niemanden so richtig, was jedoch nichts mit mangelnder Wertschätzung zu tun hat. Natürlich gab und gibt es in diesem Land hervorragende Musiker. Und ja – Falco war Falco. Als Person sehr beeindruckend, aber musikalisch hat Hans Hölzel keinen Einfluss auf mich gehabt.
‚The Princess‘ und die daraus veröffentlichten Singles erobern gerade die Charts auf der ganzen Welt, Parov Stelar hat 2012 den österreichischen Musikpreis Amadeus (Electronic Dance) gewonnen und die anstehende Tour führt dich mit Band einmal quer durch Europa – besser geht’s nicht, oder?
Allerdings, obwohl mein Herz noch etwas Zeit braucht, um die unglaubliche Entwicklung und dazugehörige Erfolgsgeschichte von Parov Stelar zu verarbeiten. Schon jetzt haben wir gemeinsam mehr erreicht, als ich mir zu Beginn je vorstellen konnte – das weltweite Feedback ist überwältigend. Was aber auch bedeutet, dass Aufwand und Risiko steigen.
Gab es Situationen, in denen du deine Musikkarriere fast an den Nagel gehängt hast?
Ich glaube, dass ich stellvertretend für alle Musiker sprechen kann: Jeder hat seine Momente voller Selbstzweifel, in denen einen Fragen beschäftigen wie „Hätte ich vielleicht besser etwas ganz anderes, bodenständigeres lernen sollen?“. Heutzutage kann dir niemand eine Garantie dafür geben, dass du mit deinem Sound – auch wenn er aus technischer sowie künstlerischer Sicht einwandfrei ist – genügend Geld zum Leben verdienst. Viele haben zwar die Qualität, können oder wollen sich aber nicht vermarkten. Doch es gibt diesen schmalen Grat zwischen niveaulosem Verkaufen und stilvollem Verhungern. Wir als Team haben diesen Balanceakt bisher offen und ehrlich gemeistert. Trotzdem spüre ich einen gewissen Druck. Fast zwanzig Menschen leben von dem Bandprojekt Parov Stelar, für das ich hauptverantwortlich bin, aber nicht exakt vorhersehen kann, wie lange das alles noch so läuft.
Mit ‚The Princess‘ hast du dich jetzt endgültig zum ‚King of Electroswing‘ gekürt – wie stehst du diesem boomenden Genre gegenüber?
Kritisch, denn jeder Hype hat ein Ablaufdatum. Darum reflektieren die letzten Alben von Parov Stelar ein viel breites Musikspektrum als nur Swing im elektronischen Gewand. ‚The Princess‘ zum Beispiel ist stark geprägt von Soul. Zugegeben, King of Electroswing klingt witzig. Aber ich will kein König sein, denn die meisten Monarchen sind irgendwann umgebracht worden – geköpft, erschossen oder vergiftet.
Was kannst du jungen Nachwuchskünstlern mit auf ihren Weg geben?
Wer im Musizieren seine Berufung sieht, sollte genügend Selbstvertrauen haben, hartnäckig dran bleiben und einen unverkennbaren, einzigartigen Stil entwickeln. Das erfordert harte Arbeit, auch weil der Markt im Internetzeitalter keine Grenzen kennt und heiß umkämpft ist. Da kann es dauern, bis der Durchbruch gelingt – ganze zehn Jahre habe ich darauf warten müssen. Davor habe ich mein Klo mit Absagen von Labels voll tapeziert, niemand wollte anscheinend meine Musik haben oder hören. Leidensbereitschaft gehört also auch mit dazu. Dennoch das Wichtigste bei allem: an seinen Traum glauben wie der Alchimist von Paulo Coelho.
Bei deinen Konzerten mit der Parov Stelar Band hältst du dich dezent im Hintergrund. Wie würdest du jemandem deine Funktion hinter den zwei Laptops erklären, der keine Ahnung von Musik hat?
Von mir kommt das Grobarrangement, alle Songs sind dabei bis aufs Grundgerüst reduziert. Zusammen mit der Band setze ich live die fehlenden Parts wie Bass, Bläser und den Gesang neu zusammen, kombiniere das Ganze zusätzlich mit meinen Soundschnipseln. Ich muss dabei nicht im Vordergrund stehen, falsche Eitelkeit ist da fehl am Platz. Fürs Publikum ist es wesentlich spannender, Profimusikern beim Ausreizen ihrer Instrumente oder Stimmen zuzusehen, als einen Typ zu beobachten, der unaufgeregt hinter seinen Laptops steht. Meine Kernaufgabe ist die Produktion im Studio.
Du bezeichnest dich selbst als Studiofreak – wie viele Inputs von außen lässt du dabei zu?
Früher war ich ziemlich fixiert auf meine eigenen Ideen, ein Produktionseinzelgänger. Mit ‚The Princess‘ habe ich mich geöffnet, viele der Songs sind zusammen mit meinem Trompeter Jerry Di Monza und dem Bassisten Michael Wittner entstanden. Nach vier Alben hauptsächlich im Alleingang eine ganz wichtige Entscheidung, damit der Horizont wieder breiter werden kann.
Du hast ein sehr gutes Auge und Ohr für bezaubernde Frauenstimmen – wie kommt es zu den gesanglichen Zusammenarbeiten?
Lilja Bloom ist meine Frau. Da werden Kollaborationen zwischen Schlafzimmer und Küche vereinbart. Cleo Panther singt live in der Parov Stelar Band und leiht mir auch im Studio ihre Stimme.
Wenn du nicht gerade produzierst oder um die Welt tourst, bewohnst du einen Bauernhof im Mühlviertel. Was gibt dir das Land, was du in der Stadt nicht bekommst?
Viel Ruhe. Ich finde es außerdem ganz wichtig, die Füße nach langen Konzertreisen wieder auf den Boden zu bringen und einen Bezug zum normalen Leben zu bekommen. Auf Tour verschwimmt die Wahrnehmung von Realität gefährlich schnell: Ich bekomme täglich Essen serviert, jede Minute bis zum Auftritt und danach ist vom Manager durchgeplant. Den Rest der Zeit verbringe ich vorm Fernseher oder mit einem Hörbuch. Dieser Ablauf ist für mich nicht natürlich. Ich bin am Land aufgewachsen, schätze und brauche diese entschleunigte Lebensweise.
Wohin zieht es dich, wenn du genug vom Land der Berg und Land am Strome hast?
Dann bin ich auf meiner Insel am Meer – Mallorca. Das wunderschöne Palma hat zu Unrecht den Ruf als Partystadt und Saufmeile. Seit knapp zwei Jahren nehme ich mir dort ein paar Wochen frei.
Du wirst heuer zum ersten Mal Vater – mit welchen Kinderliedern bist du groß geworden und was bekommt dein erstes Kind zu hören?
Bei mir ist nur das ‚La Le Lu, nur der Mann im Mond schaut zu‘ hängengeblieben. Unser Kleiner darf sich dann über ‚Engel‘ von Rammstein freuen. (lacht)
Da kann ja nichts mehr schief gehen! Welche Pläne hat Papa Stelar für seinen neuen Lebensabschnitt?
Planen ist sinnlos, das Leben geht eigene Wege. Ich wünsche mir vielleicht etwas mehr Freizeit – für die Familie und für mich selbst. Aber auch das wird ganz von alleine entstehen. In Zukunft gibt es mehr Balance zwischen Konzerttagen und Auszeiten.
Am 18. August spielst du plus Band am Frequency Festival – was darf dabei auf keinen Fall fehlen?
Ganz klar – kaltes Bier. Außerdem freue ich mich auf alle österreichischen Fans, die derzeit zu den treuesten überhaupt zählen. Eine fette Anlange sollte auch nicht fehlen, aber da mache ich mir keine Sorgen…
Allerdings, VOLUME sorgt für Lautstärke – immerhin sind wir ja Presenter vom Frequency – und kaltes Bier! Wir freuen uns auf Parov Stelar in St. Pölten.