Ohne Grenzen, ohne Ziel
Gospel Dating Service im Interview
Wir stellen mal den Champagner kühl, den Gospel Dating Service veröffentlichen bereits ihr zweites Album. Auf „Champagne“ folgt nun „Sun Over Moon“; der neue Langspieler hat zwar nach wie vor nichts mit Gospel zu tun, aber ist wieder voll mit ansteckenden Groove. Anlässlich dazu haben wir mit 2/3 der Band über die Themen des neuen Albums, versteckte Eastereggs und aktuelle, brandrelevante gesellschaftliche Probleme wie das „Game of Thrones“-Finale geplaudert.
Auf eurem neuen Album „Sun Over Moon“ gibt es einige wunderbare Post-Break-Up-Songs. Wie sehr kann Musik beim Verarbeiten von gescheiterten Beziehungen helfen?
Christoph: Ich kann nicht leugnen, dass das immer wieder vorkommt und ein Teil des Prozesses ist. Sicher auch für Geschichten, die vielleicht von einem selbst verarbeitet werden müssen und logischerweise wird dann die Musik dafür genutzt. Doch es ist auf jeden Fall nur ein Teil von dem, was man schlussendlich auf dem Album findet. Es hätte nicht der eigentliche Fokus sein sollen. Ex-Beziehungen sind die einfache Erklärung, aber ich glaube, man vergisst oft, dass man sich nicht nur von Freundinnen trennt. Es gibt ja auch freundschaftliche oder familiäre Beziehungen, die mal zu Ende gehen können oder sich verändern.
Trotz oft ernster Themen findet man in euren Lyrics immer wieder Wortwitz und viele humorvolle Aspekte. Wie wichtig ist Humor, wenn man sich so der Welt präsentiert, wie man es als Musiker nun mal macht?
Christoph: Sehr wichtig.
David: Es sind auch Dinge, die beim Hören hängen bleiben und es macht total Spaß, solche Elemente einzubauen.
Christoph: Ja, ich glaube, das ist irgendwie die Kunst an der Sache – sonst werden Texte auch sehr schnell langweilig. Wir schätzen kreative Texte ja auch an der Musik, die wir privat hören. Logischerweise ist es dann gut, wenn man auch die eigenen Lyrics so gestaltet.
Und wie behält man sich seinen Humor auch bei ernsten oder traurigen Angelegenheiten? Persönliche Angelegenheiten, Politik, Game of Thrones nur so als Beispiele.
David: Das Finale ist so schlecht.
Christoph: Keine Spoiler, ich habe es noch nicht gesehen.
David: Man nennt mich Spoiler-Dave – und das nicht umsonst. (lacht)
Christoph: Dave spoilert alles.
David: Es rutscht mir einfach raus. Ich meine es nicht böse.
Christoph: Ja, es passiert allerdings so oft, dass es schon etwas fragwürdig ist. Aber zurück zur Frage: Humor ist, glaube ich, eines der wichtigsten Dinge.
David: Auch bandintern. Christoph: Es ist auch manchmal nicht immer einfach, sich seinen Humor zu bewahren.
David: Das Leben nicht zu ernst nehmen, hilft wahrscheinlich dabei. Das schaffe ich auch bei Weitem nicht immer. Meiner Meinung nach ist es aber eine Einstellung, die man sich generell aneignen sollte.
Christoph: Oft ist es auch nicht schlecht, mal innezuhalten und zu überlegen – besonders wenn man emotional aufgewühlt ist. Dann gegenchecken, ob die Situation wirklich so schlimm ist. David: Das war auch generell Thema unseres Albums. Unsere Weiterentwicklung – die persönliche und als Musiker – um einfach ein bisschen reflektierter zu sein, auch im Umgang mit den anderen in der Band.
Instrumental gesehen habt ihr es geschafft, euch eine eigene Nische zu gestalten und auf dem neuen Album euren Sound noch weiter auszubauen. Wie wichtig ist es euch, immer wieder etwas Neues oder Unbekanntes zu kreieren?
David: Ich denke, man hält sich oft unbewusst an einer Idee und seinen Vorbildern fest. Aber gerade in einer Band formt sich dann trotzdem immer wieder etwas Neues daraus – vor allem wenn man sich keine Grenzen setzt wie wir. Wir machen einfach Musik und was auch immer dabei rauskommt, kommt dabei raus. Christoph: Wir haben bei diesem Album im Vergleich zu unserem Debüt ganz bewusst den Prozess geändert. Das war für uns der erste Schritt, um uns weiter zu entwickeln und etwas Neues auszuprobieren. Es ist allerdings nicht unbedingt unser oberstes Ziel, immer die ärgsten musikalischen Innovationen rauszubringen. Wir wollen einfach die Musik machen, die wir machen wollen und auch leidenschaftlich gerne machen. Es ist uns wichtig, ein buntes Album zu machen, wo nicht ein Song gleich klingt wie der vorherige. David: Wir haben viel selbst gemacht – viel mehr als beim ersten Album. Und wir haben auch schon darüber nachgedacht, dass wir bei der nächsten Produktion – egal, ob das jetzt eine EP, eine Single oder ein Album wird – wieder mehr für uns zu dritt zu arbeiten. Darüber hinaus haben uns schon eine Woche im Sommer ausgemacht, in der wir einfach nur Musik schreiben, ohne Grenzen, ohne Ziel.
Wie schätzt ihr die Relevanz von Genrezuordnungen heutzutage ein? Was haltet ihr von dieser Zuordnung allgemein?
Christoph: Es verschwimmt alles total. Natürlich gibt es Bands oder Sänger, bei denen es eindeutig ist oder die sogar ihr eigenes Genre aufgedruckt bekommen. Ich finde aber Genregrenzen, genauso wie allgemein Grenzen, eigentlich sehr unnötig.
David: Ich habe es auch noch nie geschafft oder noch keinen gehört, der für uns ein Genre definiert hat, das genau passt. Ich kenne zum Beispiel auch keine Band, die uns musikalisch sehr nahe stehen würde. Es ist immer wieder spannend, wenn irgendwer sagt „Ah, ihr klingt irgendwie so wie die [insert random band]“, weil wir so etwas so gut wie nie hören. Das ist zwar einerseits cool, aber es macht die Arbeit auch nicht so leicht, weil gerade in der Branche das Genredenken noch sehr präsent ist.
Im Video zu „Terrified Of Butterflies“ sieht man vordergründig euch, es werden aber auch immer wieder Ausschnitte aus alten Horrorfilmen eingeblendet. Wie darf man dies in Verbindung mit dem Song interpretieren?
David: Relativ kurz vor dem Release, als das Video schon fast fertig war, ist mir das noch irgendwie gekommen und ich finde es passt so gut zu „Terrified Of Butterflies“ – vor allem weil in einer Szene sogar eine überdimensionale Motte vorkommt, die den anderen auffrisst. (lacht) So etwas finde ich einfach super und das bringt wieder ein bisschen den Humor in das Ganze.
Christoph: Es ist nicht so, dass wir jetzt so die Horrorfilmfans sind. Ich für meinen Teil, fürchte mich nicht gerne. (lacht)
David: Ganz kurz allgemein zu den Videos: Dieses Mal haben wir den Ansatz gehabt, klein anzufangen, mit eben fast schon Standbild-Videos und uns dann bis zum Album immer mehr zu steigern. Zur letzten Single kommt dann ein Video mit dem Regisseur des Videos zu „Amazing“ – das wird sehr cool!
Klingt sehr durchdacht das Ganze.
David: We try! Christoph: Ja, man muss sich einen Plan machen.
Steckt hinter den Audioaufnahmen, die ihr auf „Sun Over Moon“ in verschiedenen Songs einspielt, auch ein ausgeklügelter Plan?
Christoph: Das ist einfach etwas, was wir spannend finden. Auch bei Alben anderer Künstler, weil man dann so viel entdecken kann.
David: Es ist cool, wenn es in Interviews erwähnt wird. Es sind so kleine Eastereggs für die Leute.
Christoph: Bei „Like Wolves“ hört man zum Beispiel einen ganz alten Gitarristen mit Parkinson, denn ich in Cuba kennengelernt habe – das war einfach so eine beeindruckende Begegnung. Wenn man zwei Jahre an einem Album arbeitet, dann ist das immer ein kleiner Lebensabschnitt, den man da verarbeitet. Es ist schon sehr schön, wenn man auch persönliche Dinge mit drinnen hat, an die man sich in 20 Jahren beim Hören dann erinnert. David: Die Audioaufnahme bei „Deja Vu“ kam daher, dass der Song früher „Chinese Memories“ hieß. Der Name kommt davon, dass Chrisi „all these memories“ singt, ich habe in der Probe aber immer „Chinese Memories“ verstanden und fand es dadurch irgendwie cool, wenn das Lied auf Chinesisch eingezählt wird. Es ist so eine kleine Anekdote an den Arbeitstitel. Darüber hinaus haben wir auf der Vinyl auch einen Zwischentrack am Ende der ersten Seite und ein Telefonat.
Christoph: Genau, das Telefonat ist von einer Uber-Fahrt in New York, bei der der Mann neben mir, offensichtlich irgendein Label Chef, mit jemanden telefoniert hat und hat, wie soll ich sagen?
David: Den anderen zur Sau macht? Christoph: Ja, wirklich zur Sau gemacht. Es war ein echt arges Gespräch. Ich habe das dann mitgeschnitten, weil ich so was immer spannend finde. Das haben wir dann auch noch raufgegeben.
Ihr habt in früheren Interviews erwähnt, dass ihr die Leute zum Nachdenken bringen möchtet. Wenn ihr euren Hörern eine Message aus dem neuen Album mitgeben könntet, was wäre diese?
David: Im Endeffekt genau das, was der Albumtitel ein wenig aussagt: Positiv denken!
Christoph: Es ist sehr banal, aber eben auch wichtig, dass den Leuten immer wieder zu sagen. Keine Ahnung, wie sehr man das raus hört. Es ist ja eigentlich auch eine Gegenfrage: Wie sieht man das zum Beispiel als Hörer?
David: Ja, und genau diese Freiheit ist ja auch was Schönes. Ich finde es ganz schlimm, wenn man Texte so schreibt, dass es überhaupt keinen Platz für Interpretationen gibt.
„Make your own paradies, cause this is all that you need“ – Was wäre essenziell für euer persönliches Paradies?
Christoph: Das würde sehr gut als Grundaussage vom Album passen, eine sehr treffende Zeile.
David: Stimmt.
Christoph: Ich denke, jeder kann und soll selber definieren, was sein eigenes kleines Paradies ist. Das ist auch etwas, woran jeder wirklich arbeiten kann. Für mich persönlich ist es einfach momentan von unserer Musik zu leben, mich als Musiker weiterzuentwickeln und auch einfach weiter zu produzieren.
David: Ja, frei mit kreativen Menschen arbeiten zu können und sich mit kreativen Freunden zu umgeben. Und das möglichst ohne finanziellen Stress. (lacht)