No Limits
PAENDA im Interview
PAENDA weiß, was sie will und was ihr wichtig ist – und positioniert sich auf ihrem Debütnachfolger selbstbewusst, gereift und stark als zeitgeistige Pop-Künstlerin mit dem richtigen Gespür für feinsinnige Melodien und große Emotionen. Diese Evolution war nicht immer einfach, doch auch für die Kritiker findet Österreichs ESC-Vertreterin auf „Evolution II“ die richtigen Worte. Ebenso in unserem Gespräch über Selbstliebe, Selbstbestimmung und Selbstvertrauen im Business wie im Alltag – ohne Kompromisse, aber mit viel Gefühl!
Wie würdest du deine eigene Evolution der letzten Jahre als Künstlerin und als Privatperson beschreiben?
Ich bin von „Evolution I“ auf „Evolution II“ persönlich sehr gewachsen. Ich bin selbstbewusster geworden. Ich weiß, dass ich die Dinge, die ich mache, kann. Ich zweifle weniger daran und höre weniger darauf, was andere sagen. Ich frage mich mehr: Was ist das, was ich will? Darum geht es auch beim Musik machen – dass man das ausdrückt, was man ausdrücken will und nicht andere bedient oder Erwartungen erfüllt. Ich habe auch gelernt, mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin – mit all den Schwächen und Stärken, die ich habe. Es ist sehr wichtig, zu wissen, wo die eigenen Stärken liegen und dann auch dementsprechend zu arbeiten. Das spiegelt sich sehr stark auf „Evolution II“ wider. Es ist weniger versucht, weniger verkopft – ich habe es mehr fließen lassen. Dadurch sind die Beats viel geradliniger und die Songs poppiger, was auch viel mehr mir entspricht. Außerdem kommt wieder mehr PAENDA die Sängerin durch – was mich extrem freut. Ich mache jetzt alles so, dass ich eine Freude damit habe.
Diese angesprochene Selbstakzeptanz hört man auf jeden Fall. Wieso tun wir Frauen uns eigentlich so schwer mit der Selbstliebe?
Dass Frauen und Mädchen sich mit der Selbstliebe oft schwer tun, liegt vor allem daran, dass es immer heißt: Wir müssen hübsch sein. Wir müssen dünn sein. Wir müssen immer lächeln. Wir sollen nicht zu laut sein. Wir sollen keine Probleme machen. Wir dürfen nicht darüber reden, wenn uns irgendwas stört. Im Gegenzug fällt mir sehr oft auf, dass bei Männern der Maßstab nicht so hoch angelegt wird. Da ist es beispielsweise egal, wenn er einen kleinen Bauch hat oder sich nicht gescheit herrichtet. Das ist der Unterschied. Mädchen wird das von klein auf eingeimpft und durch Social Media noch verstärkt. Dort bekommen sie noch einmal mehr vorgelebt, dass man immer perfekt sein muss.
Es ist für erwachsene Frauen manchmal schon schwer, zu reflektieren, dass Instagram mehr Schein als Sein ist. Für Jugendliche ist das natürlich noch schwieriger …
Absolut! Ich merke das auch durch meine Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. Sie kriegen kaum Bestärkung. Sie trauen sich oft nicht, es auszusprechen und es gibt wenig Leute, die ihnen sagen: „Hey du, voll ok so, wie du bist! Wie kommst du darauf, dass du zu dick wärst?“ Sie setzen sich die Maßstäbe aber nicht nur selbst, sondern sie werden ihnen auch unverblümt gesagt. Ich habe Ähnliches ebenfalls mehrmals gehört – zum Beispiel von Ex-Freunden. Das bleibt hängen, das belastet dich. All diese Dinge beeinflussen dich natürlich auch in weiteren Beziehungen. Du bleibst dann vielleicht bei jemandem, obwohl die Person schlecht mit dir umgeht, weil du denkst, es liegt sowieso an dir. Irgendwann kommst du drauf, dass vielleicht doch der Andere der Arsch ist.
Das muss man anscheinend manchmal auf die harte Tour lernen. Dennoch schwingt bei all dem Herzschmerz auf „Evolution II“ immer das Gefühl von Selbstermächtigung mit, das mich sehr an Robyns „Dancing On My Own“ erinnert …
Lustig, dass du genau diese Nummer erwähnst. Anfang 20 war das mein Empowering-Song. Dieser Vergleich freut mich, weil Robyns Musik mich generell in schwierigen Zeiten immer sehr bestärkt hat. Genau dieses Gefühl will ich auch mit meinen Songs vermitteln. Nicht: „Oh mein Gott, mir geht’s so schlecht. Die Welt hasst mich.“, sondern: „Ich bin für mein eigenes Glück verantwortlich.“ Es geht darum, an den Problemen und Situationen als Person zu wachsen und stärker zu werden. Es gibt die Problemdiskutierer und die Lösungsfinder. Ich gehöre lieber zu letzteren.
Apropos Pop-Ikone Robyn … du hast auf dem Debütnachfolger die Furcht vor der kompositorischen Geradlinigkeit endgültig abgelegt. Wie ging’s dir früher damit?
Das Problem war für mich, dass es in der ganzen restlichen Welt cool ist, wenn du diese Art von Musik machst – wenn die Leute mitsingen können, wenn es groovt, wenn es einfach Pop ist. Doch in Österreich habe ich oft das Gefühl, dass Popmusik eher negativ beurteilt wird. Ich habe mich einfach nicht getraut, weil mir oft gesagt wurde, das könnte ich nicht machen, das wäre zu oberflächlich. Mir waren keine weiblichen, österreichischen Acts bekannt, die so eine Musik machen, deshalb hatte ich großteils nur internationale Vorbilder. Doch ich bin nun mal in Österreich, ich bin nicht international, was mich früher ein bisschen daran gehindert hat. Diesmal habe ich mir einfach gedacht: Ich will keine Angst mehr davor haben, Pop zu machen, nur weil es irgendwie so negativ behaftet ist. Wenn es eine Amerikanerin macht, finden es alle geil. Wenn es eine Österreicherin macht, ist die Antwort meist: „Ok, nice try.“ – das ist total komisch.
Gut, dass du jetzt einen Startschuss setzt!
Ich hoffe, dass ich damit speziell weiblichen Acts Folgendes mitgeben kann: Hey, es gibt auch in Österreich eine Popszene und ebenso das Publikum dafür!
Doch wieso ist es für junge, heimische Pop-Künstler deiner Meinung nach so schwierig?
Ich habe das Gefühl, dass neue Acts in Österreich meistens denselben Weg durchlaufen: Du tauchst auf, wirst ein bisschen bekannt und man findet dich cool, weil du neu bist. Danach bekommst du ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und da kommt dann eine lange Strecke an Hass. Da wirst du herunter gemacht, weil jeder Angst um seinen Platz hat – was idiotisch ist, weil du ja grundsätzlich niemandem etwas streitig machst. Und dann kommt dieser Moment, wo du plötzlich wirklich bekannt wirst und es auf einmal wieder cool ist, dich gut zu finden. Da muss aber anscheinend jeder österreichische Act durch.
Wie kam es eigentlich zu deiner Teilnahme am Eurovision Song Contest?
Im Grunde wurde ich gefragt, ob ich als PAENDA Interesse hätte, einen Song für den ESC 2019 einzureichen. Als für mich klar war, dass die Rahmenbedingungen stimmen – also dass ich selbst schreiben und produzieren kann – habe ich zugesagt. Der ursprünglich eingereichte Titel wurde es zwar nicht, aber zu dem Zeitpunkt war das Album fast fertig und der ORF hat sich dann für „Limits“ entschieden.
Wie hat dein Umfeld auf die Nominierung reagiert?
Es haben sich natürlich alle riesig gefreut! Sie haben es vor allem alle eher gecheckt als ich. Ich habe sicher eine Woche gebraucht, bis ich wirklich verstanden habe, was das bedeuten wird.
Einige Künstler haben sehr vom ESC profitiert, andere wiederum sind danach etwas in der Versenkung verschwunden. Wie viel Chance bzw. Risiko siehst du in deiner Teilnahme?
Ich glaube, im Leben ist es prinzipiell so, dass man sich nicht auf irgendeinem Erfolg oder Talent ausruhen sollte. Grundsätzlich finde ich es grandios, dorthin fahren zu dürfen, und freue mich schon sehr. Ich werde auch, wie bei jedem Konzert, auf der Bühne alles geben. Das Wichtige ist aber, dass ich danach, egal was oder wie es kommt, weiter Musik machen werde. Über all die Dinge, die ich sowieso nicht beeinflussen kann, weil einfach so viele Faktoren eine Rolle spielen, mache ich mir nur sehr ungern Gedanken. Ich genieße lieber den Moment.
Was willst du Europa mit deinem Song mitgeben?
Ich wünsche mir, dass die Menschen mehr Feingefühl für sich und für einander entwickeln und dass es nicht mehr als Schwäche angesehen wird, wenn man weint. Es geht dabei sehr viel um die Akzeptanz und das Bewusstsein der eigenen Verletzlichkeit und Grenzen – und in weiterer Folge um die der anderen. „Lächle mal ein bisschen, dann bist du viel hübscher!” – wer kennt diesen Satz nicht? Tatsache ist aber, dass wir alle keine Barbie-Puppen sind. Und wer gibt schon gern zu, dass es gerade nicht so einfach ist, zu lachen? Um dann vielleicht auch noch in Erklärungsnot zu geraten, weil der andere die Probleme nicht nachempfinden kann? Es ist wichtig, dass Schmerz in unserer Gesellschaft Platz bekommt und wir vor allem lernen, uns selbst so lieb zu haben, dass wir hinhorchen und es ernst nehmen, wenn der Körper und der Kopf sagen: „Ich mag jetzt nicht mehr!“ – auch in einer Welt, wo alle anderen so tun, als ginge es ihnen immer super.