Nur die Liebe zählt
Fettes Brot im Interview
Seit Anfang der Neunzigerjahre sind Martin Vandreier, Boris Lauterbach und Björn Warns zusammen Fettes Brot. Besser bekannt unter ihren Künstlernamen Dokter Renz, König Boris und Björn Beton haben die drei Hamburger Jungs mit jeder Menge amtlicher Hits dafür gesorgt, dass deutscher Sprechgesang salonfähig wird und geblieben ist. Im Mai veröffentlicht das Trio sein neuntes Studioalbum namens „Lovestory“. VOLUME hat sich mit Fettes Brot ausreichend Interviewzeit für aktuelle Liebesg’schichten und Elternsachen genommen.
Alle Neune: Wie geht die Liebesgeschichte zu eurem neuen, neunten Studioalbum?
König Boris: Angefangen hat alles in einem gemütlichen Haus an der Nordsee. Denn dieses Mal wollten wir nicht in unseren vertrauten Räumlichkeiten arbeiten, sondern einen Tapetenwechsel herbeiführen. Zusammen mit drei Mitgliedern aus unserer Band haben wir dort Ideen entwickelt, Demos eingespielt und nebenbei eine sehr entspannte Zeit verbracht. Beim Vorspielen der ersten Ergebnisse in unserem engeren Freundeskreis haben vor allem die Songs gefallen, in denen es um Liebe geht. Also warum kein ganzes Album zu diesem bewegenden Thema? Wir sind zurück an die Nordsee, um „Lovestory“ fertig zu schreiben.
Wie hält man die interne Bandliebe frisch?
Björn Beton: Unser Geheimnis liegt meiner Meinung nach in der gesunden Mischung aus der nie endenden Begeisterung für die Talente der beiden anderen Wegbegleiter und dem ehrlichen Mut, auch einmal auseinanderzugehen, wenn wir uns gegenseitig auf die Nerven gehen. Denn Morgen ist auch noch ein Tag! Diese Einstellung funktioniert mit fortschreitendem Alter immer besser. Zusätzlich hat sich eine große Dankbarkeit dafür eingestellt, dass wir gemeinsam viele schöne Erfolgen feiern und auch einige Sinnkrisen meistern durften.
König Boris: Fettes Brot basiert auf Freundschaft sowie Leidenschaft für Musik. Diese zwei Komponenten verbinden und halten uns noch hoffentlich lange Zeit zusammen.
Seht ihr euch jeden Tag?
Doktor Renz: Fast jeden!
Und fühlt es sich dann komisch an, wenn ihr einmal nichts voneinander hört?
Doktor Renz: Bis sich ein Gefühl der Sehnsucht einstellt, dauert es schon eine Weile. Jeder von uns hat neben der Bandfamilie zum Glück noch andere wichtige Menschen in seinem Leben – auch diese Beziehungen gehören gepflegt.
König Boris: Es gibt Phasen, wie beispielsweise jetzt bei der letzten Albumproduktion, in denen wir permanent zusammen sind. Dazwischen sind auch immer ein paar Kontaktpausen notwendig. Generell lässt sich aber festhalten, dass wir drei auch gerne in unserer Freizeit etwas gemeinsam unternehmen.
Um aus eurem aktuellen Pressetext zu zitieren: „Vorsatz fürs neue Jahr: Endlich mal wieder verlieben. In die Welt, das Leben, die Menschen.“ – aber wie, wenn derzeit eher der Hass regiert?
Björn Beton: Klar, es kann nicht immer nur alles Friede, Freude, Eierkuchen sein. Doch der Ton wird spürbar rauer – da sind wir uns wohl alle einig, oder? In unserem Song „Du driftest nach rechts“ beschäftigen wir uns mit diesem gegenwärtigen Gesellschaftsphänomen. Es gibt einfach Momente in freundschaftlichen Beziehungen, in denen es besser ist, getrennte Wege zu gehen. Vor allem dann, wenn sich – bevorzugt in sozialen Medien – das wahre Gesicht der jeweiligen Person zeigt. Uns von Menschenhass anstecken und vergiften zu lassen, ist keine Option für uns. Wir wollen einen positiven Blick auf diese Welt behalten …
Doktor Renz: ….und die Hoffnung in die Menschheit nicht aufgeben! Auch wenn das bedeutet, den Mund aufzumachen und Stellung zu beziehen.
Auch Österreich ist offensichtlich nach rechts gedriftet, Rechtspopulisten erleben generell einen Aufschwung in Europa. Habt ihr Angst vor den aktuellen Entwicklungen – auch als Eltern?
Björn Beton: Es bedarf natürlich einer gewissen Zuversicht, um heute Eltern zu werden. Doch wenn ich mich an meine Jugend zurückerinnere, gab es damals schon Aussagen „Wie kannst du in so eine unsichere Welt überhaupt noch Kinder setzen?“. Angst war schon immer da, aber auch nie ein guter Ratgeber.
Doktor Renz: Meine Empfehlung lautet, einfach ein naiver Optimist zu sein. Fällt mir natürlich etwas leichter mittlerweile. Denn wenn ich mir meine eigenen Kids so anschaue, dann kommt in mir die Hoffnung auf, dass es um unsere Zukunft doch nicht so schlecht bestellt ist. Ich erkenne in der jungen Generation ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, etwas zum Positiven auf dieser Welt zu verändern.
König Boris: Erst recht, wenn man an diese junge Schwedin Greta Thunberg denkt, die gerade sehr beeindruckend für den Klimaschutz demonstriert. Respekt! Da bin ich doch verleitet zu sagen: Alter Schwede, das Mädchen hat mehr sprichwörtliche Eier in der Hose als diese ganzen alten Säcke in Parlamenten, Aufsichtsräten oder Vorständen.
Die Bewegung „Fridays for Future“ steht in der Kritik, weil diese Demonstration zum Schulschwänzen animiert.
Björn Beton: Na und? Ich habe früher aus deutlich profaneren Gründen die Schule geschwänzt und aus mir ist dennoch halbwegs etwas geworden. Außerdem: Der Klimawandel passiert, das ist kein Märchen. Warum also einfach weitermachen wie bisher? Wenn die Welt untergeht, hat niemand was von einem perfekten Schulabschluss ohne Fehltage. Ich unterstütze diese Bewegung! Auch aus der Sicht eines Vaters …
König Boris: Ist ja nicht so, dass die Kids Schule schwänzen, um zu gammeln und auf der faulen Haut zu liegen. Sie demonstrieren für eine Sache, die sie zukünftig am allermeisten betreffen wird. Warum einige Leute diese Bewegung kritisieren, liegt wahrscheinlich daran, dass sie sich schämen, in ihrer Jugend nicht selbst auf die Barrikaden gegangen zu sein.
Apropos Generationskonflikt: Wie finden eure Kids den neuen Sound von Fettes Brot?
Doktor Renz: Meinen Töchtern gefällt „Lovestory“, auch wenn sie sonst ganze andere Sachen hören. Das schmeichelt dem Papa. Obwohl ich glaube, dass die Mädels mit den Texten mehr anfangen können als mit der Musik.
Und welche Musik läuft bei Fettes Brot aktuell?
Doktor Renz: Die Antwort liefert unsere wöchentliche Radioshow „Was Wollen Wissen“ – zu hören auf dem deutschen Sender N-JOY oder im Internet.
König Boris: Oder zum Lesen, denn „Was wollen wissen? – Radschläge aus der Wortspielhölle“ ist jetzt auch in Buchform erhältlich! Eine sehr gute Lektüre übrigens, um die Wartezeit bis zu unseren nächsten Shows zu überbrücken.